Polen Brüssel als Imperium - Ansichten eines Nationalisten

24. April 2019, 08:30 Uhr

Arkadiusz Zaborowski lebt in einem kleinen Städtchen im östlichen Polen und ist bekennender Nationalist. Am Anfang, sagt er, sei die EU ja ganz nett gewesen, die Fördergelder hätten auch geholfen. Aber inzwischen zeige sich doch immer mehr, dass es sich dabei um eine Art modernes Expansionsprojekt von Deutschland und Frankreich handele. Pole sein bedeutet für ihn, für die polnische Nation (nicht den Staat) zu kämpfen, und das stehe einer liberalen Einmischung von außen entgegen.

Arkadiusz Zaborowski steht vor dem Restaurant, als würde er Wache schieben. Stabiler Stand, durchgedrückter Rücken, die Hände dahinter verschränkt. Drinnen findet eine Familienfeier statt. Zaborowski führt zu einem Tisch etwas abseits und erzählt, er sei 33 Jahre alt und lebe schon sein ganzes Leben hier in Skarszewy, einem 7.000-Einwohner-Städtchen unweit von Malbork, im Norden Polens.

Von der Allpolnischen Jugend zur Nationalen Bewegung

Sein Geld verdient er damit, in einer Süßigkeitenfabrik die Bonbonmasse anzurühren. Er darf aber als Diabetiker selbst keine Süßigkeiten essen. Aber er ist heute nicht hier, um über Bonbons zu sprechen. Ihm geht es um die Nation.

Ich habe bei der Allpolnischen Jugend angefangen. Die politische Arbeit war dann eine natürliche Folge daraus. So bin ich zur Ruch Narodowy gekommen, der Nationalen Bewegung.

Arkadiusz Zaborowski

Die Ruch Narodowy ist eine polnische Kleinstpartei, die über eine gemeinsame Liste mit anderen Parteien fünf Abgeordnete im polnischen Parlament, dem Sejm, hat. Nationalismus ist ihr Programm, und ein Nationalist sei auch er, sagt Arkadiusz Zaborowski. Er trägt Karo-Hemd und einen grauen Pullover darüber, der Kopf ist frisch rasiert, bis auf eine schmale Haarinsel in der Mitte, die Zaborowski für einen strengen Scheitel benötigt.

Die Liebe zur Nation geht ihm über alles

Dem Nationalisten, erklärt Zaborowski, gehe die Liebe zur Nation über alles.

Ich bin Pole, also muss ich etwas tun für Polen. Das beginnt ganz klein, auch karitativ. Nicht nur für Polen hier, sondern auch im Ausland.

Arkadiusz Zaborowski

Jeder könne irgendwie der Nation dienen, sagt Arkadiusz Zaborowski. "Der Sportler macht mit seinen Leistungen die Nation stolz, der Arbeiter arbeitet zum Beispiel im Bergwerk, damit es polnische Kohle gibt."

Die PiS-Partei zu liberal

Die national-konservative Regierungspartei PiS lehnt er ab - die spiele nur mit dem Nationalismus, sei aber noch viel zu liberal. Und die Europäische Union? 2004, als Polen Mitglied wurde, habe er sehr gemischte Gefühle gehabt: "Ich war sehr skeptisch, auch wenn meine Ansichten damals noch nicht so gefestigt waren wie heute. Ich habe das befürchtet, was man heute beobachten kann: den Verlust der polnischen Unabhängigkeit."

"Polen wird überall benachteiligt"

Polen werde überall benachteiligt. Pflanzenschutzmittel seien hier teurer und schlechter als in Deutschland. Das Waschpulver rieche nicht so gut wie woanders. EU-Gelder würden in absurde Projekte investiert, und auch der freie Markt nütze Polen wenig. Das habe er selbst gesehen.

Dank der EU habe ich ein viermonatiges Praktikum gemacht - in Deutschland. Dort habe ich gesehen: Kleinere Firmen können jetzt zwar ins Ausland verkaufen, aber sich gegen die Konkurrenz kaum durchsetzen.

Arkadiusz Zaborowski

Und mit dem Markt, fährt Zaborowski fort, habe die EU auch die Grenzen in der Schengen-Zone geöffnet. "Das Problem ist nicht die Migration, das Problem sind die Migranten."

"Brüssel mischt sich ein"

Ja, Polen habe viel Geld von der EU bekommen. Am Anfang sei das gut gewesen. Aber inzwischen mische sich Brüssel ein, wenn es um Rechtsstaatlichkeit geht und um die Rechte von Homosexuellen zum Beispiel, sagt Zaborowski. Da bekomme er Angst um seine Kinder - also die, die er vielleicht mal haben werde.

Das alles geht in Richtung eines großen Staats, eines Imperiums, das Macht über andere, schwächere Länder haben will - nicht mittels Krieg, sondern über die Wirtschaft.

Arkadiusz Zaborowski

"Ich bin deshalb für den Austritt Polens aus der EU", sagt Arkadiusz Zaborowski und verabschiedet sich. Auf dem Heimweg, draußen vor dem Restaurant, geht er vorbei an einem großen Schild der EU: "Dieses Haus wurde saniert mit europäischen Mitteln." Arkadiusz Zaborowski schaut nicht hin.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 09:00 Uhr

Der Reporter

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