MDRfragt-Mitglieder im Porträt "Die Impfung ist doch unser einziger Lichtblick"

17. Januar 2021, 05:00 Uhr

Wollen sie oder sollen sie? Über die Impfbereitschaft und eine mögliche Impfpflicht im Pflegebereich wird derzeit viel diskutiert. Doch wie sehen das diejenigen, die in Krankenhäusern, Physiotherapien oder Altenpflegeheimen arbeiten, eigentlich selbst? Wir haben bei MDRfragt-Mitgliedern gefragt.

Die Ergebnisse waren eindeutig. Rund zwei Drittel der Beschäftigten im medizinischen und Pflegebereich, die sich an der jüngsten Blitzbefragung des Meinungsbarometers MDRfragt beteiligt haben, wollen sich gegen eine Covid-19-Erkrankung impfen lassen. Einige davon haben es sogar bereits getan. Unterschiede zwischen Männern und Frauen in diesen Berufen gibt es bei den Ergebnissen kaum, allerdings zeigt sich: Je älter die Befragten, umso größer die Bereitschaft, sich impfen zu lassen.

Damit unterscheidet sich die Impfbereitschaft unter dem Pflegepersonal grundsätzlich nicht wesentlich vom Rest der Bevölkerung. Dennoch wird seit Tagen über angeblich geringe Impfquoten in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen diskutiert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dachte sogar laut über eine Impfpflicht in dem Bereich nach.

Doch wie denken diejenigen darüber, die selbst betroffen sind? Etwa 1.700 Mitglieder der MDRfragt-Gemeinschaft gaben jüngst an, in Pflege- und Krankeneinrichtungen zu arbeiten. Was halten sie von der Diskussion? Warum wollen sich manche impfen lassen und andere nicht?

Arzthelferin: überzeugt von der Impfung

Eine von ihnen ist Steffi Lippmann aus Brand-Erbisdorf. Die 53-Jährige arbeitet als Arzthelferin in einer dermatologischen Praxis. "Ich bin ein Impfverfechter. Ich lasse mich auch jedes Jahr gegen die Grippe impfen", sagt sie. Wenn in Deutschland etwas zugelassen werde, dann habe das auch Hand und Fuß, ist sie überzeugt. Gemeinsam mit ihrer 72-jährigen Chefin arbeitet die Sächsin in einer Praxis zusammen.

Wir lassen uns impfen. Die Ärzte, die ich hier kenne, tun das auch.

Arzthelferin Steffi Lippmann aus Brand-Erbisdorf

Steffi Lippmann gehört zur Kategorie 2 der Impf-Prioritätenliste, ist also noch nicht geimpft. „Ich würde aber lieber meine Impfung meinem schwer kranken, auf OP und Immuntherapie wartenden 53-jährigen Ehemann überlassen“, sagt sie. Ihr Mann habe eine schwere, entzündliche Darmerkrankung und im Sommer einen Schlaganfall gehabt.

Ehepaar im Rettungsdienst: Es gibt andere Möglichkeiten, sich zu schützen

Anders als Steffi Lippmann sehen das Anastasia und Lars Hirschleb aus Sömmerda. Das Ehepaar arbeitet für den Rettungsdienst in ihrem thüringischen Heimatort. Beide haben täglich mit Patienten zu tun. Doch impfen lassen wollen sie sich nicht. Sie hatten sogar schon eine Anfrage für einen Impftermin. Die Möglichkeit hat das Ehepaar nicht angenommen.

Anastasia Hirschleb nennt die Gründe: "In Sömmerda ist kein einziger aus dem Personal des Rettungsdienstes erkrankt, das habe ich gestern aus unserem Verband gehört", sagt die 38-Jährige. Man könne sich auch ohne Impfung gut schützen.

Wir sind verpflichtet, FFP2-Masken zu tragen und wenn wir zu COVID-Patienten gerufen werden, gehen wir sowieso komplett im Vollschutzanzug.

Anastasia Hirschleb aus Sömmerda, Mitarbeiterin im Rettungsdienst

Unter ihren Kollegen will sich ihrer Meinung nach etwa die Hälfte impfen lassen. "Die älteren eher, die jüngeren warten ab."

Physiotherapeut: Impfen als Ausweg aus der Pandemie

Auch Karl-Heinz Kellermann aus Magdeburg ist etwas skeptisch. Er möchte lieber abwarten. Der 69-Jährige ist gegen eine Impfpflicht bei Corona. Er stehe bei anderen Impfungen einer Pflicht offen gegenüber, bei der gegen die Covid-19-Erkrankung fehlen ihm allerdings noch die Langzeitstudien.

Karl-Heinz Kellermann
MDRfragt-Mitglied Karl-Heinz Kellermann betreibt in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt eine eigene physiotherapeutische Praxis. Bildrechte: Karl-Heinz Kellermann

Die Kolleginnen und Kollegen in seiner Praxis seien alle abwartend, zurückhaltend, aber grundsätzlich für eine Impfung:

Wir wissen, das ist der Ausweg aus der Pandemie.

Physiotherapeut Karl-Heinz Kellermann aus Magdeburg

Kellermann, der auch einmal der Vorsitzende des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände sowie Präsident des Verbands physiklische Therapie war, will mit der Impfung noch bis zum Sommer warten. Bis dahin lasse er sich mehrmals in der Woche testen.

Pflegedienstleiter: Mitarbeiter müssen zu lang auf die Impfung warten

Andreas Märten aus Leipzig geht es hingegen derzeit nicht schnell genug. Er ist Pflegedienstleiter und hat in der vergangenen Woche an einem Webinar in Vorbereitung der Impfungen teilgenommen. Ab dieser Woche sollte eine Online-Seite freigeschaltet sein. Doch bei der Impfterminvergabe scheint es zu haken: "Bis heute ist es nicht möglich, dass ich als Pflegedienstleiter meine Mitarbeiter anmelde, geschweige denn die Senioren, die mich um Hilfe bitten. Jede Mail-Adresse darf nur einmal verwendet werden." Märten ist sehr frustriert. "Ich habe in den vergangenen Wochen alle Mitarbeiter heiß gemacht. Die Impfung ist doch unser einziger Lichtblick", sagt er. Er wolle sich auf jeden Fall impfen lassen.

Als gelernter Krankenpfleger verstehe ich die Bilder aus den Intensivstationen. Ich will meine Leute schützen, die Menschen, die ich betreue und ich will verdammt nochmal aus dem Lockdown raus.

Pflegedienstleiter Andreas Märten aus Leipzig

Derzeit habe er das Gefühl, dass vor allem die Pflegebranche an eine Bushaltestelle gerufen wurde, doch es komme kein Bus. Bei der Impfplanung herrsche Chaos.

Arzt im Ruhestand: Interessen der Allgemeinheit vor Egoismus Einzelner?

"Ich kann nicht Helfer sein wollen und gleichzeitig bin ich derjenige, der die Infektion weiterträgt." Das ist die klare Meinung von Dr. Martin Eis aus Eisenach. Der 66-Jährige kann die Gedanken des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder nachvollziehen. Sie müssten jedoch seiner Meinung nach besser erklärt werden.

Die Einsicht der Leute ist nicht da. Aber sie zu zwingen, ist nicht der richtige Weg.

Dr. Martin Eis aus Eisenach, pensionierter Arzt

Es lasse sich jedoch nicht mit dem ärztlichen Ethos vereinbaren, sich nicht impfen zu lassen. "Vor einem knappen Jahr hatten alle Angst vor der Krankheit, nun ist man wegen des Impfstoffs nervös", sagt Dr. Eis. Die Psyche scheine über allem zu stehen, Fakten nicht mehr zu gelten. "Aber an den mRNA-Impfstoffen wird nicht erst seit drei Tagen geforscht, sondern seit SARS, also seit elf Jahren." Sich als Pflegekraft nicht impfen zu lassen und erst mal abzuwarten, sei Egoismus pur. Man stelle die eigenen Befindlichkeiten vor die Interessen der Gemeinschaft und das auf Grundlage nicht bewiesener Aussagen.

Ergebnisse von MDRfragt: Skepsis unter Personal in Pflege und Medizin zur Impfpflicht

Die rund 1.700 Mitglieder von MDRfragt, die bei der Blitzbefragung am 12. Januar angaben, selbst in Pflege und Medizin tätig zu sein, stehen einer Impfpflicht für ihre Branche eher skeptisch gegenüber. So sprechen sich 56 Prozent dagegen aus, 41 Prozent dafür.

MDRfragt - Impfpflicht: Meinung des Personals in Pflege und Medizin
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Etwas anders sieht das Bild bei der Gesamtheit der mehr als 18.000 Menschen aus Mitteldeutschland aus, die sich an der Befragung beteiligt haben: Von ihnen sind 52 Prozent für eine Impfpflicht für Personal in Pflege und Medizin, 44 Prozent dagegen.

MDRfragt - Impfpflicht für Pflegekräfte
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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 12. Januar 2021 | 20:15 Uhr

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