EnergiewendeImportiert Deutschland "grünen" Strom?
Das Ende der Atomkraft und der geplante Kohleausstieg: Die Energiewende gehört zu den großen Herausforderungen der Ampel-Koalition. MDR-AKTUELL-Nutzer Peter Düver möchte wissen, welche Initiativen die Bundesregierung ergriffen hat, um erneuerbare Energie aus dem Ausland, beispielsweise Nordafrika, zu importieren.
- 2023 hat Deutschland erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Strom importiert als exportiert.
- Gemessen am Strommix der Exportländer, aus denen Deutschland Strom bezieht, ist viel "grüner Strom" dabei.
- Aus Nordafrika könnte nicht nur grüner Strom bezogen werden, sondern auch "grüner Wasserstoff" als Energeiträger.
Bevor es nach Nordafrika geht, lohnt der Blick auf die aktuellen Zahlen: 2023 hat Deutschland erstmals seit 20 Jahren wieder mehr Strom importiert als exportiert.
Den größten Anteil daran hatten Dänemark, Frankreich und Norwegen. Laut Andreas Fischer vom Institut der deutschen Wirtschaft ist bei den jetzigen Importen bereits viel Strom aus Erneuerbaren Energiequellen dabei. Wenn man den Strommix der einzelnen Länder mit den Importen zusammenbringe, sagt Fischer, "dann machen Erneuerbare Energien ungefähr die Hälfte aus." Knapp 20 Prozent stammten aus fossilen Energien und ungefähr ein Viertel aus der Kernkraft.
Grüner Wasserstoff aus Algerien?
Doch der Bundesregierung geht es nicht nur um Strom. Das wurde im Februar 2024 auf einer Dachterrasse in Algier deutlich, wo Wirtschaftsminister Robert Habeck ein kurzes Handyvideo produzierte: Wenn Algerien als großer Gasproduzent mit seinen idealen Bedingungen – Sonne und Wind en masse – "umswitche auf grünen Wasserstoff, könnten wir ein wichtiges Puzzlestück auch für die europäische und die deutsche Energieversorgung schließen", sprach Habeck in sein Gerät.
Habecks Besuch in Algerien ist Teil einer größeren Initiative, die die Bundesregierung "H2 Global" nennt. Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD, zufolge geht es darum, "mit 900 Millionen Euro, die die Bundesregierung dafür zur Verfügung stellt, im Ausland Wasserstoffimporte anzureizen."
Denn: Wasserstoff brauche auf Basis erneuerbarer Energien in der Markthochlaufphase noch Investitionssicherheiten, sagt Scheer. Wasserstoff aus Nordafrika soll durch bestehende Gasleitungen in Italien und Österreich in den Süden Deutschlands kommen.
Griechenland setzt Stromtrasse für Wasserstoff
Einen ähnlichen Plan für den Strom selbst verfolgt die Bundesregierung dagegen derzeit nicht. Sehr wohl aber andere europäische Länder, erklärt Ökonom Andreas Fischer. In Griechenland werde eine erste Trasse geplant. "Und auch Italien hat Interesse bekundet, direkt Strom beziehen zu wollen." Über das europäische Stromnetz könnte dann auch Deutschland diesen Strom erhalten.
Opposition kritisiert Importvorhaben der Bundesregierung massiv
Für SPD-Politikerin Nina Scheer ist das jedoch nur ein kleiner Teil der Lösung. "Wir haben mit dem Klimawandel auch mehr Bedarf in der Zukunft, was das Kühlen angeht. Auch da werden wir in südlichen Ländern wahrscheinlich neue Strombedarfe haben."
Da sei es verständlich, wenn jedes Land versuche, sich mit den Erneuerbaren Energien selbst zu versorgen, sagt Scheer. Gleichzeitig könnten sie Überschüsse gewinnen und diese exportieren.
Die Bundesregierung steht dem Import von Erneuerbaren Energien so offen gegenüber, dass die Opposition sie dafür zum Teil massiv kritisiert – es entstünden Kosten, die ohne Atomausstieg gar nicht nötig wären. Aus Sicht der Regierung steht beim Import aber nicht Nordafrika im Vordergrund, sondern der Ausbau des Stromhandels innerhalb Europas.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 10. Oktober 2024 | 06:00 Uhr