Hosman Der Traum des jungen Schäfers

22. April 2019, 21:00 Uhr

Cristian Manițiu ist 20 und Schäfer in einem Dorf am Fuße des Făgăraș-Gebirges. Anders als viele seiner Altersgenossen will er nicht weg aus Rumänien. Von der EU erhofft er sich dennoch Hilfe.

Auf dem Hof von Familie Manițiu im siebenbürgischen Hosman ist in diesen Tagen viel los. Im Minutentakt kommen Lämmer zur Welt. Der 20-jährige Cristi geht in Gummistiefeln aufmerksam zwischen den Mutterschafen umher. Wenn nötig, leistet er Starthilfe. Er dreht den Kopf eines frisch geborenen Lämmchens zum Euter der Mutter. Oder er nimmt eines der Tierkinder auf den Arm und gibt ihm einen Kuss. Cristi ist Schäfer in dritter Generation. Er sei von klein auf mit den Tieren vertraut, sagt er.

"Ich arbeite mit den Schafen aus Liebe. Die Tiere sind ein Teil von mir."

Cristian Manițiu

300 Schafe als Lebensgrundlage

Nüchtern gesehen bildet die Herde mit 300 Mutterschafen die Lebensgrundlage von Familie Manițiu. Cristi erklärt: "Wir halten die Tiere in erster Linie wegen des Fleischs und verkaufen die Osterlämmer. Hier im Dorf, aber auch in die Türkei und nach Italien. Die Milch kommt in einen Kühltank. Die verkaufen wir an eine Molkerei in der Stadt. Dafür bekommen wir zwei Lei pro Liter, also 0,45 Euro. Das ist sehr wenig. Denn wir melken von Hand, und es ist wahnsinnig viel Arbeit."

Cristi will Schäfer bleiben

Trotzdem kann sich Cristi kein anderes Leben vorstellen. Dabei geben um ihn herum immer mehr Bauern auf. Sie verkaufen ihre Tiere und gehen zum Arbeiten ins Ausland oder in die nahegelegene Boomtown Sibiu (dt: Hermannstadt). Oft sitzen ihnen Kredite im Nacken, für den Stromanschluss oder die neue Waschmaschine.

Bauern scheuen Bürokratie

Unterstützung von der EU? Ist für die meisten Kleinbauern in Hosman mit viel zu viel bürokratischem Aufwand verbunden. Das galt bislang auch für die Manițius. Doch nun meint der junge Schäfer: "Mein Ziel ist es ja, den Hof auf Bio umzustellen, damit unsere Produkte besser werden und sich leichter verkaufen. Dafür habe ich mir vorgenommen, Biohöfe in anderen europäischen Ländern zu besuchen, um von ihnen zu lernen. Und ich werde versuchen, EU-Förderung in Anspruch zu nehmen. Diese Fonds sind hilfreich, denke ich."

Leben auf der Stâna

Parallel hat Cristi ein Landwirtschafts-Studium in Sibiu aufgenommen. "Cioban", also Schäfer, das ist für ihn der schönste Beruf der Welt, auch und vor allem wegen der langen Sommer mit der Herde oben auf der Stâna, der Hirtenhütte. Und jetzt kommt Cristi ins Schwärmen: "Wir haben da oben eine einfache Holzhütte gebaut, mit Platz zum Schlafen und Kochen und einer Ecke zum Käsemachen. Wir leben über Monate von dem, was die Stâna (sprich: stüna) uns bietet, Milch, Käse, Fleisch, Wasser aus dem Brunnen. Wir haben also alles, was wir brauchen. Dazu einen unglaublichen Blick auf die Karpaten und den Olt-Fluss."

Berufsrisiko Braunbär

Immer öfter haben Cristi und die anderen Schäfer aber auch unangenehme Begegnungen oben auf ihren Hütten. Cristi klickt ein Video auf seinem Smartphone an. Der verwackelte Clip zeigt einen riesigen Bären, der sich auch von Cristis Rufen und von den fünf, zottligen Hirtenhunden, die ihn angreifen, nicht beeindrucken lässt. "Dieser Bär kam mir schon beängstigend nahe. Das war gefährlich. Ich hatte ganz schön Angst", bekennt Cristi, winkt dann aber lachend ab: "Berufsrisiko!" An seinem Entschluss, den Familienbetrieb und die Herde in die Zukunft zu führen, ändere das aber nichts. So bestimmt, wie Cristi das sagt, kann man ihm nur viel Glück wünschen.

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