Braunkohlebagger im Tagebau Welzow-Süd
Im Braunkohletagebau Welzow-Süd der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG) wird noch viel Braunkohle abgebaut. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Steinkohle Warum Tagebaue stillgelegt werden und trotzdem Kohle importiert wird

12. April 2023, 19:56 Uhr

Bis 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland vom Netz gehen, auch die Tagebaue werden Stück für Stück stillgelegt. Gleichzeitig hat Deutschland im vergangenen Jahr 44 Millionen Tonnen Steinkohle importiert. MDR AKTUELL-Hörer Kurt Hertwig fragt sich, wieso nicht zuerst die deutsche Kohle verstromt wird.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Warum importieren wir überhaupt Kohle?

Dabei ist die Unterscheidung zwischen Braun- und Steinkohle wichtig. Wir importieren Steinkohle für unsere Steinkohlekraftwerke und die dürfen auch nur Steinkohle verbrennen. In den deutschen Tagebauen wird aber ausschließlich Braunkohle gefördert. Die lässt sich nur schlecht in einem Steinkohlekraftwerk verheizen. Das hat verschiedene Gründe: Braunkohle hat einen niedrigeren Brennwert und die Abgasfilter müssten auch anders abgestimmt sein. Also: Auch wenn beides Kohle heißt, kann man es nur schwer gegeneinander aufwiegen.

Warum fördern wir keine eigene Steinkohle?

Aus Kostengründen. In Ostdeutschland hat schon die DDR die letzte Steinkohleförderung eingestellt. Die Vorkommen waren schlicht ausgekohlt und in Westdeutschland war die Steinkohleförderung ein großes Verlustgeschäft. Die Flöze lagen ungünstig, der Bergbau wurde immer teurer. Schon in den 1960er-Jahre musste er vom Staat bezuschusst werden. Dann hat man angefangen, Steinkohle billiger im Ausland zu kaufen und von diesen Importen leben unsere Steinkohlekraftwerke bis heute ausschließlich.

Warum steigen wir nicht zuerst aus der Steinkohle aus?

Ja, das klingt logisch. Aber es geht nicht so einfach. Die Steinkohlekraftwerke stehen vor allem in Westdeutschland. Ostdeutschland hat vor allem Braunkohlekraftwerke. Würde man zunächst nur aus der Steinkohle aussteigen, bekämen wir wahrscheinlich ein Problem mit der Energieverteilung. Der Ausstieg aus Braunkohle und Steinkohle soll deswegen schrittweise und weitgehend parallel verkaufen.

Übrigens: Für beide Kohlearten sind vergangenes Jahr Kraftwerksblöcke wieder ans Netz geholt worden, weil Deutschland mangels russischer Gaslieferungen die Energie fehlte. Der Ausstiegsfahrplan ist also auch nicht starr. Man kann in Notlagen Kraftwerke wieder hochfahren, wenn sie nicht schon komplett stillgelegt wurden.

Noch etwas ist als Randaspekt interessant: Steinkohle stößt beim Verbrennen für die gleiche Energiemenge weniger CO2 aus als Braunkohle. Wenn man es also rein aus dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes betrachtet, müsste man eigentlich zuerst aus der Braunkohle aussteigen und dann aus der Steinkohle.

Was erhalten die Betreiber der deutschen Braunkohle-Tagebaue für den Kohleausstieg?

Der Staat entschädigt die Kohlekonzerne mit 4,35 Milliarden Euro für den Kohleausstieg. Das Geld gibt es allerdings nicht für die Tagebaue, sondern für das Herunterfahren der Kohlekraftwerke. Es ist Geld für entgangene theoretische Gewinne. An der Summe gibt es immer wieder Kritik. Zum einen haben die Unternehmen gerade im letzten Jahr nochmal glänzend verdient. Und dann ist nicht ganz klar, was die Milliarden-Entschädigung rechtfertigt. Es laufen zumindest für die Braunkohlekraftwerke auch noch Prüfverfahren bei der EU. Womöglich werden die Entschädigungen nochmal gekürzt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 12. April 2023 | 06:00 Uhr

22 Kommentare

Denkender Buerger am 13.04.2023

Was nur wenige wisen: Die DDR stand in den 1980-er Jahren vor ähnlichen Problemen wie Deutschland heute. Braunkohle war der einzige Energietäger, über den die DDR frei verfügen konnte. Deshalb war die Energieversorgung der DDR vor allem auf die Braunkohle ausgerichtet. Man wußte aber genau, daß ohne eine Droselung der Braunkohle-Förderung die Lagerstätten der DDR bis etwa 2030 weitgehend erschöpft sein würden. Deswegen wollte die DDR bis 2030 eine ganze Reihe von Atomkraftwerken bauen, um die Energieversorgung nach 2030 zu sichern. Zudem hat man in den 1980-er Jahren große Forschungsprogramme zu Biogas-Anlagen, Geothermie-Anlagen und Windrädern angeschoben. Durch die politische Wende sind diese Vorhaben nach 1989 weitgehend eingeschlafen.

Guter Schwabe am 12.04.2023

@D B: das entscheidet sich 2028, wenn die westdeutschen Reviere (RWE und EON) von Netz gehen und dann das wahre Ausmaß ersichtlich wird. Deswegen auch an Sie, ARD schauen und dann solche Fragen des Lesens stellen. Aber zu Ihren Trost, bis dahin 2038 ist noch sehr lange hin und eventuell besinnt sich so manch einer.

DER Beobachter am 12.04.2023

Die 3 verbliebenen AKW fahren ihre Leistung schon seit Wochen von den verbliebenen 3 GW zurück. Aktuell noch 1 GW. Werden wir gar nicht merken, wenn die weg sind. Und allein heute wieder haben wir einschliesslich des Exports fast 2/3 unseres Bedarfs aus Erneuerbaren geholt...

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland