Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Schulklasse aus Teddybären Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

DDR-Unternehmen nach WiedervereinigungWas vom DDR-Spielzeugland blieb

10. Februar 2021, 12:09 Uhr

Die Wende läutete für viele Spielwarenbetriebe das Aus ein. Die "Martin Bären" in Sonneberg gibt es noch heute - und das auch im Guinnesbuch der Rekorde. Bernd das Brot war für eine Spielzeugfirma in Bad Kösen die Rettung.

In Sonneberg schlug das Herz der DDR-Spielwarenindustrie. 1952 gab es allein dort noch über 100 private Kleinbetriebe, die Spielzeug herstellten. Doch nach und nach wurden in der DDR immer mehr Firmen enteignet und Kombinaten zugeführt. In Sonneberg wuchs so zum Beispiel das VEB Vereinigte Sonneberger Spielwarenwerk, als "Sonni" in die Geschichtsbücher eingegangen, immer weiter an. 1972 wurden auch die letzten Spielzeug-Privatfirmen in der DDR verstaatlicht, zentralisiert und damit den volkseigenen Kombinaten zugewiesen.

Das habe der Wirtschaftlichkeit und Flexibilität der Spielwarenindustrie geschadet, so Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch. Denn das Kombinat habe einen geschützten Markt gehabt. "Im wesentlichen den DDR-Markt und ein Stück darüber hinaus den osteuropäischen Markt", schätzt Karlsch ein. Der Konkurrenz auf dem Weltmarkt habe man so sich nicht mehr stellen müssen. Darunter habe die Qualität der Produkte und das Marketing gelitten. Das Geschäft innerhalb der DDR florierte. Kinder wollten Spielzeug - und die Eltern kauften es natürlich aus dem vorhandenen Sortiment.

Menschen in der Region fehlte das Geld, Betriebe zu kaufen

Nach der Wende fiel es vielen Herstellern schwer, sich am gesamtdeutschen Spielwarenmarkt zu behaupten. Auch für die Spielzeugfabrik des Ostens, "Sonni" aus Sonneberg, wurde die Nachwendezeit zur Zerreißprobe. Die Treuhand sollte die Betriebe so schnell wie möglich privatisieren. "Sonni" und viele andere Betriebe scheitern.

Das ostdeutsche Spielzeugland ist in seine Einzelteile zerfallen. "Sobald ein Käufer gefunden werden konnte, wurden die in GmbH umgewandelten Betriebe verkauft", erklärt Wirtschaftshistoriker Karlsch. Doch habe es den meisten Menschen an Geld gefehlt, um ihre eigenen Firmen oder die aus ihrer Region zu kaufen. Großteils sei das ehemalige DDR-Spielwarenkombinat so "an solvente westdeutsche Großunternehmen verkauft worden", zieht der Wirtschaftshistoriker Bilanz.

"Einige mutige Geschäftsführer oder Ingenieure" habe es jedoch gegeben, die kleinere Teile ihrer ehemaligen Werke übernommen hätten. Kleinfirmen seien daraus hervorgegangen, die sich erfolgreich in Marktnischen behauptet hätten.

Viele Produkte der Sonneberger Spielwarenhersteller sind heute im Spielzugmuseum der Stadt zu sehen Bildrechte: picture alliance / dpa | Stefan Thomas

Karlsch: "Der Ruf der Treuhand ist nicht der beste"

Hinsichtlich der Spielwarenindustrie habe die Treuhand keine gravierenden Fehlentscheidungen getroffen, schätzt Wirtschaftshistoriker Karlsch ein. Dennoch sei der Ruf der Treuhand nicht der beste, weiß er. "Das hängt damit zusammen, dass diese Anstalt de facto als Blitzableiter galt – sowohl für die Beschäftigen von den Betrieben, die keine Chance hatten in den Markt hineinzukommen, als auch für die Politik, die nur zu gern sich hinter den Entscheidungen der Treuhandanstalt ein Stück weit verstecken konnte", erklärt Karlsch das schlechte Image.

