Neue ArbeitsmodelleArbeitsmarktforscher sehen Vier-Tage-Woche positiv
"Arbeit ist kein Ponyhof" – die Aussage der Chefin der Bundesarbeitsagentur Andrea Nahles hat für viele Diskussionen gesorgt. Im Prinzip sollte das heißen, mit Konzepten wie der Vier-Tage-Woche werde man beim Fachkräftemangel nicht weiterkommen. Doch in der Praxis werden solche Konzepte bereits umgesetzt – ohne die Produktivität zu mindern.
- Ein Bauunternehmen in Sangerhausen hat erfolgreich die Vier-Tage-Woche eingeführt und zieht eine positive Bilanz.
- Laut Arbeitspsychologin Scheel führt die Vier-Tage-Woche nicht dazu, dass die Angestellten unproduktiver arbeiten.
- Es müsse aber insgesamt ein angenehmes Arbeitsklima geschaffen werden, um die Arbeiter zufrieden zu machen.
In Zeiten des Fachkräftemangels könnten es sich junge Bewerberinnen und Bewerber auf dem Arbeitsmarkt aktuell leisten, hohe Ansprüche an die Arbeitsbedingungen zu stellen, sagt Ulf Rinne, Arbeitsmarktforscher am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn: "Der Wettbewerb um gute Arbeitskräfte ist hoch. Vielleicht so hoch wie nie zuvor. Darum müssen sich einfach Unternehmen mit kreativen, neuen Ideen um gesuchte Fachkräfte viel stärker bemühen als in der Vergangenheit." Der Arbeitsmarkt werde damit immer mehr zum Bewerbermarkt und die Unternehmen müssten sich etwas einfallen lassen.
Dustin Lichtenecker hat das in seinem Bauunternehmen in Sangerhausen getan und die Vier-Tage-Woche eingeführt. Seit Anfang Januar haben fast alle Mitarbeitenden freitags frei. Das Konzept funktioniere bisher gut: "Das größte Wirtschaftsgut derzeit bei uns sind Mitarbeiter und wenn ich meinen Mitarbeitern was Gutes tun kann, dann ist das eigentlich schon der erste große positive Effekt. Jetzt kann man Dinge optimieren und besser organisieren. Die Vorarbeiter auf den Baustellen organisieren die Arbeit ganz anders, weil einfach der Freitag den Jungs jetzt heilig ist."
Lichtenecker entschied sich gemeinsam mit seinem Geschäftspartner für das Konzept, um für neue Arbeitskräfte attraktiv zu sein. An vier Tagen arbeitet sein Team nun insgesamt 36 Stunden. Die restlichen vier Stunden, die vorher freitags angefallen sind, schenken die Geschäftsführer ihren Mitarbeitenden.
Forschung: Vier-Tage-Woche nicht unproduktiver
Arbeitspsychologin Tabea Scheel von der Europauniversität Flensburg erklärt, Konzepte wie die Vier-Tage-Woche führten nicht automatisch dazu, dass Arbeit liegen bleibe: "Die Forschung, die da noch sehr in den Anfängen steckt, sagt, dass man nicht unproduktiver ist. Man ist nämlich auch nicht produktiv, wenn man 13 Stunden am Tag arbeitet, weil letztlich die Erholung leidet und man sich gar nicht so regenerieren kann, dass man am nächsten Tag wieder gut arbeiten kann."
Homeoffice, flexibles Arbeiten oder die Vier-Tage-Woche – diese Konzepte seien nicht in allen Branchen umsetzbar: "Ich würde mal sagen, ganz grob für die Hälfte der Arbeitstätigen kann man über solche Modelle nachdenken. Bei den anderen muss man sicherlich darüber nachdenken, wie man die Arbeit erträglich gestalten und die Leute zufriedener machen kann und insgesamt für Entlastung sorgen. Aber da ist es sicherlich nicht damit getan, dann für drei Tage das Unternehmen zu schließen."
Es komme eben nicht nur auf die reine Arbeitszeit an. Bei Stress am Arbeitsplatz könnten auch schon drei Stunden Arbeit am Tag überfordernd sein. In einer angenehmen Arbeitsatmosphäre mit einem netten Team sei es hingegen viel einfacher möglich, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Februar 2023 | 06:00 Uhr