Chronik Das war der Oktober 2021

01. November 2021, 14:00 Uhr

Kanzlerin Merkel ist nur noch geschäftsführend im Amt; SPD, Grüne und FDP verhandeln eine Ampelkoalition. Die Corona-Zahlen steigen wieder, allen voran in Thüringen und Sachsen. Eine Diskussion um Fußballer Kimmich bringt Totimpfstoffe ins Gespräch. In Eisenach stoppt Opel seine Produktion.

Ereignisse in Mitteldeutschland

  • In Thüringen sorgt der Produktionsstopp im Eisenacher Opel-Werk mit seinen 1.500 Beschäftigten für Schlagzeilen. Während der Stellantis-Konzern Lieferengpässe angibt, befürchten Beschäftigte, dass mit der Kurzarbeit bis zum Jahresende die komplette Schließung des Werks eingeleitet werden soll. Als wenig später Pläne über eine mögliche Zerschlagung der deutschen Opel-Tochter bekannt werden, fordert Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow mit seinen Amtskollegen aus Rheinland-Pfalz und Hessen, Malu Dreyer und Volker Bouffier, nähere Informationen von Stellantis über die aktuelle Situation des Konzerns. Die Gewerkschaft IG Metall droht dem Konzern mit einem "massiven Konflikt" sollten sich die Pläne bewahrheiten.

  • Das Leipziger Westin-Hotel gerät in die Schlagzeilen, nachdem Sänger Gil Ofarim in einem Instagram-Video erklärt, er sei beim Check-In aufgefordert worden, seine Kette mit dem Davidstern abzulegen. Das Video löst in den sozialen Netzwerken einen Sturm der Entrüstung aus, vor dem Leipziger Hotel solidarisieren sich tags darauf Hunderte Demonstranten mit dem Sänger mit israelischen Wurzeln. Deutschlandweit entbrennt eine gesellschaftliche Debatte über Antisemitismus. Wenig später nehmen die Ermittlungen eine Wendung: Der beschuldigte Westin-Mitarbeiter erstattet Anzeige gegen Ofarim. Die Leipziger Polizei erklärt, der Mitarbeiter stelle die Geschehnisse völlig anders dar. Es steht Aussage gegen Aussage. Zu Monatsende berichtet "Die Zeit", dass eine vom Hotel beauftragte Rechtsanwaltskanzlei keine Beweise für Ofarims Anschuldigungen gefunden habe. Die Ermittlungen der Leipziger Staatsanwaltschaft liefen Ende des Monats noch.

  • In Mitteldeutschland nimmt aufgrund deutlich steigender Infektionszahlen die Diskussion um Geimpfte und Ungeimpfte weiter an Fahrt auf. In Sachsen, dem Bundesland mit der deutschlandweit geringsten Impfquote, drängt Regierungschef Michael Kretschmer darauf, ausschließlich auf die 2G-Regelung zu setzen – das sorgt für Kritik der Opposition im Landtag. Thüringen verschärft zu Monatsende seine Corona-Regeln für Kreise mit höchster Warnstufe. Für sie ist die Einhaltung der 2G oder 3Gplus-Regelung nunmehr Pflicht. In Sachsen-Anhalt können Veranstalter und Einrichtungen weiterhin zwischen 2G oder 3G frei wählen. Ein Leipziger Reiseanbieter bricht seine Donau-Kreuzfahrt ab, weil über die Hälfte der Gäste mit dem Coronavirus infiziert ist.

  • Am 21. Oktober zieht der erste Herbststurm der Saison über Mitteldeutschland hinweg, in Sachsen-Anhalt und Sachsen kommt es zu Orkanböen von bis zu 150 Stundenkilometern. Sturmtief "Ignatz" sorgt in allen drei mitteldeutschen Bundesländern für stundenlange Ausfälle im regionalen Bahnverkehr, Zehntausende Haushalte bleiben zeitweise ohne Strom, es kommt zu zahlreichen Unfällen, Feuerwehren sind im Dauereinsatz. In Sachsen-Anhalt werden drei Menschen teils schwer verletzt. In den Wäldern Mitteldeutschlands dauern die Aufräumarbeiten nach dem Sturm an, vor dem Betreten der Wälder wird dringend abgeraten.

