MDRfragt | Datenanalyse Menschen in Corona-Hotspots haben geringere Impfbereitschaft
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10. Januar 2021, 07:00 Uhr
In Kreisen mit hohen Corona-Inzidenzwerten ist die Bereitschaft der Menschen deutlich geringer, sich gegen das Virus zu impfen. Außerdem sind Bewohner von Corona-Hotspots tendenziell pessimistischer, was die Entwicklung der Pandemie angeht. Das zeigen Untersuchtunsergebnisse von Hans-Jörg Stiehler, empirischer Medienwissenschaftler und wissenschaftlicher Beirat von MDRfragt.
Herr Stiehler, Sie haben sich die Ergebnisse der Corona-Befragung von MDRfragt zum Jahresende genauer angesehen. Was hat Sie besonders interessiert?
Ich wollte wissen, ob die Stimmung der Leute etwas mit den Coronafällen in ihrer Heimat zu tun hat. Ich habe mir also für alle Landkreise die jeweiligen aktuellen 7-Tage-Inzidenzen dazu genommen und geschaut, wie die MDRfragt-Mitglieder aus den jeweiligen Kreisen denken: Wie zuversichtlich sie sind, dass die Krise bald vorbei ist, wie sie zum Impfen stehen, ob sie sich vor einer Ansteckung sorgen und was sie von den Kontaktbeschränkungen halten.
Was ist Ihnen vor allem aufgefallen?
Es gibt einen sehr starken Zusammenhang zwischen den Inzidenzwerten und der Zuversicht hinsichtlich dem Ende der Coronakrise. Je höher die Inzidenz in einem Kreis ist, umso weniger zuversichtlich sind die Leute, dass alles bald vorbei ist. Der Zusammenhang ist ziemlich stark: Je höher die Coronazahlen, desto pessimistischer sind die Leute auch, was die weitere Entwicklung der Krise anbelangt. Das ist natürlich ein plausibles Resultat.
Bei der Sorge davor, sich mit dem Coronavirus anzustecken, ist das Ergebnis auf Kreisebene vermutlich ähnlich, oder?
Nein, tatsächlich nicht, und das finde ich auch interessant zu sehen: Die Sorge, sich anzustecken, ist völlig unabhängig von der Inzidenz. Es ist also egal, ob die Leute in Regionen mit vielen Coronafällen leben oder mit wenigen: Die Sorge vor der Ansteckung mit dem Virus ist überall ähnlich.
Wie ist es beim Thema Impfen: Gibt es da Unterschiede zwischen den MDRfragt-Mitgliedern aus den verschiedenen Regionen?
Ja, und das hat mich wirklich überrascht: Die Impfbereitschaft ist in den Kreisen mit hohen Inzidenzwerten deutlich niedriger als in Kreisen mit moderateren Zahlen. In Kreisen mit hohen Inzidenzen wollen sich teilweise etwa doppelt so viele MDRfragt-Mitglieder nicht impfen lassen wie in Kreisen mit niedrigen Werten. Gleiches gilt auch für die Zustimmung zu den Corona-Maßnahmen.
Gibt es zwischen den Kreisen mit hohen Inzidenzwerten noch einmal Unterschiede zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen?
Es gibt, wenn man das in ein mathematisches Modell packt, noch einen zusätzlichen Sachsen-Faktor, der das Ganze verstärkt. Das heißt: In sächsischen Kreisen mit hoher Inzidenz sind diese Ergebnisse besonders stark ausgeprägt. Wobei man aber immer sagen muss: Trotzdem ist in allen Kreisen die Mehrheit für die Beibehaltung der Maßnahmen.
Prof. Hans-Jörg Stiehler ist Medienwissenschaftler im Ruhestand. Von 1993 bis 2017 war er Professor für empirische Kommunikations- und Medienforschung am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. Er ist wissenschaftlicher Beirat des Meinungsbarometers MDRfragt. Das Interview mit ihm führte Kristin Hansen vom MDRfragt-Redaktionsteam.
Über die Befragung
Die Befragung lief vom 27.12., 7 Uhr, bis zum 29.12.2020, 9 Uhr.
An der Befragung haben 22.780 Menschen teilgenommen. Insgesamt sind mittlerweile 37.157 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der MDRfragt-Gemeinschaft.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 30 Jahre: 474 Teilnehmende
31 bis 50 Jahre: 4.338 Teilnehmende
51 bis 64 Jahre: 9.929 Teilnehmende
65+: 8.039 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 51 Prozent
Sachsen-Anhalt: 24 Prozent
Thüringen: 25 Prozent
Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 53 Prozent
Weiblich: 47 Prozent
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 30. Dezember 2020 | 21:45 Uhr