Andrej Babis
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Anti-Babiš-Demonstration Prag: Massenprotest am Ort der Samtenen Revolution

23. Juni 2019, 05:00 Uhr

Der Prager Wenzelsplatz ist mittlerweise zu klein für die Proteste gegen den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš. Deshalb haben die Organisatoren der nächsten Großdemo gegen Babiš auf den Letná-Hügel gerufen. Ein symbolischer Ort – trafen sich doch hier im November 1989 bis zu einer halben Million Menschen, um gegen die kommunistische Regierung zu demonstrieren. Diese Teilnehmerzahl wollen die Organisatoren am 23. Juni ebenfalls erreichen.

In Tschechien spitzen sich die Proteste gegen Regierungschef Andrej Babiš zu. Bei einer der größten Kundgebungen seit der demokratischen Wende von 1989 füllen Anfang Juni Zehntausende Demonstranten am Dienstagabend den zentralen Wenzelsplatz in Prag. Sie fordern den Rücktritt des Politikers. Die Veranstalter vom Netzwerk "Eine Million Augenblicke für Demokratie" sprechen sogar von 120.000 Teilnehmern. Der Wenzelsplatz erweist sich als zu klein - für die am Sonntag geplante Großdemonstration laden die Veranstalter nun zum historisch wichtigen Letna-Platz.

EU-Berichte belasten Ministerpräsidenten

Anfang Juni bekommt Babiš innerhalb einer Woche gleich zwei Mal negative Post von der EU aus Brüssel. Ihm wird vorgeworfen, als Unternehmer jahrelang unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert zu haben. Ein interner Rechnungsprüfungsbericht der EU-Kommission belastet Babiš. Bis zu 17,4 Millionen Euro an Fördermitteln kann die EU demnach für mit Babiš verbundene Firmen zurückfordern. Grund ist, dass der Politiker nach wie vor seinen Agrofert-Konzern kontrollieren soll und als Empfänger von Subventionen damit in einem Interessenskonflikt gestanden habe. Offiziell hatte Babiš seinen Konzern zu Beginn seiner Amtszeit an zwei Treuhandfonds übergeben. Im zweiten Schreiben heißt es, dass auch das tschechische Landwirtschaftsministerium EU-Agrarsubventionen in Millionenhöhe zu Unrecht erhalten habe.

Zahlungen an Agrofert Holding werden eingestellt

Landwirtschaftsminister Miroslav Toman verkündete umgehend, die Auszahlung von Geldern aus dem staatlichen Interventionsfond an die Agrofert Holding vorläufig einzustellen. Die Ergebnisse aus dem Bericht aber wies er im gleichen Zug zurück. Mindestens 2,5 Millionen Euro seien laut Agentur CTK seit Februar 2017 bereits ausgezahlt worden. Die Opposition begrüßte die Entscheidung, die Zahlungen zu stoppen, die aber zu spät komme. "Oligarchen in der Regierung sind ein Problem, das uns schadet", sagte der Abgeordnete Marek Benda von den Bürgerdemokraten (ODS).

Reaktion von Andrej Babiš auf die Vorwürfe

Der tschechische Regierungschef hat nach den Korruptionsvorwürfen massive Kritik an der EU-Untersuchung geübt. Im Parlament bezeichnete er die EU-Prüfer als "inkompetent" und ihr Verhalten als "skandalös". Er forderte ein Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Der Bericht ist äußerst fragwürdig. Ich betrachte ihn als Angriff auf die Tschechische Republik, als Angriff auf die tschechischen Interessen, als eine Destabilisierung des Landes.

Andrej Babiš

Politik oder Unternehmer? - "Andrej Babiš muss sich entscheiden"

Die Demonstranten sorgen sich, dass sich in Tschechien das Modell von Polen oder Ungarn wiederhole.  „Ein mächtiger Oligarch unterwirft sich den Staatsapparat und die Institutionen. Und wenn sich zeigt, dass er eigentlich zurücktreten sollte, dann kann er das nicht tun, weil ihm faktisch Gefängnis droht“, sagt Mikulás Minár, Mitorganisator der Demonstrationen. Andrej Babiš stecke in einer echten Klemme, meinen Vertreter von Transparency International. "Agrofert und Premierminister, das sind zwei Rollen die einfach nicht zusammenpassen. Andrej Babiš wird sich in Zukunft für eine entscheiden müssen", sagt Milan Eibl von Transparency International Tschechien.

Am 04. Juni 2019 waren mehrere Zehntausend Demonstranten auf den Wenzelsplatz gegangen. Sie forderten abermals den Rücktritt ihres Regierungschefs. Seit seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im Dezember 2017 kam es immer wieder zu Protesten gegen ihn. Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, dass der Politiker und Unternehmer, der sich selbst als Kämpfer gegen Korruption versteht, Fördermittel veruntreut hat. Noch immer untersucht die EU, inwieweit er für das Luxus-Hotel "Storchennest" 2008 bereits zu Unrecht EU-Fördermittel eingestrichen haben soll.

Demonstration am symbolischen Ort

Zur Großdemonstration am Letná-Platz am Sonntag rechnen die Veranstalter nun sogar mit Hunderttausenden Teilnehmern. Auf diesem Prager Hügel hatten sich am 25. und 26. November 1989, zur Hochzeit der "Samtenen Revolution", zwischen einer halben und einer Million Demonstranten versammelt.

Demo 1989 Letna Platz
26. November 1989: auf dem Letná-Platz versammeln sich zwischen einer und einer halben Million Demonstranten und protestieren gegen die Regierung. Bildrechte: imago/CTK Photo

(DPA/AFP/dh/adg/hd)

Dieses Thema im Programm MDR AKTUELL TV | 07. Juni 2019 | 17.45 Uhr

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