Luxemburg Korruptionsjägerin Kövesi leitet EU-Staatsanwaltschaft

01. Juni 2021, 05:00 Uhr

Die rumänische Juristin Laura Codruta Kövesi leitet die neue Europäische Staatsanwaltschaft, die Betrug bei EU-Ausgaben aufdecken und strafrechtlich verfolgen soll. Monatelang hatten EU-Parlament und Europäischer Rat über den Posten verhandelt. Im September 2019 entschied sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in einer geheimen Abstimmung mehrheitlich für Kövesi. Wer ist die rumänische Ermittlerin?

Die 48-jährige Laura Codruta Kövesi hat sich vor allem als Chefin der rumänischen Anti-Korruptionsbehörde DNA einen Namen gemacht - einer Sonderstaatsanwaltschaft, die in Osteuropa einmalig ist. Die DNA brachte in Kövesis fünfjähriger Amtszeit Dutzende hochrangiger Amtsträger, Minister und Parlamentarier wegen Korruption vor Gericht, 37 davon wurden zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.  

Wegen ihrer offenkundigen Resultate wird Kövesi von der Presse gern "Korruptionsjägerin" genannt. Lob für ihre harte Gangart im Anti-Korruptionskampf bekam sie immer wieder auch von der EU-Kommission. Die US-Botschaft in Bukarest zeichnete die Behördenchefin 2014 als "mutige Frau" aus, weil sie nicht vor Ermittlungen gegen die Mächtigen und Reichen im Land zurückschreckte. Auch für viele ihrer Landsleute verkörpert Kövesi die furchtlose Kämpferin gegen die allgegenwärtige Korruption in Rumänien. Lange hatte man in dem osteuropäischen Land auf eine solche Figur gewartet.

Heftiger Widerstand von eigener Regierung

Wer jedoch entschieden gegen Korruption vorgeht, hat nicht nur Bewunderer, sondern auch eine Menge Feinde. Prominente Tatverdächtige belegten die einstige Behördenchefin mit Verleumdungskampagnen, auch ihrer eigenen rumänischen Regierung war sie häufig ein Dorn im Auge. Der einstige Justizminister Tudorel Toader entließ die unbequeme Ermittlerin im Juli 2018 vorzeitig aus dem Amt, mit der Begründung, sie habe bei ihrer Arbeit ihre Amtspflichten verletzt.

Auch erklärte die Bukarester Regierung 2019 immer wieder, sie halte Kövesi für den Chefposten der Europäischen Staatsanwaltschaft (EuStA) für ungeeignet. Bei der Abstimmung im September 2019 hatte die rumänische Vertreterin den Auftrag aus Bukarest, gegen ihre Landsmännin zu stimmen. Zudem ermittelte eine von der Regierung installierte Sonderbehörde gegen Kövesi - wegen des vermeintlichen Verdachts des Amtsmissbrauchs sowie der Korruption. Im März wurde sie sogar unter Polizeiaufsicht gestellt und bekam ein Ausreiseverbot. Das sollte ihre Bewerbung in Brüssel für den EU-Posten mit aller Macht verhindern helfen.

Kövesi ging dagegen gerichtlich vor – mit Erfolg. Der Oberste Gerichtshof in Rumänien gab ihr Recht, die Auflagen wurden aufgehoben. Im Juli 2019 sagte die Bukarester Ermittlerin in einem MDR-Interview, sollte sie den Chefposten der Europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg erhalten, wäre das ein Signal, dass, wer effizient gegen Korruption gekämpft habe, die Chance bekomme, weiterzuarbeiten. Diese Chance bekommt sie nun.

Laura Codruta Kovesi
Ein Bild von 2017, als Kövesi noch Chefin der rumänischen Antikorruptionsbehörde DNA war. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

Kritik an Ermittlungsmethoden von Kövesi

Kritik gibt es auch von Menschenrechtsorganisationen, die bemängeln, dass Kövesis rumänische Anti-Korruptionsbehörde DNA jahrelang mit dem Inlandsgeheimdienst SRI zusammenarbeitete. Für Kövesi war es nach eigenen Angaben eine pragmatische Entscheidung, schließlich ist der SRI die einzige rumänische Institution, die über die entsprechende Abhörtechnik verfügt.

Auch steht Kövesis Amtszeit bei der DNA für verpatzte Ermittlungen wie in der spektakulären "Microsoft-Affäre". Beim Kauf von Microsoft-Lizenzen für rumänische Schulen sollen 2004 mehrere damalige Minister millionenenschwere Schmiergeldsummen bekommen haben. Statt dass die Funktionäre überführt wurden, musste der Fall voriges Jahr 2018 ad acta gelegt werden. Die DNA hatte mit den Ermittlungen gebummelt, bis der Tatbestand verjährt war. Kritiker meinen, Kövesi hätte das durch eine bessere Organisation ihrer damaligen Behörde verhindern können.

Betrug bei EU-Ausgaben aufdecken

Die neue EU-Staatsanwaltschaft nimmt ab Juni 2021 ihre Arbeit auf. Die Behörde soll Betrug bei den EU-Ausgaben aufdecken - Ermittlungen, die viele EU-Länder bislang vernachlässigt haben, wenn nicht der eigene Staatshaushalt betroffen war oder es politische Verwicklungen gab. Im Juli 2019 sagte Kövesi dem MDR, der neue EU-Staatsanwalt müsse "durch seine Arbeit beweisen, dass er unabhängig ist und nicht politisch agiert". Das kann sie nun die nächsten Jahre lang beweisen.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. September 2019 | 07:15 Uhr

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