Karel Gott, Sänger und Komponist
Karel Gott bei einem Konzert 2019 Bildrechte: imago/CTK Photo

Erinnerung an "Goldene Stimme" So trauern Tschechen und Slowaken um Karel Gott

02. Oktober 2019, 10:36 Uhr

In Tschechien und der Slowakei gilt die Musik von Karel Gott als nationales Kulturgut. Seine Lieder spiegelten die Mentalität der Menschen wieder, so Kulturjournalistin Helena Dvořáková. Auch viele Normalbürger nehmen im Internet Abschied von ihrem Idol und berichten, welche Bedeutung Karel Gott in ihrem Leben hatte.

"In Karel Gott konzentriert sich wie in einem Wassertropfen unsere Mentalität, unser Geschmack und unsere Geschichte", schreibt die slowakische Kulturjournalistin Helena Dvořáková in der Tageszeitung "Pravda". Und riskiert eine ungewöhnliche These: Karel Gott habe die Geburtenrate in der ehemaligen Tschechoslowakei hochschnellen lassen. Damit meint sie allerdings nicht seine zahlreichen Liebesgeschichten, sondern seine Musik:

Seine romantischen Lieder brachten die Menschen in eine freundliche Stimmung, die Herzen öffneten sich, die Seelen verschmolzen miteinander – und auch die Körper.

Helena Dvořáková, Kulturreporterin der slowakischen Tageszeitung "Pravda"

So wie man von der Generation der Husák-Kinder spreche, in Anspielung auf den langjährigen Präsidenten der kommunistischen Tschechoslowakei Gustav Husák, könne man genauso gut von der Generation der Gott-Kinder sprechen, ergänzt Dvořáková.

Ausnahmetalent spricht Generationen an

Für den slowakischen Musikjournalisten Juraj Čurný war Gott in erster Linie ein riesiges Symbol, weit über die Grenzen der Tschechoslowakei hinaus. "Es ist unglaublich, dass überhaupt so jemand existierte, der länger als ein halbes Jahrhundert unverändert hoch in der Gunst des Publikums stand und alle Generationen ansprach. Ich weiß nicht, ob es irgendwo in der Welt noch einen ähnlichen, vergleichbaren Fall gibt", schreibt er in der "Pravda". Ähnlich sieht das auch der Komponist Pavol Zelenay: In der Pop-Musik schaffe es selten jemand so wie Gott bis ins hohe Alter mit Würde und Niveau aufzutreten.

Auch die Politiker in Tschechien und der Slowakei erinnerten sich an das Ausnahmetalent. Karel Gott habe sein Leben dem Publikum geschenkt, ließ Tschechiens Präsident Miloš Zeman auf Twitter mitteilen. “So etwas ist erschöpfend, aber gerade das macht einen Künstler zum Künstler", ergänzte er.

Kunst, die man versteht

Gott habe den Menschen geholfen, ihre Alltagsprobleme zu vergessen, twitterte der slowakische Regierungschef Petr Pellegrini. "Er bot ihnen eine Kunst, die sie verstanden und mit der sie sich identifizieren konnten", fügte er hinzu. Der ehemalige slowakische Innenminister Tomáš Drucker meint, seine Landsleute hätten Gott wie etwas Selbstverständliches behandelt: "Er war da, er war viel da und deshalb haben wir sein Talent und seine Einzigartigkeit für etwas Selbstverständliches gehalten."

Auf Internetforen verabschieden sich auch viele Normalbürger mit persönlichen Botschaften von ihrem Idol. "Ihre einzigartige Stimme wird uns weiterhin begleiten und sie wird noch lange Halt bieten, ob für Traurige, Fröhliche oder Verliebte", schreibt ein User auf der Kondolenzseite des Portals idnes.cz. Karel Gott sei Kulturerbe geworden, ergänzt ein anderer. Ein 30-Jähriger aus Prag verrät, welche Bedeutung Gott für seine ganze Familie hatte: "Mit Ihren Songs ist meine Mutter aufgewachsen und auch meine Oma hat sie gehört. Sie haben Freude gespendet, die hier bleiben wird."

Bescheidener Jahrhundertkünstler

"Mit meinen Liedern ist es so: Manche waren Hits, manche waren mehr oder weniger erfolgreich", sagte Karel Gott einmal bescheiden. Denn tatsächlich war der Prager Sänger und Schauspieler ein Weltstar mit zahllosen Hits: "Babicka", "Einmal um die ganze Welt" oder die "Biene Maja" sind vielleicht seine berühmtesten. Den Tschechen jedenfalls galt Karel Gott als "Jahrhundertkünstler".

Geboren wurde Karel Gott am 14. Juli 1939 in Pilsen. Aufgewachsen ist er aber in Prag. Jahrzehnte später bekannte er einmal, dass ihm die "goldene Stadt" nicht nur Heimat, sondern auch Inspirationsquelle gewesen sei. Nach dem Abschluss der Schule wollte Karel Gott eigentlich Malerei studieren, bestand aber die Aufnahmeprüfung an der Prager Kunstakademie nicht. So lernte er zunächst Elektriker und reparierte Hochspannungsleitungen. Nach der Arbeit trat er aber ab 1958 als Sänger in Prager Tanzlokalen auf und studierte schließlich drei Jahre am Prager Konservatorium Gesang. Bereits 1963 erschien seine erste Single und Karel Gott absolvierte ein sechsmonatiges Gastspiel in Las Vegas. Es war der Beginn seiner ganz außergewöhnlichen Karriere.

Weltweite Erfolge

Karel Gott war Zeit seines Lebens ein Grenzgänger. Er feierte ab 1967 in Ost und West gleichermaßen Erfolge und galt als der "Sinatra des Ostens". Seine Lieder erschienen nicht nur in sämtlichen europäischen Ländern, sondern auch in den USA, in Japan und Kanada. Wie viele Alben er insgesamt verkaufte, darüber gibt es keine verlässlichen Angaben. Mehr als 30 Millionen sollen es weltweit gewesen sein. Allein in Tschechien und der Slowakei waren es immerhin gut 15 Millionen. Dass Karel Gott kein Widerstandskämpfer gewesen war und sich mit den kommunistischen Machthabern in der CSSR mehr oder weniger arrangiert hatte, sahen ihm seine Landsleute später milde nach. Karel Gott rechtfertigte sich so: "Ich bin stolz darauf, dass ich geblieben bin. Die Leute wissen ganz genau, dass das viel wichtiger ist als Emigrieren und später als großer Held zurückzukommen."

"... ein Zeichen, und ich gehe."

Noch im Frühsommer 2019 sagte Karel Gott dem MDR: "Ich liebe die Musik und ich liebe es voranzubringen, was in mir ist. Wichtig für mich ist, wie lange das Publikum mich hören und sehen will. Das ist entscheidend. Es reicht ein Zeichen, und ich gehe." Doch die Fans hielten ihm nach wie vor die Treue und strömten in seine Konzerte. Und der mittlerweile 80-jährige Sänger war glücklich. Im September dann aber die schockierende Nachricht. In einem Brief, den die tschechische Tageszeitung "Blesk" veröffentliche, bekannte Karel Gott, dass der Krebs, den er vor vier Jahren noch besiegt hatte, zurückgekehrt sei. Jetzt ist Karel Gott im Alter von 80 Jahren gestorben.

Über dieses Thema berichtete der MDR im TV in "Legenden - Ein Abend für Karel Gott" 14.07.2019 | 20:15 Uhr

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