15. Mai 2019 Zündstoff im Russland-Ukraine-Konflikt: die Kertsch-Brücke
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Seit der Eröffnung der Kertsch-Brücke vor einem Jahr ist das Asowsche Meer zum Zankapfel zwischen Moskau und Kiew geworden. Viele der Schiffe, die ukrainische Häfen anlaufen wollen, sind zu hoch, um die Brücke zu unterqueren. Aber Russland versucht auch ganz offensichtlich, den ukrainischen Schiffsverkehr zu behindern.

Seit 2014 gibt es im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine mehrere Fronten. Zum einen die Konfrontationslinie im Donbass, zwischen dem von Kiew und dem von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiet. Hier wird auch vier Jahre nach dem Beginn des Donbass-Krieges geschossen. Zum anderen die diplomatische Front um die Krim: Seit der Annexion der Halbinsel im März 2014 erkennen die Ukraine sowie die meisten Staaten die Krim nicht als russisch an. Und seit einem Jahr hat sich die Situation durch die Eröffnung der Kertsch-Brücke zugespitzt.
Nachteile für ukrainische Wirtschaft
Sowohl Russland als auch die Ukraine haben Zugang zum Asowschen Meer. Der Schiffsverkehr zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer ist allerdings nur über die etwa 40 Kilometer lange Straße von Kertsch, zwischen der Krim und dem russischen Festland, möglich. Seit der Annexion der Krim kontrolliert Russland nun beide Seiten der Straße von Kertsch. Ein Problem für die Ukraine, denn für den Handel des Landes ist das Asowsche Meer durchaus wichtig: Mit Mariupol, der drittgrößten Stadt der Donbass-Region, die immer noch von der Ukraine kontrolliert wird, hat sie dort einen der wichtigsten Häfen.
Provokation von beiden Seiten
Weil Russland die Landverbindung zur annektierten Krim fehlte, hat Moskau im Mai 2018 die Kertsch-Brücke eröffnet. Die Ukraine protestierte zwar heftig gegen das gigantische Brückenprojekt, am Ende aber erfolglos. Je näher der Eröffnungszeitpunkt heranrückte, desto öfter kamen auch kleinere Provokationen von beiden Seiten vor. So brachte die Ukraine im Frühjahr ein russisches Fischerboot in Berdjansk auf und eröffnete gegen den Kapitän ein Verfahren wegen illegaler Einreise. Als Reaktion darauf setzte Russland die verantwortlichen Grenzpolizisten auf die internationale Fahndungsliste.
Schiffsverkehr halbiert
Durch die Kertsch-Brücke war die Lage für die ukrainischen Häfen Mariupol und Berdjansk umgehend schwierig geworden. Denn aus Sicherheitsgründen dürfen unter der Brücke nur Schiffe fahren, die nicht höher als 35 Meter sind. Nach Angaben Kiews kann deshalb nahezu die Hälfte der Schiffe, die früher Mariupol und Berdjansk anliefen, dort nicht mehr vor Anker gehen. Für Ihor Barskyj, Chef des Hafens Mariupol, eine schwierige Situation: "Wir verlieren gerade viele Kunden an Odessa, das dieses Problem nicht hat", beklagt er. Doch Russland behindere den ukrainischen Schiffsverkehr auch, indem es Schiffe nach Gutdünken kontrolliert. Die Wartezeiten können durchaus bis zu drei Tagen dauern.
Dramatischer Zwischenfall
Am 25. November 2018 kam es in der Straße von Kertsch, vor der Halbinsel Krim, zu einem dramatischen Zwischenfall: Die russische Küstenwache hatte drei ukrainischen Patrouillenbooten die Durchfahrt verweigert und dabei eines der Schiffe gerammt. Anschließend wurden die ukrainischen Schiffe aufgebracht und deren Besatzung verhaftet. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, den Zwischenfall provoziert zu haben. In der Ukraine wurde daraufhin jedenfalls das Kriegsrecht verhängt. Russland seinerseits sperrte die Straße von Kertsch, indem es einen Tanker direkt unter der Kertsch-Brücke positionierte. Der Schiffsverkehr kam zeitweilig zum Erliegen.
Entspannung?
Die Lage in der Meerenge von Kertsch hat sich mittlerweile ein wenig entspannt: Das Kriegsrecht in der Ukraine wurde aufgehoben und Russland hatte die Passage unter der Kertsch-Brücke nach wenigen Tagen wieder freigegeben. Die Seeleute der ukrainischen Patrouillenboote befinden sich allerdings weiterhin in Untersuchungshaft in einem Moskauer Gefängnis. Sie sehen sich als Kriegsgefangene. Es ist zu vermuten, dass die Straße von Kertsch und die über sie hinwegführende Brücke auch weiterhin ein Zankapfel zwischen Russland und der Ukraine sein werden.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Radio: MDR aktuell | 21.03.2019 | 12:00 Uhr