Teure Energie Strompreis könnte 2023 doppelt so hoch sein wie vergangenes Jahr
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Beim Strompreis ist gerade nur eins klar: Er steigt. Zum großen Teil, weil der Börsenpreis des Stroms momentan noch immer von der teuersten Produktionsart bestimmt wird – nämlich der Gasverstromung. Und Gas ist auf Grund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine bekanntlich knapp. Womit müssen wir im schlimmsten Falle rechnen und ist irgendwann ein Ende in Sicht? MDR AKTUELL hat bei Experten nachgefragt.

- Starke Preissteigerungen seit 2021
- Große Unterschiede je nach Vertrag
- Experte geht mindestens von Verdoppelung des Preises aus
- Frankreichs AKW könnten Entspannung bringen
Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale-Bundesverband fasst die Lage zusammen: "Im Schnitt lagen die Strompreise im letzten Jahr bei 31 Cent pro Kilowattstunde, im Juli schon bei 37 Cent. Bei Neuverträgen werden durchaus auch 40-50 Cent aufgerufen. Das ist eine exorbitante Steigerung für die privaten Haushalte."
Um langfristig die Versorgung zu garantieren, kaufen Unternehmen ihren Strom am sogenannten Terminmarkt Wochen bis Jahre im Voraus. Was sie darüber hinaus kurzfristig brauchen, wird am Spotmarkt gekauft, der extrem schwankt. Gerade dort stiegen die Preise in den vergangenen Wochen ums Dreifache, Vierfache oder Fünffache zum Vorjahr. Anfang September lag der Preis bei 50 Cent pro Kilowattstunde.
Verbraucher-Preis abhängig vom Einkauf durch den Anbieter
Der höhere Börsenpreis kommt zeitversetzt bei den Kundinnen und Kunden an. Und zwar ganz unterschiedlich, je nach Anbieter und Vertrag, so Engelke: "Zum Teil liegt das daran, wann Unternehmen eingekauft haben. Ob sie jetzt gerade einkaufen müssen zu einem sehr, sehr hohen Preis, oder ob sie sich im letzten Jahr oder noch davor zu einem relativ günstigen Preis eingedeckt haben."
Wie hoch die Preissteigerung ausfällt, ist zum Beispiel auch davon abhängig, ob ein Anbieter selbst Strom produziert oder vollkommen auf Stromeinkauf angewiesen ist.
Strompreise sehr individuell – Preis-Prognosen kaum möglich
Bestandskunden haben eventuell eine Preisgarantie, Neukunden zahlen oft viel mehr. Gerade weil die Strompreise so individuell berechnet werden, ist eine Prognose schwierig, auf welche Preise genau man sich im kommenden Jahr einstellen muss.
Dominic Möst, Professor für Energiewirtschaft an der TU Dresden, wagt dennoch eine Schätzung: "Was aus meiner Sicht ein sehr guter, aussagekräftiger Indikator ist, in welche Richtung es gehen wird: Wenn man bei Neuverträgen schaut, wo da die Strompreise heute liegen. Da sind wir so in der Bandbreite zwischen 45 bis teilweise 60 Cent die Kilowattstunde." Das sei eine Einschätzung, die sich ungefähr mit den Großhandelspreisen decke.
Im Idealfall "nur" Preis-Verdoppelung – Blick nach Frankreich
Markus Barella, Geschäftsführer der Firma "first energy", die Unternehmen beim Stromeinkauf berät, ist noch pessimistischer. Sollte sich nichts ändern, geht er von 60 Cent oder mehr pro Kilowattstunde im Jahr 2023 aus: "Auf Grundlage der aktuellen Börsenpreise für das kommende Lieferjahr müssen wir davon ausgehen, dass sich die Stromkosten für Privatkunden im Idealfall nur verdoppeln, sollten die Preise weiter steigen, sind auch individuell höhere Preissteigerungen möglich."
Alle Gesprächspartner betonen, dass man heute nicht die Strompreise von morgen vorhersagen kann. Energiewirtschaftsprofessor Möst weist allerdings noch auf einen zweiten wichtigen Faktor hin, der die Strompreise massiv prägt: Weil aufgrund von Revisionen und Reparaturen ein Großteil der Atomkraftwerke in Frankreich nicht am Netz sei, fehle deren Kapazität. Dieses Problem könne sich schnell lösen, und zwar, falls die Werke in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten wieder am Netz seien. Dann könnten die Preise am Strommarkt wieder fallen.
Bis dahin gibt es aber vielleicht auch schon eine Deckelung des Strompreises auf EU-Ebene. Die Länder planen, sie in den kommenden Wochen zu beschließen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 19. September 2022 | 06:00 Uhr