Slowenien Die Bienenfrau und die Axt im Honig

03. Mai 2019, 06:36 Uhr

Verena Štekar-Vidic ist Kuratorin im Bienenmuseum Radovljica. Dass die EU schaut, was die einheimischen Politiker so treiben, sei ganz gut, meint sie augenzwinkernd. Nur für die Bienen, da könnte die EU noch mehr tun.

Im Bienenmuseum von Radovljica summen sie noch vom Tonband. Erst ab Mai will die neue Direktorin im Museumsgarten selbst Bienen züchten. In einer Kabine kann man solange einer echten Königin zuhören. Wobei - Verena Štekar-Vidic präzisiert:

In einer Bienenfamilie sind ungefähr 80.000 Bienen. Die wichtigste, das ist die Königin – in der deutschen Sprache. In der slowenischen aber Mutter oder Mutti.

Verena Štekar-Vidic

Das sei keine Autokratie, fügt sie lachend hinzu, sondern Demokratie. Verena geht auf die 60 zu, trägt kurze blonde Haare, eine schwarzgeränderte Brille und immer ein junges Lächeln im Gesicht. Ihr Museum ist 50 Kilometer nordwestlich von Ljubljana in einem Barockpalast untergebracht.

Bienen sind Slowenien wichtig. Unterstützt von der gesamten EU hat das Land 2018 den 1. Welt-Bienen-Tag initiiert. Gut fürs slowenische Selbstbewusstsein, doch Verena ist das große Ganze wichtiger. Naja, sagt sie, stolz sei man ja. "Aber wo sind die Grenzen von dem, was wir mit der Natur machen?"

Bienenverrücktes Slowenien

Das Lied von der Biene Čebela Adele kennen wohl auch die 11.000 Imker Sloweniens. Bei zwei Millionen Einwohnern sind das viele, für die die Biene längst ein Politikum ist. Ihr Land bietet dem Insekt noch genug üppige Wiesen, die anderswo durch Mono-Kulturen zerstört sind. Slowenien ist ein bienenverrücktes Land: Hier wurde eine 2-Euro-Münze mit einem Globus aus Waben geprägt. Hier macht man Urlaub im Honigdorf.

Slowenischer Bauernsohn als Imker-Vater Mitteleuropas

Berühmt wurde die slowenische Imkerei durch Anton Janša, einen Bauernsohn, der nach Wien zog, um Maler zu werden. Dort fiel sein wahres Talent auf: Er wurde kaiserlicher Hof-Imker und 1770 Direktor der 1. Bienenzuchtschule. Seine Bienenbücher sind Klassiker. "Anton Janša schrieb diese Bücher in deutscher Sprache und deswegen verbreiteten sich diese Theorie und Praxis in ganz Mitteleuropa", erzählt Verena.

Krainer Biene – brav und nicht aggressiv

Summ, summ, summ singen auch slowenische Kinder. Einmal im Jahr wird ihnen allen ein Honigbrot serviert. Das Projekt ist heute länderübergreifend als "Europäisches Honigfrühstück" bekannt.

Slowenische Bienen summen übrigens  nicht in Körben, sondern in länglichen Holzkisten. Deren Vorderklappen heißen Bienenstock-Stirnbretter und sind bunt bemalt – mit je einem von 600 bekannten Motiven.

Verena hat unzählige dieser Bretter im Museum. Und dazu ein flauschiges Modell der hier heimischen Krainer Biene. Die ist ganz unauffällig: nicht gelb, nicht schwarz, sondern grau. "Sie ist sehr brav. Ruhig, nicht aggressiv."

Zu brav ist auch nicht richtig

Damit passt die Krainer Biene bestens zu Slowenien. Denn das Land gilt als Musterschüler der EU. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit ist gering, die Löhne liegen höher als in Portugal. Zu brav aber sollte Slowenien auch nicht sein.

Unsere Stimme ist nicht so laut, aber sie muss sein, nicht nur bei der Biene!

Mit EU-Beitritt Axt in den Honig gefallen

Mit dem EU-Beitritt 2004, findet Verena, sei Slowenien einem in Jugoslawien verbreiteten Sprichwort zufolge "die Axt in den Honig gefallen". Denn der Schritt habe Glück und Erfolg gebracht.

Die Grenzen waren weg. Die Prosperität des Lebens ist besser. Die Studenten - es gibt Erasmus für sie. Das ist gut.

Aber seitdem drehe sich die Zeit schneller für sie. Sie sei im Sozialismus geboren, sagt die 60-Jährige.

Was ich fühle, ist, dass sich die Beziehungen der Menschen verändert haben. Wir arbeiten länger. Das Leben ist nicht so ruhig wie es war.

Diese Entwicklung sei nicht gut für sie, meint sie lachend. In der EU zu sein, das habe Vor- und Nachteile.

Augenzwinkernd Mitspracherecht für Europa

"Ich respektiere Europa sehr", betont Verena. "Wir sind ein Stein des Mosaiks. Wenn etwas in der Welt nicht gut geht, geht es auch bei uns nicht. Aber Europa ist für das kleine Slowenien gut."

Es ist gut, dass Europa manchmal sagt, wie es besser ist, unsere Politik zu führen.

Mit diesen Worten gesteht Verena Brüssel augenzwinkernd eine Mitsprache in Slowenien zu. Doch die EU müsse sich noch mehr einsetzen - für die Bienen. Sie denke, da sollte viel mehr getan werden: "Das ist ein Thema für‘s Parlament."

Das Europäische Parlament hat Brüssel bereits aufgefordert, ab 2020 die Bienen-Fördermittel um 50 Prozent aufzustocken. Ein Motiv mehr für Verena Štekar-Vidic, ihre Stimme bei der Europawahl abzugeben. Sechs Tage nach dem Welt-Bienen-Tag am 20. Mai, dem Geburtstag von Anton Janša.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. April 2019 | 05:00 Uhr