Blauer Dunst Serbien: Wo Raucher noch hemmungslos qualmen

14. Dezember 2020, 13:45 Uhr

Warnung: Nichtraucher werden an diesem Text keinen Gefallen finden; militante Raucher werden sich ärgern; ehemalige Raucher werden vor Wehmut zerfließen und Raucher den Drang verspüren, sich einen Flug nach Belgrad zu buchen, wenn die Corona-Pandemie irgendwann vorbei sein wird.

Schwarz und Weiß Bild eines Rauchers
In Serbien dürfen Raucher fast überall hemmungslos qualmen (Symbolbild). Bildrechte: Colourbox.de

Viele Raucher in Deutschland werden sich kaum noch daran erinnern können, wie entspannt es sich anfühlt, außerhalb seiner eigenen vier Wände zu rauchen. Wie angenehm es ist, sich in den Wintermonaten in einem warmen Restaurant eine Zigarette anzuzünden. Erst Schnaps und Zigarette, während man auf das Essen wartet, dann Kaffee und Zigarette zum Verdauen. Wenn ich als Raucher im Winter in EU-Länder reise, komme ich meistens verkühlt nach Hause, weil ich frierend vor der Tür paffen muss.

Rauchen schadet der Gesundheit! Na und?

Dieser Text will das Rauchen nicht verharmlosen. Natürlich schadet das Qualmen der Gesundheit und der Umwelt, und natürlich ist auch passives Rauchen schädlich. Das weiß man auch in Serbien. Tiefgreifende Konsequenzen folgen daraus in meinem Land allerdings nicht. In Serbien ist das Rauchen zwar in Büros, Einkaufszentren, auf der Post und im Flughafen gesetzlich verboten, doch in Kaffeehäusern, Kneipen, Restaurants und Nachtclubs darf man paffen, soviel mal will. Selbst in so manchem Büro nimmt man es nicht so ernst mit dem Rauchverbot. Als vor einigen Jahren ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden war, gab es noch Kontrollen mit Rauchdetektoren, doch der Staat scheint in der Zwischenzeit darauf verzichtet zu haben.

Ein Aschenbecher vor einem Laptop an dem jemand sitzt und raucht
Rauchen im Büro: Auch das ist in Serbien meist kein Problem. Bildrechte: Colourbox.de

Serbische Raucher genießen nahezu grenzenlose Freiheit

Wer nach Serbien kommt, fühlt sich ein wenig wie ein Zeitreisender, der in eine Ära vor dem allgemeinen Kampf gegen den Zigarettenrauch zurückversetzt worden ist. Hier sind die Raucher noch dominant. Meine Nichtraucherfreunde aus der EU leiden, wenn sie mich in Serbien besuchen. Vor allem im Winter halten sie es in den verrauchten Belgrader Lokalen kaum aus.

Mir fällt kein einziges Restaurant oder Kaffeehaus in Belgrad ein, in dem ein Raucherraum physisch vom Nichtraucherraum abgeriegelt ist. In manchen größeren Lokalen sind zwar Raucher- von Nichtrauchertischen getrennt, doch das ist ein Scherz – sie befinden sich alle im gleichen Raum.

Café in Belgrad
Restaurant in Belgrad: Kaffee, Wasser, Zigarette Bildrechte: Andrej Ivanji

Elektische Zigaretten sind im Kommen

Lokalbesitzer wagen es in Belgrad anscheinend nicht, das Rauchen zu verbieten, weil sie Umsatzeinbußen befürchten. Ein Freund von mir hat allerdings den Gegenbeweis erbracht. Er hat in seinem Café Skver das Rauchen von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen verboten und sagt, sein Umsatz habe darunter nicht gelitten. Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, dürfen seine Gäste IQOS oder GLO rauchen: elektrische Zigaretten bei denen der Tabak nicht verbrennt, sondern erhitzt wird, so dass kein Rauch, sondern lediglich Qualm entsteht, der sich in der Luft auflöst. Das Elektropaffen ist für Zigarettenraucher eine großartige Möglichkeit, selbst in Hotelzimmern eine durchzuziehen. Denn ein Rauchdetektor reagiert nicht auf den ausgestoßenen Qualm, außerdem muss man danach nicht einmal das Zimmer lüften.

Schockbilder auf Zigarettenschachteln? Fehlanzeige!

Serbien ist durch und durch raucherfreundlich. Auf den Zigarettenpackungen sucht man die üblichen Schockbilder vergebens. Es gibt lediglich Warnungen wie: "Rauchen ist tödlich." Dabei seien drei von vier Personen in Serbien dem Zigarettenrauch ausgesetzt, besagt eine Studie des Instituts für öffentliche Gesundheit Batut. Rund 37 Prozent der volljährigen Bevölkerung würden täglich oder gelegentlich rauchen; mehr als 15.000 Menschen sterben jährlich an Krankheiten, die vom Rauchen verursacht wurden. Gemessen an der Bevölkerungszahl also ein Drittel mehr als in Deutschland. Trotzdem gibt es beim EU-Beitrittskandidaten Serbien keine politischen Initiativen für ein allgemeines Rauchverbot.

Ein Mann zündet einer Frau eine Zigarette an
Raucher können sich in Serbien noch immer fast überall eine Zigarette anzünden. Bildrechte: Colourbox.de

Der serbische Staat verdient gut an der Tabakindustrie

Das mag auch daran liegen, dass sowohl Phillip Morris als auch British American Tobacco große Zigarettenfabriken in Serbien haben. Die Steuern der Tabakindustrie machen elf Prozent des serbischen Staatshaushalts aus, erklärte unlängst Ministerpräsidentin Ana Brnabić, und unterstrich die Bedeutung der Zigarettenhersteller für die serbische Wirtschaft. In den ersten fünf Monaten dieses von der Pandemie geplagten Jahres erhöhte die serbische Tabakindustrie die Produktion um 18,8 Prozent.

So ist ein allgemeines Rauchverbot nicht in Sicht. Raucher werden in Serbien also bis auf weiteres weiter frei und auf Kosten ihres Umfeldes nahezu überall qualmen dürfen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 01. Dezember 2020 | 15:00 Uhr

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