150 Jahre Jubiläum Oelsa Polstermöbel: Die letzte überlebende Möbelfabrik der DDR

19. September 2021, 05:00 Uhr

Auch die Möbelproduktion war in der DDR staatlich organisiert. Es gab fünf Kombinate mit 26.000 Mitarbeitern in der DDR. Nach der Wende standen bei der Treuhand die einzelnen Möbelfabriken zum Verkauf. Als einziger von 140 Betrieben überlebte der VEB Möbelindustrie Oelsa-Rabenau, die heutige Polstermöbel Oelsa GmbH mit Sitz in Rabenau bei Dresden.

In diesem Jahr feiert Polstermöbel Oelsa 150 Jahre Firmenjubiläum. Die historischen Mauern der Produktionsstätten in Rabenau haben einiges erlebt.

DDR-Geschichte im Kleinen

1870 sei die Produktionsstätte gebaut worden, die Fundamente stammten aus dem Mittelalter, erzählt Dr. Andreas Käppler, Inhaber und Geschäftsführer der Oelsa Polstermöbel GmbH, und fügt etwas später hinzu:

An unserem Unternehmen kann man die gesamte deutsche Wirtschaftsgeschichte wunderbar darstellen.

Andreas Käppler, Oelsa GmbH

"Auch alle Verwerfungen zu DDR-Zeiten mit Kombinatsbildung und Stammbetriebsbildung. Haben wir alles hier erlebt. Die größte Herausforderung war die Wende."

Veränderungen nach der Wende

Märkte und Vertriebswege brachen zusammen. Produkte waren nicht wettbewerbsfähig. Dagegen hatte Westdeutschland die leistungsstärkste Polstermöbelindustrie Europas zu bieten. Käppler, studierter Betriebswirt, kannte die Strukturen im Ausland und wusste, dass Oelsa nicht mithalten kann. Also suchte er Rat bei Kollegen in Bayern:

"Ich hatte unmittelbar am 6. Dezember – weil es Nikolaus war, weiß ich das noch – schon ein erstes Treffen mit dem Marktführer der Polstermöbelbranche in Taufkirchen. Nach wenigen Wochen hatte ich dort Zugang zu allen Unterlagen, habe dort also unwahrscheinlich viel gelernt. Alles, was wir an Rotlichtbestrahlung hatten, das fehlte mir an Finanz- und steuerlichen Dingen, aber das ließ sich lernen."

Dafür machte sich die gute betriebswirtschaftliche Ausbildung in der DDR bezahlt. Und das sollte noch wichtig werden. Zunächst musste der Betrieb in Oelsa quasi über Nacht von Serienproduktion auf Kommissionsfertigung, also individuell bestellte Stücke, umstellen:

"Da haben hier abenteuerliche Zustände stattgefunden, dass wir gar nicht mehr wussten, wo oben und unten ist und jedes Wochenende an den Himmel geschaut haben. Weil wir alle Möbel auf den Hof gestellt und dann sortiert haben: Der Sessel, der gehört dort hin und so weiter. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen."

Welche Rolle die Treuhand spielte

Die Treuhand hat zu dieser Zeit nur geholfen, das operative Geschäft aufrechtzuerhalten – also Löhne zahlen, Material beschaffen. Unterdessen bahnte Andreas Käppler mit seinen Mitstreitern einen Kooperationsvertrag mit dem bayerischen Partnerunternehmen an. Im Polstermöbelbetrieb Oelsa flogen derweil bei Gewerkschaftsversammlungen die Fetzen:

"Nach so ein, zwei legendären Veranstaltungen haben die Leute schon gespürt, was sie an ihrer Geschäftsleitung vor Ort hatten. Und wir mussten damals auch gegenüber der Treuhandanstalt nachweisen, dass die Belegschaft hinter uns steht. Und wenn ich da so an Betriebsratsergebnisse und Belegschaftsbefragungen denke – das waren DDR-Wahlergebnisse."

Dann platzte der Deal mit den Bayern trotzdem, weil sich herausstellte, dass das Unternehmen in Taufkirchen schon zu viele defizitäre Töchter hatte. Käppler durchlebte schlaflose Nächte und musste zur Treuhand nach Berlin, saß dort am Tisch mit Unternehmens- und Steuerberatern und Vertretern der Banken:

"Da ist wirklich dieser legendäre Satz gefallen: Herr Doktor, Sie haben noch vier Wochen Zeit: privatisieren oder die Schlüssel bringen. Kapital gab es, allein durch diese Eigenkapitalhilfeprogramme. Alles zu einhundert Prozent persönlich verbürgt und selbst unsere Ehepartner mussten alle unterschreiben: Millionenhöhe Kreditverträge. Das ist aus meiner Sicht schon fast sittenwidrig gewesen."

Das Risiko war groß

Käppler kennt Menschen, die daran wirtschaftlich zugrunde gingen. Er und zwei weitere Geschäftsführer haben damals auch das Risiko gewagt. Die Treuhand hat der positiv denkende Betriebswirt dabei immer als fairen Partner erlebt. So ist der Umbruch geglückt. Der Betrieb mit einstmals 60 Produktionsstätten und über 1.600 Mitarbeitern in Sachsen und Brandenburg wurde auf Rabenau konzentriert. Heute arbeiten hier 220 Angestellte plus Azubis und Studierende. Polstermöbel Oelsa liefert mittlerweile Waren weltweit aus. Die über 150-jährige Firmengeschichte hat Andreas Käppler in einem Buch zusammengefasst.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. September 2019 | 05:00 Uhr

2 Kommentare

cesikid am 19.09.2019

Der einzige Polstermöbelhersteller, der überlebt hat, Ja, vielleicht. Der einzige Möbelhersteller, NEIN. Wären die Journalisten nur ca. 15 km weiter gen Süden gefahren, dann hätten sie die Fa. Sachsenküchen direkt an der B 170 in Obercarsdorf gesehen. Ein Küchenmöbelhersteller, der durch Angestellte übernommen wurden, sich bereits vergrößert haben und derzeit Küchenmöbel weltweit exportieren.

Atze1 am 19.09.2019

Herr Käppler, gratuliere Ihnen und ihren Mitstreitern!
Haben Sie auch einen Werksverkauf ?
Wenn ich das nächste Mal in ihrer schönen Gegend zu Gast bin, könnte ich mir den dann ansehen.

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