Polen Die EU als Retter und ständige Bedrohung

30. April 2019, 06:54 Uhr

Cezary Rudnicki ist Bauer und lebt 80 Kilometer von Warschau entfernt. Die EU, sagt er, habe seinen Hof gerettet. Zugleich sei er wegen derselben EU fast bankrott gegangen. Misstrauen sei also angesagt.

Die Tür geht auf und zehn Paar Augen schauen Cezary Rudnicki an - voller Erwartung. Das sind meine Kühe, sagt er und führt stolz durch den kleinen Stall. "Ich habe Geld für die Sanierung bekommen. Das Wasser, die Größe der Boxen, das ist jetzt alles gemäß der EU-Vorschriften. Das war das einzige Geld, das ich genommen habe, vor elf Jahren."

Rudnickis Augen sind müde, seit 30 Jahren ist er Bauer. 30 Jahre lang um 5 Uhr aufstehen, die Kühe füttern und melken, auf dem Feld arbeiten, nachmittags wieder die Kühe. Und dabei immer rechnen, ob das Geld reicht.

Cezary Rudnicki ist 56. Rote Windjacke, Armeemütze, der kleine Mann wirkt zugleich kräftig - und ausgezehrt. Das Leben auf dem Land sei "ein hartes Stück Brot". Drei Kinder haben er und seine Frau großgezogen - in dem kleinen Haus im Dörfchen Spądoszyn, mit ihren 15 Hektar Land und den 22 Kühen.

Die EU hat seinen Hof gerettet

Warschau ist von hier knapp 80 Kilometer entfernt - Brüssel 1.300 Kilometer. Weit weg, und doch sei die Europäische Union präsent, sagt er. Sie habe seinen Hof gerettet. Zuvor sei die Situation tragisch gewesen für die kleinen Höfe.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie wir vor der EU über die Runden gekommen sind. Ich musste nebenbei in einer Baufirma arbeiten, um Geld dazu zu verdienen. Meine Frau war als Erntehelferin in Deutschland, auch harte Arbeit.

Cezary Rudnicki

Mit der EU seien stabile Preise und Fördergelder gekommen, erinnert sich Rudnicki. Und viel Bürokratie. Er zeigt auf einen Stapel Formulare, der heute in der Post war: Anträge für neue Gelder. Aber dennoch: "Jestem za", sagt er immer wieder: "Ich bin dafür."

Raus aus der EU nein – aber Misstrauen ist angebracht

Dass manche über einen Ausstieg aus der EU diskutieren, erscheint ihm kurzsichtig und dumm. Allerdings nicht, dass viele der Europäischen Union misstrauen.

Die EU ist ungerecht - die Förderungen zum Beispiel. Niemanden interessiert, dass die Bezüge in Polen geringer sind als in der alten Union, in Frankreich, in Deutschland.

Cezary Rudnicki

Da muss doch jemand in der EU-Führung aufmerksam werden und aktiv werden, dass das Geld für alle gleich ist.

Strafe wegen Verstoß gegen EU-Milchquote

Mehr als 100 Liter Milch geben seine Kühe pro Tag, vor ein paar Jahren waren es noch dreimal so viel - aber damit verstieß Rudnicki gegen die EU-Milchquote. Die Regelung - inzwischen abgeschafft - sollte den europäischen Markt vor einer Überproduktion schützen. Für Cezary Rudnicki war sie fast der Ruin.

Ich musste eine Strafe zahlen. 14.000 Złoty dafür, dass ich Milch produziert habe. Die wurde verkauft, nicht weggeschüttet. Aber ich musste dafür zahlen. Ich kann das nicht verstehen.

Cezary Rudnicki

14.000 Złoty Strafe (nach heutiger Umrechnung 3.300 Euro) bei einem Jahresumsatz von ungefähr 50.000 Złoty - Cezary Rudnicki unterdrückt Tränen, als er davon erzählt. Neues Geld hat er nicht mehr investiert, keine neuen Kredite aufgenommen - wer wisse schon, ob nicht wieder so ein Schlag kommt. Die EU ist für Rudnicki unberechenbar, eine ferne Macht, die nach Belieben gibt und nimmt.

Seinen Kindern empfiehlt er nicht, Bauer zu werden. Er selbst will nur noch durchhalten bis zur Rente. Und dann, wenn er Zeit hat: Reisen und endlich dieses Europa kennenlernen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr