Parlamentswahlen in Polen Danzig: Deutsche Vergangenheit als Wahlkampfthema

13. November 2020, 14:12 Uhr

Am 13. Oktober wählen die Polen ein neues Parlament. Die jüngsten Prognosen gehen davon aus, dass die regierende nationalkonservative PiS-Partei die Wahlen wieder gewinnen wird. Vor allem im ländlichen Raum ist sie stark. Anders sieht es in den Großstädten aus. Sie sind fast alle fest in Oppositionshand. So wie Danzig, dort wird gerade die deutsche Vergangheit zum Wahlkampfthema.

Deutsche Spuren im Straßenbild sind in Danzig keine Seltenheit. Alte deutsche Schriftzüge prangen an vielen Fassaden. Nicht nur deutsche Touristen interessieren sich dafür, auch die Danziger entdecken immer selbstbewusster das deutsche Erbe ihrer Stadt. Eine Fahrt in einer Retro-Straßenbahn von 1930 gilt als Attraktion. Mit der deutschen Aufschrift "Danzig" fährt sie wie selbstverständlich durch die Straßen.

PIS instrumentalisiert die Geschichte der Stadt

Das Staatsfernsehen TVP wirft der Stadt deshalb vor, ihre Nazi-Vergangenheit zu glorifizieren. Und zeigt historische Bilder der gleichen Bahn auf Danziger Straßen im Nazi-Look. Auch lokale PiS-Politiker, wie der Stadtrat Kazimierz Koralewski, schlagen in diese Kerbe: Als die Stadt noch deutsch war, bedeutete das für die polnische oder jüdische Minderheit Verfolgungen, ein Teil der Polen vergesse heute diese schwierige Geschichte, erklärt der Kommunalpolitiker.

Bürgermeisterin weist Vorwürfe zurück

Die Bürgermeisterin Aleksandra Dulkiewicz, von der Wählervereinigung "Alles für Danzig", weist den Vorwurf zurück, diesen Teil der Geschichte verharmlosen zu wollen. Sie hält ihn für reine Stimmungsmache der regierenden PiS-Partei gegen die Opposition. Sie will gegen das Staatsfernsehen wegen Verleumdung klagen.

Danzig ist Hochburg der Opposition

Historisches Haus in Danzig mit deutscher Reklame
Historisches Haus in Danzig mit deutscher Reklame Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Straßenbahn-Affäre ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie das Staatsfernsehen gegen Danzig mobil macht. Ähnlich wie die regierungsnahe Presse. Von "Danzigs Krieg gegen Polen" ist da zum Beispiel die Rede. Und man fragt unverhohlen, ob die Stadt wieder zu Deutschland gehören wolle. Danzig ist wie fast alle Großstädte eine Hochburg der Opposition. Die Ostseemetropole gilt dabei als besonders aufmüpfig, denn von hier stammen wichtige Oppositionspolitiker wie Lech Wałęsa oder Donald Tusk. Das sieht auch der Historiker Janusz Marszalec so:

Danzig ist eine Bastion der Unabhängigkeit. Das gefällt der PiS-Regierung nicht. Daher diese Angriffe und die Hetze. Deshalb zeigt man Danzig als eine Stadt, die sich mit den Deutschen verschwört.

Janusz Marszalec, Historiker

Auch 80 Jahre nach Kriegsbeginn glaubt man in Polen offenbar, mit antideutschen Losungen Stimmen gewinnen zu können.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 04. Oktober 2019 | 17:45 Uhr

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