Rückblick auf Sommer 2021Corona, Logistik, komplexe Fertigung: Chipmangel hat viele Gründe
Besonders die Auto-Industrie kämpft derzeit mit einem Mangel an Mikrochips – BMW musste in Leipzig sogar Bänder anhalten. Die Gründe für den Mangel sind vielfältig, eine Lösung ist mittelfristig nicht in Sicht. Erst der Ausbau der Produktionskapazitäten kann Abhilfe schaffen – doch der kostet viel Geld und Zeit.
Es sind klitzekleine Bausteine für immer mehr unserer Gebrauchsgegenstände, die digital funktionieren: Chips aus hauchdünnen Halbleiterplatten. Seit Monaten ist die Nachfrage nach Mikrochips so groß, dass die Hersteller nicht mehr hinterherkommen. Und das wiederum führt zu Lieferengpässen in der Industrie. Den einen großen Chipmangel gebe es aber nicht, sagt Jan-Peter Kleinhans. Für die Stiftung Neue Verantwortung beschäftigt er sich mit der strategischen Bedeutung von Halbleitern. Vielmehr überlagern sich unterschiedliche Probleme und Besonderheiten durch die Corona-Pandemie.
Nicht angepasste Logistik: Autobauer selbst mit Schuld
Weil in der Pandemie deutlich weniger Autos verkauft worden seien, hätten die Hersteller etwa weniger Chips bestellt, erklärt Kleinhans. "Man muss auf jeden Fall attestieren, dass die Automobilhersteller zu einem guten Teil an ihrer Knappheit selbst schuld sind – weil sie eben nicht nachhaltig und nicht strategisch bestellt haben und ihre gesamte Lieferkette nicht auf Nachfrageschübe ausgelegt ist." Die meisten Autobauer würden Chips nicht strategisch lagern, sondern direkt bei Lieferung verwenden.
Einen Chip herzustellen, sei aber kompliziert und dauere vier bis sechs Monate, erklärt IT-Experte Kleinhans. Im Bereich der Hochleistungschips für Handys, Tablets und Co. war die hohe Nachfrage vor der Pandemie nicht absehbar. "Als sich Anfang 2020 Corona ausgebreitet hat, sind alle ins Homeoffice gegangen oder ins Homeschooling", führt Kleinhans aus. Es habe dadurch eine massive Nachfrage nach Laptops, Spielekonsolen und Cloud-Infrastruktur gegeben. "2020 war das umsatzstärkste Jahr seit zehn Jahren. Damit hatte keiner gerechnet."
Kapazität der Fabriken kann kaum erhöht werden
Auf der einen Seite stand also ein enormer Nachfrageschub – auf der anderen stehen fast komplett ausgelastete Fertigungsstätten – die meisten davon in Asien.
Die bestehenden Fabriken können nicht einfach mehr produzieren: "Eine moderne Halbleiter-'Fab' kann sich nicht leisten, 50 Prozent Überkapazität zu haben", erklärt Kleinhans weiter, sie müsse immer am Auslastungslimit laufen. "Also 80 bis 90 Prozent sind normal." Die Nachfrage sei mittlerweile so groß, dass sie die Fertigungskapazitäten weltweit übersteige.
Mangel auch bei Chemikalien und notwendigen Bauteilen
Und es gibt noch eine weitere Knappheit, die zur Chipkrise führt. Denn das hauchdünne Halbleiterplättchen muss sozusagen verpackt werden: Bei der Fertigung von Mikrochips würden Silizium-Wafer belichtet und geätzt, um darauf kleine Schaltkreise herzustellen. "Dann habe ich aber nur ein kleines Silizium-Plättchen, mit dem ich nichts anfangen kann." Das müsse in ein Gehäuse gesteckt werden, damit der Chip in einem Smartphone verlötet werden könne. Und auch daran fehlt es eben derzeit.
Auch bei den für die Herstellung benötigten Chemikalien übersteige die Nachfrage das Angebot, beschreibt Jan-Peter Kleinhans. Da die Nachfrage nicht sinken werde, geht er davon aus, dass sich die Lage erst in ein paar Jahren entspannt. Die Anbieter würden Fertigungsstätten zwar aus- und neu bauen, das dauere aber mehrere Jahre.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 23. Juli 2021 | 16:47 Uhr
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