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KommentarÜbergewinnsteuer wäre kein Desaster

11. Juni 2022, 05:00 Uhr

Drei Bundesländer wollen über den Bundesrat eine Sondersteuer für Profiteure des Russland-Ukraine-Krieges durchsetzen, etwa auf Extragewinne der Mineralölkonzerne. Doch das FDP-geführte Finanzministerium sperrt sich und warnt vor einem wirtschaftlichen Desaster. Das sieht unser Autor Alexander Budweg anders.

Es ist gut, dass Bremen, Berlin und Thüringen über den Bundesrat die Einführung einer Übergewinnsteuer erreichen wollen. Sie wäre ein fairer Lastenausgleich in Krisenzeiten. Doch ob sie kommt, ist aufgrund der pauschalen Ablehnung vor allem durch die FDP eher fraglich.

Zwischen Solidarität und Neiddebatte

Die Stärkeren schultern mehr als die Schwächeren. Das ist einer der Grundpfeiler unserer Solidargemeinschaft – ob bei der Einkommenssteuer, bei der Kranken- oder bei der Pflegeversicherung. Auch eine Übergewinnsteuer könnte sich dort einreihen. Schließlich unterstützen auch hier die Stärkeren die Schwächeren. Nur eben begrenzt auf Krisenzeiten.

Ordentlich in der Krise profitiert hat unter anderem der Impfstoff-Hersteller Biontech. Missgunst wäre aber unangebracht, schließlich hat das Covid19-Vakzin der Mainzer vielen Menschen geholfen. Es ist dem Unternehmen daher auch zu gönnen, dass im Jahr 2021 der Gewinn auf 10,3 Milliarden Euro gewachsen ist. Im Jahr zuvor standen noch 15,2 Millionen Euro unterm Strich. Möglich machte diesen Erfolg die Coronapandemie und vor allem exzellenter Forschergeist.

FDP warnt vor "Desaster für Deutschland"

Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Christian Dürr, ist der Meinung, dass eine Übergewinnsteuer "ein Desaster für Deutschland" wäre und er zieht als Beleg dafür unter anderem Biontech heran. Den Mainzern drohe dadurch eine saftige Steuererhöhung, schreibt er in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Was Dürr nicht erwähnt: Biontech hat für die Impfstoffentwicklung und den Ausbau der Produktion weit über 300 Millionen Euro Fördergelder vom Staat erhalten. Das ergab die Antwort der Bundesregierung im Juli 2020 ausgerechnet auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion.

In seinem Gastbeitrag schreibt Dürr weiter: "Der Gesetzgeber müsste willkürlich entscheiden, welche Unternehmen überdurchschnittliche Gewinne verzeichnen. Die Festlegung, welche Gewinnhöhe üblich ist und für wen sie greifen sollte, wäre jedoch nicht nur schwer ermittelbar, sondern auch rechtlich fragwürdig."

Leistungsfähigkeitsprinzip auch für Unternehmen

Dass die Liberalen eine solche Steuer ablehnen, mag wenige überraschen. Erstaunlich ist aber, wie ein führender Politiker einer Regierungspartei dabei argumentiert. Würde man Dürr folgen, so wäre die Einkommenssteuer ebenfalls pure Willkür. Schließlich zahlen hier nicht alle prozentual das Gleiche. Durch die sogenannte Steuerprogression nimmt der Steuersatz mit steigendem Einkommen zu.

Dahinter steckt jedoch das Leistungsfähigkeitsprinzip: Jeder Einzelne zahlt so viel Steuern, wie er aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage kann. Bei der individuellen Berechnung fließen allerdings auch steuermindernde Aspekte ein, etwa Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Ähnlich ließe sich auch eine Übergewinnsteuer gestalten. Deshalb ist das pauschale Urteil des FDP-Politikers Dürr auch falsch, dass ein solches Instrument per se "weder fair noch seriös" sei.

Eine Übergewinnsteuer muss auch kein Killer für Wachstum und Innovation sein. Nutzt ein Unternehmen seinen zusätzlichen Profit genau dafür, so könnte man es davon befreien. Und dass deshalb Unternehmen und junge Gründer einen Bogen um Deutschland machen würden, klingt auch eher nach Schwarzmalerei.

Standort Deutschland stärken

Das gilt erst recht, wenn wie im Bremer Vorschlag, die Übergewinnsteuer auf hohe Einnahmen des Energiesektors und des Emissionshandels beschränkt sein soll. Vor allem staatliche Hilfen für die energieintensive Industrie könnten so finanziert werden. Das würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland nicht schaden, sondern ihn absichern.

Allerdings könnte die Politik bei der Übergewinnsteuer auch mehr Mut beweisen. Gewinnmitnahmen gibt es mittlerweile in vielen Branchen. Eine gut ausgestaltete Übergewinnsteuer könnte vielleicht sogar den Anreiz dazu minimieren. Auf jeden Fall würden – dem Prinzip der Solidargemeinschaft folgend – die vorübergehend Stärkeren die meist unverschuldet Schwächeren unterstützen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 11. Juni 2022 | 06:00 Uhr

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