"Jäger des verlorenen Schatzes" Nazigold in Polen: Die Spur führt nach Niederschlesien

03. Juli 2020, 23:39 Uhr

Ein märchenhafter Goldschatz soll im Zweiten Weltkrieg in Niederschlesien vergraben worden sein. So jedenfalls steht es im Tagebuch eines SS-Mannes. Was ist dran an dieser vermeintlich sensationellen Geschichte?

Stapel von 1-Kilo-Goldbarren
Ein Goldschatz in Niederschlesien? Bildrechte: imago/HRSchulz

In Niederschesien soll ein mysteriöser Nazi-Schatz vergraben sein. Von ungeheuerlichen 300 Tonnen Gold und Gemälden von unschätzbarem Wert ist die Rede. Weltweit haben Medien mittlerweile darüber berichtet. Als Quelle wird das Tagebuch des SS-Mannes Egon Ollenhauer genannt. Eine Stiftung in Opole (Oppeln) besitzt das Tagebuch mit der vermeintlich sensationellen Nachricht.

Geheimnisvolles Tagebuch

Das Tagebuch sei eine Schenkung einer christlichen Loge aus Quedlinburg, erzählt Roman Furmaniak von der "Stiftung Schlesische Brücke" in Opole (Oppeln). Mehr aber ist von ihm nicht zu erfahren. "Die Schenker des Tagebuchs möchten zum jetzigen Zeitpunkt ihre Identität nicht preisgeben", sagt er, "vielleicht später einmal." In dem Tagebuch ist von Goldbarren und Goldschmuck sowie von Gemälden von Rembrandt, Raffael und Dürer die Rede. An elf Orten in Schlesien sollen die Schätze versteckt sein. Die Namen der Orte hält die Stiftung geheim.

Roman Furmaniak sitzt in seinem Büro
Roman Furmaniak von der "Stiftung Schlesische Brücke" Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Ungeklärte Herkunft

Auch über die Echtheit des Tagebuches will oder kann Roman Furmaniak im Moment noch nichts Konkretes sagen. Allerdings sei in Deutschland die Echtheit des Tagebuchs bestätigt worden, versichert er. Er habe die Expertise mit eigenen Augen gesehen, besitze sie aber leider nicht.

28 Tonnen Gold in einem Schloss

Roman Furmaniak möchte, dass die polnische Regierung schnell eine eigene Expertise anfertigen lässt. Weil die Regierung aber bis jetzt keinerlei Interesse gezeigt hat, gab Furmaniak kürzlich eines der elf im Tagebuch genannten Verstecke preis. Es handelt sich um ein Schloss, unter dessen Grundmauern 28 Tonnen Gold vergraben sein sollen. "Mit dieser Sensation wollten wir die Regierung zwingen, sich endlich an die Arbeit zu machen."

Tagebuchseite in einer Glasvitrine
Eine Seite aus dem Tagebuch des Egon Ollenhauer Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Ich lebe in einem Märchen"

Roztoka ist ein kleines Dorf in Niederschlesien. Am Dorfrand, inmitten eines großen Parks mit alten Bäumen, ein Schloss. In geheimen Gängen unter diesem Schloss sollen 28 Tonnen Gold versteckt sein. Małgorzata Śnieżek und ihr Mann sind die Besitzer des Schlosses, vor zweieinhalb Jahren haben sie es gekauft. Seit sie von dem Goldschatz weiß, erzählt die Schlossbesitzerin, könne sie nicht mehr schlafen. "Ich lebe gerade in einem Märchen und möchte aus diesem Traum nicht unbedingt aufwachen. Man vermag es kaum zu glauben, andererseits: Es gibt ein Schloss, es gibt ein System von unterirdischen Wasserleitungen, es gibt einen Park und eine Erzählung."

Schloss von Roztoka
Schloss von Roztoka Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Erdschichten sollen untersucht werden

Der Schatz soll in 60 Metern Tiefe verborgen liegen. Laut Ollenhauers Tagebuch ist das Gold in einem Brunnen versteckt worden, der anschließend gesprengt wurde. Schlossherrin Małgorzata Śnieżek besitzt eine Karte aus dieser Zeit, ein Brunnen ist darauf freilich nicht verzeichnet. Demnächst sollen dennoch die obersten Erdschichten im Park untersucht werden.

Alles wie beim "Goldzug von Wałbrzych"

Joanna Lamparska ist eine Breslauer Archäologin und Journalistin, die schon so einigen Schatzgeschichten in Niederschlesien nachgegangen ist. Vor vier Jahren hat sie ein Buch über den sogenannten "Goldzug von Wałbrzych" geschrieben. Auch damals gab es keine Beweise für die Existenz eines Zuges mit geraubtem Nazigold, doch es herrschte Goldrauschstimmung. "Man kam sich wie ein Atheist in einer Kirche vor. Alle haben daran geglaubt", erinnert sich Joanna Lamparska. "Und zu sagen, es gibt keinen Goldzug, war geradezu peinlich. Es ziemte sich nicht."

Hobby-Historiker Piotr Koper und Andreas Richter wollen den Zug ausgraben 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
3 min

Ein deutscher und ein polnischer Schatzsucher wollen beweisen, dass es den Zug mit Nazigold bei Walbrzych tatsächlich gibt. Im ehemaligen Waldenburg sieht man das mit Skepsis.

Fr 12.08.2016 18:02Uhr 02:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/land-leute/nazi-gold-zug-waldenburg-100.html

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Große Zweifel

Und so ähnlich sei das jetzt auch, sagt Joanna Lamparska. Sie jedenfalls zweifelt an der Gold-Geschichte und begründet ihre Zweifel unter anderem damit, dass die Tagebücher nicht auf Echtheit überprüft worden sind: "Das Kultusministerium in Warschau sagt klipp und klar, dass ihm keine Originale übergeben wurden, weshalb die Echtheit nicht überprüft werden kann. Ich frage mich aber: Sollte es nicht andersherum sein? Sollte nicht die Stiftung der Regierung Expertisen zeigen oder wenigstens Fachleute nennen, die solche Expertisen anfertigen könnten?"

Tagebuchseite mit handschriftlichen Aufzeichnungen
Tagebuchseite Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Schatzsuche wird weitergehen

Die Goldsuche in Roztoka und in ganz Niederschlesien wird wahrscheinlich trotzdem weitergehen. Zweifel sind nicht erlaubt, auch wenn die Geschichte von einem SS-Mann und seinem Tagebuch, in dem er von einem märchenhaften, nationalsozialistischem Goldschatz in Niederschlesien schreibt, reichlich verwegen klingt.

Dieses Thema im Programm: Heute im Osten | 20. Juni 2020 | 17:15 Uhr

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