Eine ältere Frau hält ein Fähnchen hoch.
PiS-Wahlkampf Bildrechte: imago images/Eastnews

Parlamentswahl in Polen Regierungspartei PiS ist der Favorit

13. octobre 2019, 05:00 Uhr

Vor der Parlamentswahl in Polen liegt die nationalkonservative Regierungspartei PiS allen Umfragen zufolge unangefochten auf dem ersten Platz. Sie punktet bei den Wählern mit ihrer Sozialpolitik sowie einer national geprägten und antiliberalen Rhetorik.

Die Zustimmung für die PiS, die bei der Parlamentswahl vor vier Jahren 37 Prozent der Stimmen bekam, liegt laut mehreren Meinungsumfragen derzeit bei weit über 40 Prozent. Das oppositionelle Parteienbündnis "Bürgerkoalition" soll auf 20 bis 30 Prozent der Stimmen kommen. Der Rest der potenziellen Wählerstimmen verteilt sich auf das nationalkonservative Bündnis "Polnische Koalition", die Linke und das kleine nationalistisch-rechtskonservative Parteienbündnis "Konfederacja". 

Das Erfolgsrezept der PiS: Sozialpolitik

Die PiS verdankt ihre Popularität ihrer Sozialpolitik und der Tatsache, dass sie ihre Wahlversprechen tatsächlich weitgehend einhält. Seit über drei Jahren wird ihr Flaggschiffprojekt Kindergeld in die Praxis umgesetzt. Vielen Familien mit Kindern geht es damit in der Tat wesentlich besser als vorher. Zuerst wurde der steuerfreie monatliche Zuschuss von rund 120 Euro erst ab dem zweiten Kind in der Familie ausgezahlt, doch seit Juli 2019 kann man den Betrag schon für das erste Kind erhalten. In diesem Jahr bekam auch jeder Rentner eine sogenannte "13. Rente". Und dabei soll es auch in den Folgejahren bleiben, verspricht die PiS. Die Partei will aber auch jüngere Wähler ansprechen. Und so wurden vor kurzem Arbeitnehmer unter 26 Jahren von der Einkommenssteuer befreit. Außerdem will die PiS in der kommenden Wahlperiode den Mindestlohn nahezu zu verdoppeln. Wichtig außerdem: Ein Großteil der Sozialleistungen wurde bereits vor der Wahl eingeführt. Damit zeigt die Partei ihren Anhängern, dass sie nicht nur viel verspricht, sondern auch viel umsetzt.

Skandale ohne Folgen

Die von der Opposition als Wählerbestechung kritisierten Sozialprogramme scheinen vielen Polen mehr zu bedeuten als die undemokratische Justizreform oder die dubiosen Immobiliengeschäfte innerhalb der PiS. Weder die kürzlich ans Licht gekommene Verleumdungskampagne gegen unliebsame Richter (allem Anschein nach von hohen Beamten des Justizministeriums gesteuert) noch die private Verwendung von Regierungsflugzeugen, die den Parlamentsvorsitzenden zum Rücktritt zwang, waren in der Lage, den Zustimmungswerten der PiS zu schaden.

Bei den konservativen Wählern punktet die Partei auch mit weltanschaulichen Themen, mit ihrer antiliberalen Rhetorik und der konsequenten Ablehnung aller Versuche, das strenge Abtreibungsgesetz zu liberalisieren. Im Wahlkampf präsentierte sich Jarosław Kaczyński als Beschützer katholischer Werte und überraschte mit seinem Eifer sogar die polnischen Bischöfe, als er sagte, dass die Kirche "Träger des einzigen in Polen bekannten Wertesystems" sei und dass es außerhalb der Kirche nur "Nihilismus" gebe.

Die Schwächen der Opposition

Klare Positionen zu beziehen, ist dagegen nicht die Stärke der Opposition. Verwunderlich ist das nicht, weil die Politiker der "Bürgerkoalition" ein Spektrum von links bis konservativ vertreten. In Sozial- und Wirtschaftsfragen schlagen sie oft PiS-ähnliche Töne an. Jahrelang wurde die großzügige Sozialpolitik der PiS von der Opposition als populistisch kritisiert, doch jetzt verspricht auch sie Zusatzrenten, eine Erhöhung des Grundgehalts und Erleichterungen für junge Arbeitnehmer und Unternehmer. Deshalb stellt die Opposition für viele Wähler keine Alternative zur PiS dar. Politikwissenschaftler sind sich relativ einig: Die Opposition ist nicht in der Lage, eigene Themen auf die Agenda zu setzen und reagiert nur auf die Ideen der PiS.

Alte Muster

Dem Chef der "Bürgerplattform", Grzegorz Schetyna, wird inzwischen sogar vorgeworfen, sich dem autoritären Stil von PiS-Chef Jarosław Kaczyński anzunähern. 2015 hatte Kaczyński eine Frau präsentiert, die bei den Wählern gut ankam. Die Frau hieß Beata Szydło und wurde später Premierministerin. Nach nur zwei Jahren setzte Kaczyński sie jedoch wieder ab. Jetzt verfährt Schetyna nach einem ähnlichem Muster - er machte die beliebte Małgorzata Kidawa-Błońska zur Premierministerkandidatin und Frontfrau des Wahlkampfs. Er selbst zog sich etwas in den Hintergrund zurück, blieb jedoch Parteichef.

Auch wenn sich die PiS schon jetzt als Sieger fühlt, wird ihr größter Traum, die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament zu erreichen, höchstwahrscheinlich nicht in Erfüllung gehen. Das bedauert Jarosław Kaczyński ungemein, doch er lässt sich nicht entmutigen und kündigt schon jetzt an, dass er Polen weiterhin "reparieren" will, auch wenn es im Rahmen der geltenden Verfassung sein muss.

Dieses Thema im Programm MDR AKTUELL FERNSEHEN | 11. Oktober 2019 | 17:45 Uhr

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