Wolodomyr Selenkyj
Der ukrainische Präsident Selenskjy bei einer Anhörung im Verfassungsgericht im Juni 2019. Bildrechte: imago images / ZUMA Press

Diplomatie Ukraines Präsident besucht Berlin

18. Juni 2019, 05:00 Uhr

Am Dienstag besucht der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum ersten Mal Berlin. In Kiew schaut man derzeit mit Sorge nach Deutschland. Die Befürchtung: die Beziehungen zwischen beiden Ländern könnten sich verschlechtern. Dafür sorgt auch der Vorschlag ostdeutscher Ministerpräsidenten, die Russland-Sanktionen zurückzunehmen.

Die mögliche Zurücknahme der Russland-Sanktionen ist ein schmerzhaftes Thema für das politische Kiew. Die derzeitige Debatte über das Thema in Ostdeutschland, angestoßen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und seinem Thüringer Amtskollegen Bodo Ramelow, wird in der Ukraine mit Sorge verfolgt. Der Zeitpunkt, kurz vor dem ersten Deutschland-Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, wird als unglücklich wahrgenommen. Generell wächst in Kiew die Befürchtung, dass Berlin die Führungsrolle im Normandie-Format abgeben könnte. Das Format, zu dem neben Deutschland, Frankreich, Russland auch die Ukraine gehören, ist mit der Lösung des Donbass-Krieges beauftragt.

Ist die gute Beziehung zu Deutschland in Gefahr?

Unter der Amtszeit von Selenskyjs Vorgänger, Petro Poroschenko, hatte sich eine enge Beziehung zwischen der Ukraine und Deutschland entwickelt. Der ehemalige Präsident hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel ganze 15 Mal besucht. Kurz vor dem zweiten Präsidentschafts-Wahlgang in der Ukraine, als der Sieg Selenskyjs so gut wie feststand, war auffallend, dass Selenskyj nach Paris, aber nicht nach Deutschland eingeladen wurde. In Berlin wurde unterdessen Poroschenko im Kanzleramt empfangen.

Ebenfalls blieb in der Ukraine nicht unbemerkt, dass Deutschland lediglich den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff zur Amtseinführung von Selenskyj schickte. Ein Minister wäre schon angebracht gewesen, heißt es. Insgesamt habe man das Gefühl, dass Frankreich das Ruder übernehme, zumal Selenskyj angeblich eine große persönliche Sympathie für Macron hegen soll.

Regieren kaum noch möglich

Seit fast einem Monat ist Selenskyj nun ukrainischer Präsident. Es sind turbulente Wochen, die die Politik in Kiew gerade erlebt. Noch während seiner Amtsantrittsrede vor dem Parlament kündigte Selenskyj die Auflösung desselben an. Diese rechtlich umstrittene Entscheidung wird derzeit vom Verfassungsgericht geprüft. Vorerst sieht es jedoch so aus, als ob die vorgezogene Parlamentswahl am 21. Juli stattfinden wird. Regieren ist für Selenskyj  derzeit kaum möglich, denn das Parlament blockiert jegliche Initiative des Präsidenten.

Neuer Außenminister kann nicht loslegen

So ist Außenminister Pawlo Klimkin, der von Petro Poroschenko ernannt wurde, trotz seines Rücktrittsgesuchs immer noch im Amt. Denn das Parlament hat den Rücktritt bei einer ersten Abstimmung abgelehnt. Klimkins Nachfolger, der derzeit stellvertretende Außenminister Wadym Prystajko, steht zwar bereits fest, doch ist unklar, wann und ob der Wechsel tatsächlich vollzogen wird.

"Es geht ernst zur Sache"

Unter diesen Bedingungen ist Selenskyj nun am Dienstag in Berlin zu  Gast. Am Montag besuchte der 41-Jährige bereits Paris und traf sich mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Während Selenskyjs erste Auslandsreise nach Brüssel noch eine "Kennenlernmission" war, sei der jetzige "Besuch in Paris und Berlin eine ernste Angelegenheit", meint Außenminister Klimkin in einem Interview mit dem ukrainischen Fernsehsender "1+1".

Neben den Verhandlungen zum Donbass-Krieg stehe auf der Tagesordnung auch die mögliche Rückgabe des Stimmrechts an die russische Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, die bereits kommende Woche über die Bühne gehen könnte, so Klimkin. Russland hatte das Stimmrecht wegen der Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel verloren. "Es ändert zwar faktisch nicht viel. Aber das könnte der erste Schritt sein, bei dem Russland seine Verpflichtungen nicht erfüllt und trotzdem weiterkommt", meint Klimkin.

Selenskyj ist für Überraschungen gut

Vermutlich steht auch das Thema Pipeline Nord Stream 2, die den Gastransit in die Ukraine erschweren könnte, auf der Agenda. Es ist zu erwarten, dass Selenskyj dieses nicht nur bei den Treffen mit Merkel und Steinmeier, sondern auch während seines Auftritts vor dem Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft anspricht.

Spannend ist auch das generelle Auftreten des ehemaligen Komikers Selenskyj selbst. Sein Besuch in Brüssel verlief einigermaßen positiv. Als Selenskyj aber die Außenminister Deutschlands und Frankreichs in Kiew empfing, trug er ein Hemd mit hochgerollten Ärmeln – wofür er Kritik einstecken musste. Aber auch in Brüssel feilte Selenskyj an seinem legeren Image, als er einer ukrainischen Frühstückssendung ein Interview auf einem Fahrradtrainer gab. Man darf gespannt sein, ob etwas Ähnliches auch in Berlin folgt.

Über dieses Thema berichtet MDR Aktuell auch im TV: MDR aktuell | 18.06.2019 | 19:30 Uhr

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