Bezogen auf die Spielwarenindustrie war das Vorgehen der Treuhand besser als ihr Ruf, sagt Wirtschaftshistoriker Dr. Rainer Karlsch. Bildrechte: MDR/Umschau

Sonneberger Kleinfirma kommt im Guinnessbuch der Rekorde groß raus

Viele Spielwarenhersteller mussten nach der Wende aufgeben. Der gesamtdeutsche Markt, Währungsumstellung und neue Rechtsgrundlagen waren zu große Hürden. Das 1924 gegründete Sonneberger Traditionsunternehmen "Martin Bären" hat es hingegen bis heute geschafft. Aber der Neustart fiel schwer. Denn für die Treuhand war der kleine Kombinats-Ableger uninteressant. "Da wurde das alles aufgelöst, leider sehr viel weggeschmissen", weiß Sina Martin, die heute in fünfter Generation das Unternehmen leitet.

Lediglich einzelne Schnitte habe man vor dem Müll retteten können. "Damit haben wir eigentlich gestartet und das wieder von vorne aufgebaut", so die 30-jährige Sina Martin. Um sich wieder einen Namen zu machen, ging die Firma neue Wege - im Verkaufsfernsehen. "Dadurch haben wir einen Kundenstamm aufgebaut", betont die Firmenchefin. Neben immer neuen Modellen bietet das Traditionsunternehmen heute auch die Reparatur von Kuscheltieren an. Das wissen viele zu schätzen, die von ihren Lieblingsteddys schon seit Jahrzehnten begleitet werden. Mit den Bären hat die Kleinfirma "Martin Bären" so ihre ganz eigene Nische gefunden.

Mit einem im Stehen 5,40 Meter großen Riesenteddybären hat es das Sonneberger Unternehmen, das seit jeher auf Handarbeit setzt, sogar ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft.

Bernd das Brot rettet Bad Kösener Plüschtierproduktion

Auch die heutige Kösener Spielzeug Manufaktur GmbH in Sachsen-Anhalt hat es geschafft – entgegen aller Treuhand-Prognosen. Als nach der Wende eine westdeutsche Firma den Kauf des damaligen VEB Kösener Spielzeug doch ablehnte, plante die Treuhand die Abwicklung.

Bauunternehmer Helmut Schache wollte das einst von Puppenmacherlegende Käthe Kruse gegründete Traditionsunternehmen vor der Zerschlagung bewahren. "Ich war damals Bürgermeister in Bad Kösen und mit der Treuhand hatte ich sowieso immer meinen Kampf als Wirtschaftsmann. Wen alles zugemacht wird, haben Sie schon Sorgen", sagt Schache rückblickend. Er kaufte den Betrieb mit seiner Frau, konnte ihn so erhalten. Damit ist die Firma kein Einzelfall, erklärt Wirtschaftswissenschftler Karlsch.

Es gab eine ganze Reihe Kleinprivatisierung aus der Not heraus. Niemand wollte bestimmte Teile kaufen.

Wirtschaftshistoriker Dr. Rainer Karlsch | Umschau

Die Treuhand verlangte von Helmut Schache zunächst 700.000 D-Mark für den Bad Kösener Betrieb, ließ sich aber nach zähen Verhandlungen auf 100.000 runterhandeln. Die Geschäfte liefen danach schwer an, über 100 Beschäftigte mussten gehen. Mit DDR-Spielzeug-Design waren keine großen Geschäfte mehr zu machen. Um die Jahrtausendwende wendete sich das Blatt schlagartig. "Das Leben hat mir nachher ausgerechnet Bernd das Brot gerettet, das wirtschaftliche Leben. Ich war damals beim KiKA eingeladen zur Präsentation. Der Kinderkanal wollte sein Maskottchen auch präsentieren und jemanden suchen, der das produziert", erinnert sich Schache. Später gehen auch Plüschvarianten von Rudolph Moshammers Daisy, dem berühmten schielenden Opossum Heidi aus dem Leipziger Zoo und Schnappi, das Krokodil, in der Bad Kösener Spielzeugfirma in die Produktion.

Karlsch: Spezialanbieter haben gute Chancen

Das Lizenzgeschäft machte zwischenzeitlich 80 Prozent der Einnahmen des Bad Kösener Unternehmens aus. Ähnliche Erfahrungen teilten auf der Spielwarenmesse Anfang Februar in Nürnberg auch andere Hersteller aus Mitteldeutschland, zum Beispiel Erzi und Piko. Die besonderen und sehr speziellen Angebote scheinen Erfolg zu versprechen. Das schätzt auch Wirtschaftshistoriker Karlsch so ein. "Die großen Anbieter sitzen heute überwiegend in Asien. Wohingegen kleine Spezialanbieter bis heute recht gute Chancen in Europa, auch in den neuen Bundesländern haben", sagt er.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 04. Februar 2020 | 20:15 Uhr