Interview zur Inflation "Am stärksten leiden die, die ohnehin auf Sozialleistungen angewiesen sind"

09. Juli 2022, 05:00 Uhr

Die Inflation treibt derzeit die Preise in die Höhe und bedroht damit immer mehr Existenzen. Manche Gesellschaftsgruppen leiden stärker unter den Folgen als andere. MDR-AKTUELL-Wirtschaftsredakteur Ralf Geißler erklärt im Interview, was Inflation bedeutet, welche Ursachen sie hat und was wir tun können.

Herr Geißler, die Inflation ist ein Begriff aus der Wirtschaft. Wie würden Sie den Begriff einfach erklären?

Eine Inflation ist zunächst die Verteuerung des Lebens. Wir merken momentan, viele Produkte, die wir kaufen, kosten einfach mehr. Zum Teil sogar deutlich mehr. Die Statistiker messen das. Die haben einen Warenkorb, packen ganz unterschiedliche Produkte rein und gucken, was sie kosten. Dann vergleichen sie das damit, was dieselben Produkte vor einem Jahr gekostet haben. Die Preisdifferenz zwischen diesen beiden Warenkörben ist die Inflation.

Seit Monaten steigen die Preise in vielen Bereichen. Warum ist die Inflation derzeit so hoch?

Es gibt ganz verschiedene Ursachen für Inflation. Die wichtigste jetzt: Es fehlt an Angeboten. Wir merken momentan, dass weniger Gas aus Russland kommt. Wir merken, dass weniger Produkte aus China kommen, weil China bei jedem Coronafall alle betroffene Städte und Häfen zu macht. Deswegen stockt der Nachschub an Produkten.

Wenn weniger Angebot da ist, aber die Nachfrage groß, ist man bereit, mehr zu bezahlen. Dadurch steigen die Preise. Weil alle Energie brauchen, schlägt es auf alle Produkte durch. Jedes Produkt, das wir haben, wird hergestellt und transportiert. Deswegen ist die Inflation in allen Bereichen so hoch.

Von Strom und Gas sind alle Menschen der Gesellschaft abhängig. Welche Gruppe leidet am stärksten darunter?

Also am stärksten leiden meiner Meinung nach alle, die ohnehin auf Sozialleistungen angewiesen sind. Die Sozialleistungen sind in der Vergangenheit kaum gestiegen, aber die Kosten sind gestiegen. Das heißt, diese Leute brauchen Hilfe vom Staat, um sich den täglichen Bedarf auch weiterhin leisten zu können.

Welche Anlaufstellen für Beratung habe ich als stark Betroffener?

Es gibt Verbraucherzentralen, an die kann man sich wenden und fragen, ob es Beratung gibt. Es gibt Sozialverbände, an die man sich wenden kann. Das sind die ersten Ansprechpartner bei Geldnot oder Verschuldung.

Was kann ich im Alltag persönlich tun?

Also wenn man schon immer nur wenig Geld zum Leben hatte, wird es schwierig. Dann kann man nur hoffen, dass der Staat einem irgendwie hilft. Es gibt jetzt einen höheren Mindestlohn, das wird Leuten mit wenig Geld helfen.

Es gibt auch Einmalzahlungen vom Staat, die vielleicht auch ein bisschen helfen. Bei wem das Geld bisher ganz gut gereicht hat, aber jetzt wird es langsam doch eng, der kann sich nach preiswerteren Produkten umsehen. Auf bestimmte Dinge kann man vielleicht auch verzichten. Muss es unbedingt die neue Smartwatch sein, oder tut es auch ein neuwertiges gebrauchtes Modell? Kann ich vielleicht beim Heizen einen Raum doch etwas kühler lassen.

Man kann tatsächlich an vielen Stellen ein wenig einsparen. Inflation ist für eine Gesellschaft erst einmal schlecht, aber sie hat vielleicht eine positive Nebenwirkung. Wir wollen ja alle nachhaltiger leben. Wir wollen weniger CO2 emittieren. Wir wollen, dass unsere Produkte länger halten.

Vielleicht ist das der positive Nebeneffekt, dass die Inflation uns zwingt, ein bisschen nachhaltiger mit den Ressourcen umzugehen und zu schauen, worauf kann ich vielleicht auch tatsächlich verzichten.

Wie kann die Inflation wirtschaftlich überwunden werden?

Also wenn wir wollen, dass die Inflationsraten wieder sinken, bräuchten wir zuerst einmal mehr sichere Energie. Das ist momentan das Kernproblem. Energie ist teuer. Das heißt, wenn der Krieg zwischen Russland und der Ukraine enden würde, und die Gaslieferungen wieder so kämen wie vor dem Krieg, dann würden die Energiepreise mutmaßlich wieder sinken. Damit würde sich auch die Inflation beruhigen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 05. Juli 2022 | 08:00 Uhr

80 Kommentare

Goldloeckchen am 11.07.2022

„ Menschen,die bis zu ca. 1.000 € Rente beziehen.In den Großstädten hat mancher schon € 600 Miete, da kann man dann nicht zurücklegen und die RentnerInnen bekommen nichts“

Bitte keine neid Debatten.
Wenn ich mir eine Wohnung für 600 € nicht leisten kann muss ich wegziehen.

ElBuffo am 11.07.2022

Ich frug nach den hitlerreifen Prozentsätzen der damaligen Inflation. Mit dem kleinen Saarländer ist Honecker gemeint, in dessen Herrschaftsbereich keine Inflation herrschte. Nur um mal prüfen zu können, inwiefern der Vergleich trägt.

Jan-Lausitz am 10.07.2022

Eine Frage: Ist es nur Schlampigkeit bei der Recherche vom Autor oder hat er bewusst den Hauptgrund der derzeitigen Inflation weggelassen?

Wo ist in diesem Zusammenhang die wichtige Analyse zur EZB als Hauptakteur geblieben?

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