Aleksei Navalny
Nawalny, der charismatische Redner - Russland hält ihn weiter in Haft Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Russland Gericht bestätigt Haftstrafe für Kremlkritiker Nawalny

28. Januar 2021, 15:17 Uhr

Kremlkritiker Nawalny sitze zurecht in Russland in Haft. Das entschied heute ein Gericht bei Moskau. Er habe gegen Bewährungsauflagen verstoßen - 30 Tage Gefängnis seien deswegen angemessen. Polizeibeamte hatten ihn gleich nach seiner Rückkehr aus Deutschland noch am Flughafen in Moskau festgenommen. Unterdessen erhöht die Staatsmacht den Druck auf Nawalny - die Polizei geht mit Razzien und Verhaftungen gegen seine Familie und seine Mitarbeiter vor.

Entscheidung war zu erwarten

Das Gericht bei Moskau hat heute eine erwartbare Entscheidung getroffen. Alexej Nawalny bleibt in Haft. 30 Tage im berüchtigten Moskauer Gefängnis "Matrosenruhe" als Sanktion für Verstöße gegen eine Bewährungsstrafe aus einem früheren Strafverfahren. Der 44-Jährige soll Meldeauflagen nicht eingehalten haben, während er sich in Deutschland von seiner Vergiftung aus dem Sommer erholte.

Nawalny, die einzig verbliebene Führungsfigur der Kreml-Opposition, war am 17. Januar 2021 aus Deutschland nach Russland zurückgekehrt. Er könne seinen Kampf gegen die "Gauner und Diebe", so nennt Nawalny die Führungsriege in Kreml und Staatskonzernen, nur von Russland aus weiterführen. Noch an der Passkontrolle am Moskauer Flughafen Scheremetjewo nahmen Polizeibeamte ihn fest.

Navalny per Videolink in Gerichtssaal
Per Video-Link wurde Nawalny heute zur Gerichtsverhandlung zugeschaltet. Er sitzt in einem Moskauer Gefängnis in Haft. Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Sippenhaft

Die Staatsmacht erhöht nun zusätzlich den Druck auf Nawalny. Zum wiederholten Male nimmt sie seine Familie und die Mitarbeiter seiner "Stiftung zur Korruptionsbekämpfung" ins Visier. Am Mittwochnachmittag nahmen Spezialpolizisten Nawalnys Bruder Oleg fest, zunächst für 48 Stunden, wegen Verstoßes gegen Corona-Hygiene-Auflagen, wie es hieß. Nawalnys Bruder Oleg war vor Jahren schon einmal zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Auch zwei Mitarbeiter von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung seien festgenommen worden, postete sein Team in den Sozialen Medien. Maskierte Uniformierte hätten Büros und auch Privatwohnungen von Familie und Mitarbeitern Nawalnys durchsucht, unter anderem die Wohnung der Pressesprecherin des Oppositionsführers.

Polizisten in Helmen mit Lampe bei Durchsuchung von Wohnung von Nawalny in Moskau
Hausdurchsuchungen gestern bei Nawalnys Familie und Mitarbeitern in Moskau. Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Nawalnys langer Weg zum Oppositionsführer

Seinen Kampf gegen die aus seiner Sicht durch und durch korrupten Eliten in Staats- und Wirtschaftsführung des Landes begann Nawalny als Anwalt – und als Aktionär an strategischen Staatskonzernen wie Gasprom. Mit seinen Enthüllungen über Vetternwirtschaft und Bereicherung in den Führungsetagen erlangte er schnell enorme Popularität. Spätestens seine Auftritte bei den Massenprotesten im Winter 2011/2012 nach den offenbar gefälschten Parlamentswahlen machten ihn endgültig zum neuen Polit-Star der Kreml-Opposition: "My sdjes wlast!", "Wir sind hier die Macht!", rief der den mehr als 100.000 Demonstranten damals in jenem Winter in Moskau zu. Ein Hauch von Aufbruch lag über Russland. Die Hoffnung keimte auf, dass ein Ende des "Systems Putin" doch möglich sein könnte. Bei Wahlen zum Moskauer Bürgermeister 2013 erreicht der Kandidat Nawalny aus dem Stand 27 Prozent der Stimmen. Bisheriger Höhepunkt dieser Karriere des Alexej Nawalnys als Kreml-Gegner und Herausforderer Putins ist sein jüngstes Enthüllungsvideo über den Palast, den der Kremlchef sich angeblich am Schwarzen Meer hat bauen lassen – für umgerechnet 1,1 Milliarden Euro aus Bestechungsgeldern, so Nawalny.

Alexei Navalny wird in Isolierbox transportiert
Nach einer Vergiftung in Russland im August wurde Nawalny zur Behandlung in die Charité nach Berlin geflogen. Nawalny macht Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich. Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Und dann ist da der noch der autoritäre, der nationalistische, der rassistische Nawalny, der am "Russischen Marsch" teilnahm, den Nationalisten alljährlich am 4. November organisieren. In früheren Videos hetzte er gegen Menschen aus dem Kaukasus oder Arbeitsmigranten aus Zentralasien. 2007 warf ihn die liberale Partei Jabloko wegen solcher Umtriebe raus. Dieser Nawalny scheint unter seinen Anhängern heute keine Rolle mehr zu spielen.

Neue Proteste! – Neue Haft?

Nawalnys jüngste Festnahme am Flughafen in Moskau hatte in etlichen Städten Russlands für Proteste gesorgt. Bis zu 300.000 Menschen demonstrierten vergangenes Wochenende für seine Freilassung. Für das kommende Wochenende sind erneut Proteste angekündigt. Es sind allerdings vor allem die Jüngeren, die Gebildeten, die Städter, die für Nawalny auf die Straße gehen. Die Mehrheit der Russen, die ihre Informationen noch immer hauptsächlich aus dem Staatsfernsehen zieht, nimmt Nawalny als Politiker nicht ernst. Und doch scheint die Staatsmacht nervös zu sein. Schon vor den jüngsten Protesten hatten die Behörden Internetdienste wie die App "Tiktok", die bei Jugendlichen beliebt ist, aufgefordert, keine Aufrufe zu Demonstrationen für Nawalny zu verbreiten.

Am kommenden Dienstag soll ein Moskauer Gericht entscheiden, ob Nawalnys derzeitige Bewährungsstrafe in reale Haft umgewandelt wird. Nawalny drohen dann dreieinhalb Jahre hinter Gittern.

(mare)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. Januar 2021 | 15:22 Uhr

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