  • In Sachsen-Anhalt wird erstmals eine Infektion mit dem Bornavirus bei einem Menschen nachgewiesen. Nach Angaben des Landesamts für Verbraucherschutz leidet eine 58-jährige Frau bereits seit Ende 2020 unter Symptomen. Eine solche Viruserkrankung ist dem Robert Koch-Institut zufolge selten, aber zumeist tödlich. Als Überträger wird die Feldspitzmaus vermutet. Experten schließen einen epidemischen Ausbruch beim Bornavirus aus.

  • Um der Antragsflut Herr zu werden, fordern mehrere Thüringer Landkreise, die Umtauschfristen für die alten Führerscheine zu verlängern. Doch das Bundesverkehrsministerium lehnt eine Verlängerung der Frist ab. Autofahrer, die zwischen 1953 und 1958 geboren sind, müssen bis zum 19. Januar 2022 ihre alte Fahrerlaubnis gegen eine neue umtauschen.

Ereignisse in Deutschland und der Welt

  • Die Spitzen von FDP und Grünen einigen sich nach der Bundestagswahl zügig auf Sondierungen mit der SPD statt mit der Union. 22 Arbeitsgruppen diskutieren Streitpunkte der möglichen Ampel-Koalition. Erste konkrete Vorhaben: ein gesetzlicher Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde, die Einkommens- oder Mehrwertsteuer soll nicht erhöht werden, zudem streben die drei Parteien einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohleverstromung an – zum Unmut der beiden CDU-Ministerpräsidenten in den Kohleregionen Sachsen-Anhalt und Sachsen, Reiner Haseloff und Michael Kretschmer.

  • Der Ausgang der Bundestagswahl löst in einigen Parteien Rückzüge und Personaldebatten aus. Als Konsequenz aus ihrem historisch schlechtesten Ergebnis bei einer Bundestagswahl beschließt die CDU, bis Anfang des kommenden Jahres die Parteiführung komplett neu zu wählen. Dazu soll es auch eine Mitgliederbefragung geben. Ende Oktober kündigt SPD-Co-Vorsitzender Norbert-Walter Borjans an, nicht mehr kandidieren zu wollen. Zur Begründung sagte er, er habe die Partei mit auf Kurs gebracht, nun sollten "mal Jüngere ran". Auch der Bundessprecher der AfD, Jörg Meuthen, will nicht mehr für den Posten antreten, genaue Gründe nennt er nicht. Beobachter erwarten, dass die AfD mit seinem Rückzug noch weiter nach rechts driftet.

  • Der neu gewählte Bundestag kommt am 26. Oktober zu seiner ersten Sitzung zusammen, für Kanzlerin Angela Merkel ist es die letzte nach 31 Jahren Abgeordneten-Dasein und 16 Jahre Kanzlerin. Merkel verfolgt die Sitzung von der Ehrentribüne aus. Wenig später erhält sie samt Kabinett formal die Entlassungsurkunde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der erklärt, ihre Kanzlerschaft sei "zu den großen in der Geschichte dieser Republik" zu rechnen. Merkel und ihe Minister sind weiter geschäftsführend im Amt, bis ihre Nachfolge bestimmt ist. An der Spitze des Bundestags steht seit 20 Jahren erstmals wieder eine Frau: Die SPD-Abgeordnete Bärbel Bas löst Wolfgang Schäuble ab, der zuletzt anmahnt, dass der Bundestag schlanker werden müsse. Mit 739 Abgeordneten ist es inzwischen das größte Parlament in der Geschichte der Bundesrepublik.

  • Die Zahl der Neuinfektionen nimmt stetig zu, auch die Zahl der Covid-Patienten auf den Intensivstationen. Die große Mehrheit von ihnen ist ungeimpft. Sogenannte Bürgertests sind bis auf wenige Ausnahmen inzwischen kostenpflichtig. Schwung in die Impfkampagne zu bringen, gelingt nicht, die Zahlen nehmen nur allmählich zu. Zudem entbrennt eine Debatte über die Booster-Impfung. Die Ständige Impfkommission empfiehlt sie für über 70-Jährige, die Europäische Zulassungsbehörde EMA für alle Erwachsenen. Zu Monatsende verweist Bundesgesundheitsminister Jens Spahn darauf, dass grundsätzlich jeder in Deutschland eine Auffrischung bekommen könne. Bund und Länder diskutieren zudem, ob der Bundestag die epidemische Lage über den November hinaus verlängern sollte. Es gibt starke unterschiedliche Auffassungen. Fest steht für beide Seiten aber, einen sogenannten Freedom-Day soll es nicht geben: Er würde die Aufhebung aller Beschränkungen bedeuten.

