Russland Streit um ein neues Hauptquartier für Roskosmos

15. April 2019, 17:49 Uhr

Russland kann auf eine lange und erfolgreiche Weltraumfahrt zurückblicken, zum Beispiel auf den ersten bemannten Weltraumflug mit Juri Gagarin am 12. April 1961. Heute dagegen gilt die Weltraumagentur Roskosmos den Russen als Fass ohne Boden. Mit einem neuen Hauptquartier soll Geld gespart werden. Stattdessen sorgt der geplante Prestige-Bau in Raketenform für neuen Unmut.

Dmitrij Rogosin tritt gerne als ein Visionär auf. Der Chef der russischen Weltraumagentur Roskomos träumt nicht nur davon, den Mond und auch den Mars mithilfe russischer Raketen und Technologie zu kolonisieren. Oder davon, regelmäßig Weltraumtouristen auf die Spuren des ersten Menschen im All, Juri Gagarin, zu schicken. Doch längst nicht bei allen Russen kommen Rogosins Visionen gut an. Selbst von seinem Chef gibt es Rüffel. "Hört auf zu quatschen, wohin wir im Jahr 2030 fliegen werden, sondern macht eure Arbeit", erklärte etwa Russlands Premier Dmitrij Medwedjew auf einer Regierungssitzung im Januar.

Entwürfe für Hauptquartier von Roskosmos in Moskau
Einer der Entwürfe für das neue Hauptquartier der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos Bildrechte: Roskosmos

Rogosins jüngster Traum ist dagegen ein wenig bodenständiger. Und dürfte weit weniger Zorn in Regierungskreisen hervorrufen. Die Rede ist von einem nagelneuen Bürohochhaus für die russische Weltraumagentur. Umgerechnet rund 300 Millionen Euro soll der neue Wolkenkratzer unweit des Moskauer Stadtzentrums kosten. Drumherum soll ein ganzes Raumfahrt-Zentrum entstehen, in das die derzeit weit verstreuten Konstruktionsbüros, Produktionshallen und Verwaltungseinheiten von Roskosmos umziehen sollen. Und noch viel wichtiger: Das neue Gelände entsteht auf direkten Geheiß von Wladimir Putin, der einen solchen Cluster in seiner Rede vor der Föderationsversammlung angekündigt hat.

Raketen-Wolkenkratzer mit Raumfahrt-Cluster

Entwürfe für Hauptquartier von Roskosmos in Moskau
Alle Entwürfe für die geplante neue Zentrale von Roskosmos mussten einen Wolkenkratzer in Form einer Rakete beinhalten. Bildrechte: Roskosmos

Wenn alles nach Plan läuft, dürfte Moskau schon in wenigen Jahren ein neues Wahrzeichen bekommen. Denn Rogosin will keinen herkömmlichen Bürokomplex, sondern einen Wolkenkratzer in Form einer Rakete aus Stahl und Glas. "Noch gibt es keinen abschließenden Entwurf, fest steht jedoch, dass das Gebäude die Form einer Rakete als Symbol für Roskosmos haben wird", erklärte Rogosin bei einem Treffen mit Roskosmos-Angestellten. Entstehen soll das Zentrum auf dem Gelände der zu Roskosmos gehörenden Chrunitschew-Werke, wo derzeit die Trägerrakete Proton gebaut wird.

Ganze 20.000 High-Tech-Arbeitsplätze sollen in dem Cluster entstehen, in den Roskosmos auch andere Firmen locken will. "Die Vereinigung der Raketen- und Raumfahrtbranche auf einem einheitlichen Territorium mit komfortablen Bedingungen und mit einer entwickelten Infrastruktur wird die administrativen Barrieren abbauen und die Arbeitsproduktivität deutlich steigern", heißt es in einer Roskosmos-Mitteilung vollmundig.

Großzügiger Umgang mit Geld

Nach Plan lief bei Roskosmos in den letzten Jahren jedoch längst nicht alles. Noch im Herbst hatte der Chef des Rechnungshofs, Alexej Kudrin, erklärt, die letzte Prüfung habe einen Wust an unbegründeten Ausgaben, überhöhten Einkaufspreisen und eine Veruntreuung von Mitteln in Milliardenhöhe ans Tageslicht gebracht. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch die Standortfrage.

