Slowenien Der Bestsellerautor und seine Warnung an die EU

22. April 2019, 21:00 Uhr

Goran Vojnović ist in Slowenien ein bekannter Autor und Regisseur. Sein Romandebüt über Einwanderer war vor zehn Jahren ein Bestseller. Die EU möchte er gern bewahren. Auch, wenn er einiges an ihr zu kritisieren hat.

Ljubljana, im Café des Ethnografischen Museums. Fast jeder Tisch in der Kavarna mit rotem Ziegelgewölbe und dicken Stahlrohren ist besetzt.

Tritt er ein, gibt es ein Hallo von allen Seiten: Goran Vojnović - Buchautor und Filmemacher, dekoriert mit Sloweniens höchstem Literaturpreis.

Warum der große, schlaksige 38-Jährige in Sweatshirt und Jeans in dieses Café lädt? Er wohne gleich um die Ecke, sagt Goran, und er treffe gern Leute hier, beruflich wie privat. "Es ist gemütlich. Jeder passt her: Alt und Jung, alternativ oder Mainstream, Leute mit Kindern oder mit Hunden. Ein fröhlicher Ort, den alle mögen."

Finden denn wie im Café auch in der EU alle einen Platz?

Ich befürchte, nein. In Slowenien hat man ein Gefühl der Isolation, dass wir in Brüssel nicht existieren, in Paris und Berlin nicht gehört werden.

Goran Vojnović

Das betreffe besonders die Künstler, findet Goran und nippt an seinem Espresso. "Als Intellektuelle sind wir gefangen in diesem kleinen Land. In Jugoslawien hatten wir noch ein größeres Publikum. Ist mein Buch in Slowenien ein Bestseller, existiere ich deshalb noch nicht in Triest oder Graz. Ich musste erst ins Russische und Polnische übersetzt werden, bevor das Italienische kam - zehn Jahre später!"

Vojnovićs Thema schon vor zehn Jahren: Migration

Gorans Café liegt in der Metelkova-Straße, d e r Szene-Adresse in Sloweniens Hauptstadt. Der Autor gilt vielen als enfant terrible dieser Szene. Der Aufreger sind seine Themen: zum Beispiel der rüde Umgang der Behörden mit Einwanderern nach dem Zerfall Jugoslawiens. Sein inzwischen auch von ihm selbst verfilmtes Romandebüt "Čefurji raus!" (das ist der Originaltitel - d.Red.) brachte ihm vor zehn Jahren neben dem oben erwähnten Literaturpreis eine Strafanzeige des Polizeipräsidenten ein.

Neuer Film über Flüchtlingswelle

Das Thema Migration ist geblieben. Goran dreht gerade einen Film darüber, wie die jüngste Flüchtlingswelle die Menschen verändert hat.  

Gemäßigte Leute werden extremer. Wir werden inhumaner gegenüber den Geschichten anderer, die zwei Blöcke weiter wohnen, gleichgültiger. So kann Faschismus wachsen. Das macht mir Sorgen.

Goran Vojnović

Viele haben sich dem Nationalismus zugewandt wie in Ungarn. Eine Option für Slowenien?

Da sei er sich nicht sicher, antwortet Goran. "Wir sind eine sehr introvertierte Nation. Unsere extreme Rechte wird immer schwächer. Ich bin sehr stolz darauf, dass sie so eine miserable Partei ist und kein Kapital aus der Lage schlägt. Aber das Blatt kann sich wenden." (*)

Europa erstmal bewahren

Früher sei er nur auf Fernreisen Europa-Fan gewesen, sagt Goran. Doch er habe sich verändert.

Vor ein paar Jahren war ich sehr EU-kritisch. Aber damit stand ich auf derselben Seite wie die Brexit-Befürworter, die Orbáns und Salvinis. Jetzt finde ich, wir sollten Europa erstmal bewahren, bevor wir es kritisieren. Denn es ist immer noch unsere beste Alternative.

Goran Vojnović

Diese Erkenntnis, meint Goran, schlage sich hoffentlich bei den Europa-Wahlen nieder.

Man kann Europa auch verlieren

Goran will Richtung Europa. Der junge Familienvater nutzt viele europäische Förderprogramme und zahlt gern mit Euro. Er habe schon das Land seiner Kindheit - Jugoslawien - verloren, nun nicht auch noch Europa. "Bei diesen Wahlen sollten wir die Menschen aufschrecken. So, dass sie fühlen, sie können Europa, alles, was sie haben, verlieren."

Sie denken noch, diese Art Leben gehe ewig weiter. Aber Krieg sieht man nicht nur in Filmen, er kann passieren!

Goran Vojnović

Westeuropa muss sich ändern

So sollte auch Westeuropa sich bewegen, setzt Goran der EU ein Ziel für die kommenden fünf Jahre.  

Die EU basiert stark auf westlichen Werten. Wenn sie Bestand haben will, sollten ihre westlichen Mitglieder auch Werte der neuen Länder verinnerlichen.

Goran Vojnović

Nur das könne uns retten, ist sich Goran sicher. "Wir hatten die Menschen vor 15 Jahren bei der Osterweiterung. Jetzt müssen wir sie zurückgewinnen und zeigen: Wir kümmern uns um Euch!" Sonst würden die Orbáns stärker und mehr. "Dann werden die uns aus der EU kicken", sagt der Schriftsteller Goran Vojnović in Ljubljana. Ein Plädoyer für Europa, das nicht mehr aus dem Kopf geht.

(*) Das Interview wurde vor der Gründung der "Domovinska liga" (Heimatliga) geführt, einer weiteren rechtspopulistischen Partei in Slowenien.

 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 05:00 Uhr