  • Zu den Nobelpreisträgern gehören in diesem Jahr zwei Deutsche: Der Meteorologe Klaus Hasselmann (in der Kategorie Physik) und der Forscher Benjamin List (Kategorie Chemie). Auch werden die Gewinner für die Kategorien Wirtschaftswissenschaften, Medizin und Literatur bekannt gegeben. Der Friedensnobelpreis geht an die Journalisten Dmitri Muratow (Russland) und Maria Ressa (Philippinnen), sie werden für ihre kritischen Recherchen gewürdigt.

  • Der Festakt zur Tag der Deutschen Einheit wird an diesem 3. Oktober in Halle ausgetragen. Auch 31 Jahre nach der Wiedervereinigung fühlt sich ein Teil der Ostdeutschen für ihre Leistung nicht wertgeschätzt.

  • In Polen billigt das Parlament eine dauerhafte Grenzbefestigung, um Flüchtlingsströme aus dem benachbarten Belarus zu verhindern. Die EU wirft dem belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko vor, in organisierter Form, Flüchtlinge an die Grenze zu bringen. Die Bundespolizei berichtet von rund 1.300 illegal eingereisten Menschen in Sachsen. Das ruft auch den sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer auf den Plan.

  • In Österreich tritt am 9. Oktober Kanzler Sebastian Kurz nach Korruptions-Ermittlungen gegen ihn zurück. Sein Nachfolger wird der bisherige Außenminister Alexander Schallenberg. Kurz bleibt allerdings Parteichef der ÖVP und übernimmt den Vorsitz seiner Fraktion im Parlament.

  • Facebook kommt auch im Oktober nicht aus den Schlagzeilen. Zu Monatsbeginn sagt die Whistleblowerin und ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen vor dem US-Senat aus. Sie wirft dem Konzern vor, zu lax gegen Hassrede vorzugehen. Zu Monatsende verkündet Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, seinem Konzern die Dachmarke "Meta" zu geben. Kritiker sehen darin den Versuch Zuckerbergs, von den Negativschlagzeilen abzulenken.

  • Der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, kündigt an, "aus persönlichen Gründen" zu Jahresende vorzeitig sein Amt aufzugeben. Er ist der bekannteste Kritiker der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die seit zehn Jahren versucht, Krisen mit Niedrigzins und milliardenschweren Anleihekäufen zu bekämpfen.

  • Der frühere US-Außenminister Colin Powell stirbt im Alter von 84 Jahren an Covid-19. Er hatte mit dem einstigen US-Präsidenten George W. Bush die USA 2003 unter Vortäuschung falscher Tatsachen in den Irak-Krieg geführt. Jahre später gestand er die Täuschung ein.

Weitere viel gelesene Nachrichten

  • Der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt hat das in Schnellroda ansässige "Institut für Staatspolitik" in seinem Jahresbericht als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und nennt das Institut "das Think Tank der Neuen Rechten". Immer wieder zu Gast: prominente AfD-Politiker.

  • Auf dem Erfurter Anger wird Anfang Oktober ein 28-jähriger Algerier mit einem Messer tödlich verletzt. Der Verfall löst eine Diskussion um eine Videoüberwachung von Straßen und Plätzen aus. Tage später stellt sich ein 35-jähriger Mann der Polizei, gegen ihn wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.

  • Bauern entdecken im sächsischen Hainichen ein ausgebranntes Autowrack mit einer verkohlten Leiche. Der Fall gibt der Polizei Rätsel auf.

  • Das Kinderlied "Kleine weiße Friedenstaube" wird immer weniger im Fernsehen und Radio gespielt. Die inzwischen 95-jährige Lied-Autorin kommt aus dem Harz. Das Lied ist mit der Wiedervereinigung aus den Schulbüchern verschwunden.

  • Auch über einen Monat nach dem Ausbruch des Vulkans auf La Palma kommt die Kanaren-Insel nicht zu Ruhe. Der Vulkan spukt weiter Lava, Rauch und Asche. Wann der Ausbruch beendet sein wird, können Forscher bislang nicht sagen.

  • Bayern-Fußballprofi Joshua Kimmich heizt mit Äußerungen über seine Impf-Zurückhaltung eine neue Debatte über die Sicherheit der verfügbaren Corona-Impfstoffe. Experten widersprechen ihm unisono. Begriffe wie Totimpfstoffe und protein-basierte Corona-Impfstoffe machen die Runde. Mediziner sehen sie als Alternative für jene, die sich gegen mRNA-Impfstoffe entscheiden.

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