So hat der Staat seit 2012 bereits fast 100 Millionen Euro (nach damaligem Umrechnungskurs) für die Renovierung der alten Roskosmos-Zentrale ausgegeben. Im vergangenen Jahr wurde zudem bekannt, dass die Verwaltung von Roskosmos in Gebäude einer Roskosmos-Tochter umziehen soll. Dort hatte Rogosin sein Büro, als er noch Vize-Premier und als solcher auch zuständig für die Raumfahrt war. Das Büro wollte er auch nach seiner Ernennung zum Roskosmos-Chef im Mai 2018 behalten. In den Umbau dieses Bürokomplexes wurde nach Angaben der Moskauer Zeitung "Nowaja Gazeta" eine ähnlich hohe Summe investiert.

Angetreten gegen Krise der russischen Raumfahrt

Eigentlich hatte sich Rogosin bei seinem Amtsantritt auf die Fahnen geschrieben, die Misswirtschaft und technischen Rückschläge bei Roskosmos zu beenden. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Raumfahrtbranche auf dem Gebiet kommerzieller Starts sollte sich verbessern. Mittlerweile haben darin jedoch die USA und China Russland den Rang abgelaufen. Bestehen bleibt bisher lediglich Russlands Monopol auf bemannte Weltraumflüge.

Auch die Bauarbeiten an Russlands Weltraumbahnhof Wostotschnyj verzögern sich unter Rogosins Federführung weiter. Für einen Skandal sorgte zudem Anfang März eine Demo von Arbeitern einer Roskosmos-Tochter in der kleinen Provinzstadt Ust-Kataw. Die Arbeiter waren aufgebracht, weil die ohnehin mageren Löhne von etwa 300 Euro weiter gekürzt worden sind.

Roskosmos sieht sich als Opfer von Attacken

Dimitri Rogosin, Chef russische Weltraumbehörde Roskosmos
Dmitrij Rogosin (im Bild) löste im Mai 2018 auf Geheiß von Präsident Putin Igor Komarow an der Spitze von Roskosmos ab. Bildrechte: imago/ITAR-TASS

Kein Wunder, dass die Pläne für einen Prestigebau in Raketenform für weiteren Unmut sorgen. So kritisierte der Oppositionelle Alexej Nawalny, es sei völlig unklar, warum Roskosmos plötzlich neue Büros für eine "fantastisch hohe" Geldsumme brauche. Rogosin kontert seinerseits, dass die Mittel für den Bau nicht von Roskosmos, sondern von der Stadt Moskau bereitgestellt würden. Diese wiederum könnte imTausch dafür andere Grundstücke und Gebäude von Roskosmos erhalten, die bisher in Moskau verstreut sind. Deren Gegenwert bezifferte die Zeitung "Kommersant" derweil mit Verweis auf eine Branchenquelle auf etwa 600 Millionen Euro. Insgesamt hofft Roskosmos damit offenbar, die Schuldenlast von derweil etwa 1,5 Milliarden Euro spürbar zu mindern.

Die Kritiker dürfte das angesichts der früheren Skandale kaum beruhigen. Bei Roskosmos sieht man sich dagegen als Zielscheibe einer gezielten Attacke, deren Ziel es sei, Russland daran zu hindern, sich die Führungsposition im Weltraum zurückzuerobern. Eine etwas eigenwillige Lösung des Problems schlug derweil die Ehefrau von Roskosmos-Chef Rogosin, Tatjana Rogosina, vor. Per Facebook schlug sie vor, eine Art Fanclub angesichts der Attacken gegen Roskosmos zu gründen. Ein Roskosmos-Sprecher begrüßte später die Initiative: "Nicht an allem steht ein riesiges Minus-Zeichen davor, das uns ein großer Teil der Medien verpassen will." 

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Über dieses Thema berichtete MDR Aktuell auch im TV: 15.03.2019 | 21:45 Uhr

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