Ein Lkw wird mit flüssigem Wasserstoff der Linde AG im Chemiepark Leuna befüllt.
Hier tankt ein Lkw bei Leuna bereits Wasserstoff - aber nicht aus dem großen Elektrolyseur, der bei Linde schon Ende 2022 in Betrieb gehen sollte. Bildrechte: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Energiewende Wo bleibt der grüne Wasserstoff?

06. Juni 2023, 11:35 Uhr

Die Inbetriebnahme einer Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Leuna verzögert sich. Der Betreiber Linde wollte sich auf Anfrage von MDR AKTUELL nicht zu den Gründen äußern. Recherchen beim britischen Anlagenhersteller "ITM-Power" ergaben allerdings Hinweise. So listet der Geschäftsbericht Probleme in der Lieferkette auf, nennt geänderte Standortanforderungen in Leuna und verweist auf Verzögerungen bei der Herstellung und Prüfung der Anlage.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
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Die Anlage steht. So viel lässt sich von außen betrachtet sagen. Aber sie läuft nicht. Fragt man Warum, erntet man Schweigen. Vom Betreiber Linde in Leuna ruft trotz mehrfacher Bitte niemand zurück. Die Linde-Zentrale teilt mit, sie wolle sich nicht äußern.

Ein Mitarbeiter überwacht das Befüllen von Lkw mit flüssigem Wasserstoff bei der Linde AG im Chemiepark Leuna. 4 min
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Fündig wird, wer weiß, dass Linde den Elektrolyseur mit der britischen ITM-Power baut. Die geht in ihrem Geschäftsbericht auf Leuna ein: "Leider hat sich die Fertigstellung dieses Projekts aufgrund einer Reihe von Faktoren verzögert, darunter Einschränkungen in der Lieferkette, Änderungen der Standortanforderungen in Leuna sowie Verzögerungen bei der Herstellung und Prüfung."

Ende vergangenen Jahres gab es offenbar einen Testbetrieb. Doch der offizielle Produktionsstart lässt auf sich warten. Dabei gäbe es in Mitteldeutschland erste Interessenten für grünen Wasserstoff. Zum Beispiel das BMW-Werk Leipzig.

Stefan Fenchel soll die Produktion nachhaltig machen. Er sagt: "In der Zukunft wollen wir Wasserstoff überall dort einsetzen, wo wir Hochtemperatur-Wärme erzeugen. Also bestes Beispiel unsere Lackiererei. Dort brauchen wir hohe Temperaturen, um den Lack zu trocknen. Der wird aktuell über Erdgasbrenner hergestellt. Und die stellen wir gerade um, dass sie sowohl Erdgas oder auch Biomethan oder Wasserstoff einsetzen können. Dann haben wir die Voraussetzung geschaffen, dass wir als Kunde bereitstehen für den Hochlauf des grünen Wasserstoffs."

Was ist grüner Wasserstoff? Grüner Wasserstoff wird durch Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt. Dabei wird Wasser mit Hilfe von Strom in Wasser- und Sauerstoff aufgespalten. Bei diesem Verfahren entstehen keinerlei Klimaemissionen in Form von CO2. Im Idealfall fallen keine Treibhausgas-Emissionen an.

Elektrolyseur-Bau dauert zwei Jahre

Schon jetzt lässt BMW in Leipzig Gabelstapler mit Wasserstoff fahren. Diese Mengen werden allerdings aus Erdgas gewonnen und durch Zertifikate auf Grün umgelabelt. Grüner Wasserstoff aus Elektrolyse werde in Mitteldeutschland aber künftig auch zu kaufen sein.

Davon ist Johannes Wege überzeugt, Geschäftsführer des Wasserstoff-Netzwerks Hypos. Man brauche eben Geduld, sagt er: "Wenn Sie jetzt einen Elektrolyseur bestellen, der grünen Wasserstoff herstellen kann, sind wir so bei Lieferzeiten um die zwei Jahre. Elektrolyseure werden in den meisten Fällen quasi noch in Manufaktur-Bauweise hergestellt. Und jetzt geht es darum, wirklich die Massenfertigung, die Fließbandfertigung ähnlich wie man es in der Automobilindustrie kennt, aufzubauen."

