Polen Bananen-Protest für provokante Kunst erfolglos

04. Mai 2019, 06:00 Uhr

Dass ein Museum seine Dauerausstellung ab und zu erneuert, ist nicht ungewöhnlich. Anders im Fall des Nationalmuseums in Warschau. Dort gingen deswegen Menschen auf die Straße, futterten Unmengen von Bananen und machten jede Menge Selfies. Der Protest firmierte schnell unter dem Namen #BananaGate, denn im Museum war u.a. eine Installation entfernt worden, weil darauf eine Künstlerin lasziv Bananen isst. Zu gefährlich für die Jugend, befand der Direktor. Zensur, sagen die Demonstranten.

Eine Frau balanciert einen Turm aus Bananenschalen auf dem Kopf, ein Mann hat sich die Haare gelb gefärbt. Sie gehören zu den Hunderten Demonstranten, die sich am vergangenen Montagabend vor dem Nationalmuseum in Warschau versammeln, um gemeinsam Bananen zu essen. Die meisten sind jung, sie tragen alternative Kleidung und kurz geschnittene Pony-Frisuren. Sie unterhalten sich in Grüppchen oder schießen Selfies. Nur vorne, am Tor zum Museum, steht ein Demonstrant und hält ein Schild in die Höhe, auf dem steht: "Direktoren in die Museen, keine Zensoren. Miziołek muss zurücktreten!"

Jerzy Miziołek, seit Ende November 2018 Direktor des Nationalmuseums, hat die Wut der Künstler und Liberalen im ganzen Land auf sich gezogen. Denn am 26. April ließ er zwei Installationen aus der ständigen Ausstellung der Galerie der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts kurzerhand entfernen. Sie würden sexualisieren, so Miziołek, und könnten deshalb der Entwicklung jugendlicher Besucher schaden. Damit, so jedoch die Demonstranten, bedrohte der Direktor die Kunstfreiheit und zensiere Werke feministischer Künstlerinnen. Miziołek lenkte schließlich ein. Allerdings nur auf absehbare Zeit.

Die Kunstwerke des Anstoßes

Eine der entfernten Installationen war Katarzyna Kozyras "Die Rückkehr der Frau Salomé" aus dem Jahr 2015, die andere zeigt Natalia Lach-Lachowiczs "Kunst des Konsumenten" aus dem Jahr 1975. Auf letzterem schiebt sich die junge Lach-Lachowicz (LL) genüßlich Bananen in den Mund, leckt sie ab, saugt an ihnen - und wurde so zum Vorbild für den aktuellen Bananen-Protest. Medienberichte warfen dem Museumsdirektor vor, er habe die Installationen auf Wunsch des Kulturministers entfernt. Miziołek bestreitet das. Er habe lediglich auf Klagen von Eltern reagiert. "Das ist ein Nationalmuseum und eine gewisse Thematik sollte nicht explizit gezeigt werden", sagte er der Warschauer Zeitung "Stołeczna".

Künstler und Kulturpolitik streiten seit Jahren

Polnische Museen geraten nicht zum ersten Mal in Konflikt mit der Kulturpolitik der Regierung. In Danzig war monatelang um die politische Ausrichtung des Museums des Zweiten Weltkriegs gestritten worden. Schließlich setzte das Kulturministerium den Direktor ab, weil dessen Darstellung von Geschichte zu wenig patriotisch gewesen sei. Später verkündete das Kulturministerium, die Donationen für das Europäische Solidarność-Zentrum in Danzig um 40 Prozent zu kürzen. Die Ausrichtung des Museums sei zu regierungskritisch. Aber auch, bevor die PiS an die Regierung kam, waren einzelne Künstlerinnen durch provokante Werke in Schwierigkeiten geraten. Dorota Nieznalzka zum Beispiel wurde 2003 zu sozialer Arbeit verurteilt, weil sie männliche Genitalien auf ein Kreuz fotomontiert hatte.

Rechnung ohne Möglichkeiten der Sozialen Medien gemacht

Die Demonstration am vergangenen Montagabend zeigte Wirkung. "Wir halfen mit dem Protest vor allem den Museumsmitarbeitern, die sich seit Monaten alleingelassen fühlen", sagt Marta Jalowska, eine der Organisatorinnen.

Es kamen auch Leute, die sonst nie demonstrieren und das finde ich wichtig: Es ist ein Zeichen, dass Kunstfreiheit den Warschauern am Herzen liegt.

Marta Jalowska

Noch am Abend des Protests veröffentlichte der Museumsdirektor ein Statement: Er habe sich entschieden, die Werke bis zum Beginn der Umgestaltung zu zeigen.

"Das ist nicht uns, sondern der Solidarisierung in den Sozialen Netzwerken zu verdanken", betont Jalowska. Auf Facebook, Twitter und Instagram veröffentlichten Nutzer Videos und Fotos, auf denen sie Bananen essen.

Künstlerin: "Die Kunst im Nationalmuseum soll bilden"

Für Karolina Wiktor ist das Einlenken des Direktors nur ein Scheinerfolg. Die Künstlerin des Duos "Sędzia Główny" erfuhr erst durch die Aufregung der vergangenen Tage, dass ihre Videoinstallation vor drei Wochen aus der permanenten Ausstellung des Nationalmuseums entfernt wurde. Das Video zeigt eine Live-Fernsehshow. Wiktor und ihre Kollegin Aleksandra Kubiak machen darin alles, was die Anrufer von ihnen verlangen. Ein Mann ruft an, er möchte, dass sich die Frauen ausziehen und ihre Brüste zeigen. Die Kunstinstallation sollte zeigen, wie sich minimale Macht auf die Menschen auswirkt. "Wir erhielten für diese Art von Kunst nationale und internationale Preise", sagt Wiktor.

Bei allem Respekt, ein Nationalmuseum ist ein Ort der Bildung, die Kunst hängt nicht hier, um gekauft zu werden. Und unsere Kunst bildet soziologisch.

Karolina Wiktor, zensierte Künstlerin

Alle sechs Monate eine neue Dauerausstellung?

Am 6. Mai werden auch Natalia LLs und Katarzyna Kozyras Werke wieder im Lager des Museums verschwinden. Direktor Miziołek kündigte an, die permanente Ausstellung alle sechs Monate zu verändern, "um das Publikum mit den reichen Sammlungen der modernen Kunst des Museums vertraut zu machen". Die nun so unrühmlich zu Ende gehende Dauerausstellung war sechs Jahre zu sehen. Über die Pläne des Museumsdirektors wundert sich die Künstlerin Wiktor:

Normalerweise bleiben solche Ausstellungen zehn bis zwölf Jahre unverändert. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Wechsel alle sechs Monate funktionieren soll. Wer soll das finanzieren?

Karolina Wiktor, zensierte Künstlerin

Wiktor befürchtet, dass Miziołeks Idee nur ein Vorwand ist, um die Ausstellung Stück für Stück konservativer zu machen. Denn ab Juni werden laut Nationalmuseum hauptsächlich polnische Malereien aus dem 20. Jahrhundert in der Galerie zu sehen sein.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. Mai 2019 | 07:15 Uhr

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