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Professor Reint Gropp, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von MDRfragt, ordnet die Ergebnisse ein. Bildrechte: IWH/Fotowerk

MDRfragt zur InflationIWH-Präsident zu Entlastungspaketen: "Die Maßnahmen wurden nicht wirklich wahrgenommen"

04. März 2023, 09:34 Uhr

Die Inflation in Deutschland ist auf einem konstant hohen Niveau. Zwar hat die Regierung einige Maßnahmen beschlossen, um für finanzielle Entlastung bei den Menschen zu sorgen, aber für den Großteil der MDRfragt-Teilnehmenden ist das nicht ausreichend. Das zeigt die nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt unter mehr als 30.000 Mitteldeutschen. IWH-Präsident Reint Gropp überrascht das Ergebnis nicht: Die flächendeckende Verteilung der Gelder der Bundesregierung führe dazu, dass die Entlastungsmaßnahmen kaum von den Menschen bemerkt werden.

von MDRfragt-Redaktionsteam

2022 war die Inflationsrate mit 7,9 Prozent auf dem Höchstwert seit Bestehen der Bundesrepublik. Dieser Trend setzt sich auch zu Beginn dieses Jahres fort. So stiegen die Verbraucherpreise im Januar gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,7 Prozent.

Die Regierung hat deshalb in drei Entlastungspaketen eine Vielzahl an Maßnahmen beschlossen, unter anderem Energiepreisbremsen, die Erhöhung des Kindergelds, Einmalzahlungen für Studierende sowie Rentnerinnen und Rentner. Einige Maßnahmen, wie zum Beispiel die Energiepreisbremse, sind erst nach dem Befragungszeitraum (10. bis 14. Februar) in Kraft getreten, der Großteil der Maßnahmen war aber bereits umgesetzt.

Die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern bemerken davon bislang eher wenig. Der überwiegende Teil – 84 Prozent – hat angegeben, dass die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung bei ihnen keine spürbare finanzielle Entlastung gebracht haben. Bei lediglich 13 Prozent war dies der Fall.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Geringe Wahrnehmung der Maßnahmen

Den Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Professor Reint Gropp, überrascht dieses Ergebnis nicht. "Viele der Maßnahmen waren flächendeckend, es haben also alle profitiert, zum großen Teil sogar Besserverdienende mehr als Geringverdienende, zum Beispiel beim Tankrabatt." Und dadurch würde der Einzelne die Maßnahmen nicht als persönliche Entlastung empfinden – der Effekt verpufft: "Wenn jemand, den Sie selbst als "reicher" empfinden noch reicher wird, sehen Sie sich selbst als ärmer, obwohl Sie vielleicht auch etwas reicher geworden sind."

Zur PersonReint E. Gropp ist seit 2014 Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Er ist Associate Fellow des Centre for Economic Policy Research (CEPR) und Berater verschiedener Zentralbanken. 2021 wurde er zum Sprecher der Sektion-B-Institute der Leibniz-Gemeinschaft gewählt. Seit Januar 2023 ist Gropp Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von MDRfragt.

Maßnahmen mildern Preisanstiege ab, können sie aber nicht verhindern

Außerdem gibt Gropp zu bedenken, dass die Menschen generell ihre finanzielle Situation jetzt mit der Situation vor dem Krieg und der Inflation vergleichen würden, nicht aber mit der Situation in der sie ohne die Hilfen wären: "Gerade Energiepreise sind natürlich trotzdem gestiegen, nur eben weniger. Es ist schwer für Menschen zu verstehen, dass sie insofern profitieren, weil der Anstieg geringer ist als er ohne Maßnahme gewesen wäre. Zudem war es ja das explizite Ziel der Regierung, dass die Menschen durchaus die höheren Energiepreise fühlen sollten, um Anreiz zum Energiesparen zu schaffen. Das scheint ja auch funktioniert zu haben."

Inflation ist gerade in Deutschland ein emotionales Thema

Nicht nur finanziell, sondern auch emotional belastet die Inflation die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer stark. Mehr als zwei Drittel haben das angegeben. Rund ein Drittel teilt diese Erfahrung nicht.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Warum die Inflation auch auf emotionaler Ebene so großen Einfluss hat, erklärt Reint Gropp zunächst aus historischer Perspektive: "Inflation ist gerade in Deutschland noch immer ein emotionales Thema, nicht nur ein finanzielles. Wir sehen am Beispiel von Ostdeutschland, dass Ängste und Präferenzen über Generationen hinweg weitergegeben werden. So sind z.B. auch die Kinder der Menschen, die von der Unsicherheit der Wendezeit nach dem Zusammenbruch der DDR direkt betroffen waren, selbst risikoaverser, konservativer in ihren Entscheidungen. Sie gründen zum Beispiel weniger Unternehmen."

Die Wahrnehmung der Inflationsrate entspricht nicht der realen Höhe

Gropp führt zudem als Grund für die starke emotionale Komponente an, dass die Wahrnehmung von Inflation nicht immer der tatsächlichen Inflationsrate entspricht: "Selbst in Zeiten niedriger Inflation, wie beispielsweise von 1999 bis 2020, wird die Inflation deutlich höher wahrgenommen als sie tatsächlich ist. Dafür gibt es auch rationale Gründe, Dinge des täglichen Bedarfs steigen oft schneller als Dinge, die man eher selten kauft wie z.B. einen Computer, aber auch hier spielen Emotionen eine relativ große Rolle. Weiterhin nehmen Menschen einen Verlust von etwas stärker wahr als einen Gewinn. Sie gewichten also steigende Preise stärker als fallende Preise."

Gropp: Inflationsrate wird fallen

Der Großteil der Befragten, 77 Prozent, geht nicht davon aus, dass wir die Inflation in diesem Jahr in den Griff bekommen. Nur rund ein Fünftel hält das für möglich.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Reint Gropp ist ingesamt optimistischer als die Befragungsteilnehmenden. "Wir haben ja Prognosen, die wir im Rahmen der Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung anfertigen. Danach wird die Inflation in diesem Jahr auf rund fünf Prozent und im nächsten auf rund drei Prozent fallen, also schon recht nahe am EZB-Ziel von zwei Prozent sein. Entscheidend wird aber auch sein, wie hoch die Lohnerhöhungen in der Wirtschaft ausfallen. Wenn Verdi es beispielsweise schafft, tatsächlich 10,5 Prozent durchzusetzen, dann wird die Inflation langsamer fallen als wir das im Moment prognostizieren."

Über diese BefragungDie Befragung vom 10.02. - 14.02.2023 stand unter der Überschrift:

Ein Jahr Krieg in der Ukraine – Wo stehen wir?

Insgesamt sind bei MDRfragt 65.242 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 16.02.2023, 13 Uhr).

30.533 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.

Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 306 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.846 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.436 Teilnehmende
65+: 13.945 Teilnehmende

Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.760 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.440 (24 Prozent)
Thüringen: 7.333 (24 Prozent)

Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 12.776 (42 Prozent)
Männlich: 17.681 (58 Prozent)
Divers: 76 (0,2 Prozent)

Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.

Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR extra | 24. Februar 2023 | 19:50 Uhr