Was ist grauer Wasserstoff? Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Dabei wird entweder Strom aus Kohlekraft verwendet oder direkt Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 aufgespalten. Wird so eine Tonne Wasserstoff produziert, entstehen zudem zehn Tonnen CO2.

Warten auf EU-Regeln

Diese Fließbandfertigung will zum Beispiel "Sunfire" möglich machen, eine Firma aus Dresden. Dafür investiert sie gerade in Produktionsanlagen. Sprecher Christopher Frey sagt, dass die Wasserstoffwirtschaft scheinbar zögernd starte, habe mit europäischer Regulierung zu tun. Brüssel habe erst definieren müssen, wann grüner Wasserstoff grün ist und welche Förderung man bei Bau und Betrieb von Elektrolyseuren gestatte. Doch nun sei vieles entschieden.

Frey erklärt: "Es mangelt überhaupt nicht an Projektankündigungen. Bisher mangelt es an finalen Investitionsentscheidungen. Das ist aus meiner Sicht zurückzuführen auf die fehlende Regulierung. Die kommt jetzt. Da können wir innerhalb der kommenden zwei bis drei Monate mit finalen Entscheidungen auch aus Brüssel rechnen. Und dann geht es los. Ich rechne fest damit, dass wir noch in diesem Jahr den finalen Startschuss für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland sehen werden."

Weltweit der größte – aber in Mitteldeutschland nicht der einzige

Ob dann auch der Linde-Elektrolyseur in Leuna in Betrieb geht? Im Geschäftsbericht der ITM-Power heißt es, man rechne mit Fertigstellung in diesem Jahr. Da Linde auf ein besonderes Elektrolyse-Verfahren setzt, wäre die Anlage dann zumindest für ihre Bauart immer noch die weltweit größte.

Auszug aus ITM Power Jahresbericht 2022 (Englisch)

Unfortunately, delivery of this project has been delayed due to a number of factors, including supply chain constraints, changes to Leuna’s site requirements, and both manufacturing and testing delays. Delays are to some extent understandable given we are delivering a first-of-a-kind product into a commercial project.

We were disappointed that the revenue from the Leuna project was not recognised in the year, being delayed into the next financial year. However, the lessons learned from building this latest generation of electrolysis equipment will ensure that our future competencies and capabilities are enhanced. Our gross loss also widened in the year reflecting increased costs on committed contracts, much of which was associated with first-of-a-kind plant or technology improvement. We have also not yet fully realised the benefit of our decision to stop undertaking EPC work. More widely, the lessons learned include the need to consider carefully introducing any technology development on the critical path of projects, and as such we will focus in future on selling validated products, which we see as world-leading. The focus on recruiting staff to support delivery has resulted in overheads staying broadly consistent with the prior year, with the increase in staff being deployed either to delivery (cost of sales) or future value creation (product development).

We had expected to be able to recognise the revenue from the sale, via Linde, to Leuna of 24 MW of electrolyser modules, but revenue is now expected to be recognised in FY23. This delay was attributable to scale-up challenges presented by the deployment of our MEP 2.0 technology, coupled with some local supply chain constraints. In collaboration with Linde, the delivery method for the modules was amended. As such, under accounting standard IFRS 15 Revenue from Contracts with Customers, the product will remain in WIP until later in the product delivery cycle, when the product is transferred to the customer.

The Group generated a gross loss of £23.5 million (FY21: £6.5 million loss). Gross loss was adversely affected by cost overruns on the REFHYNE I and Leuna projects. REFHYNE I is a project where we carried out all of the EPC, a role that is now carried out by Linde Engineering. The Leuna project is the first to use the latest MEP 2.0 generation technology. The lessons learned from both these first-of-a-kind projects have led to a sharper focus on validation timing, costings, and testing capability which we expect to improve as production of MEP 2.0 ramps up.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 06. Juni 2023 | 06:00 Uhr

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