Mateusz Morawiecki
Erst vor wenigen Tagen besuchte Morawiecki seine Heimatstadt Breslau zu einer Wahlkampfveranstaltung. Nun bringt ihn die Grundstücksaffäre in Bedrängnis. Bildrechte: imago images/Eastnews

Immobilien-Deal, 21.05.2019 Unsaubere Geschäfte: Polens Regierungschef unter Beschuss

21. Mai 2019, 15:40 Uhr

Es ist ein schwerer Schlag ins Kontor der regierenden PiS. Über Jahre hat sie am Mythos der Saubermänner-Partei gestrickt, die mit den krummen Geschäften der Vorgängerregierungen abrechnet. Doch der gerät durch die Enthüllungen der liberalen "Gazeta Wyborcza" ins Wanken. Dem Blatt zufolge hat sich Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dank Insider-Informationen und Beziehungen enorm bereichert - auf Kosten der Allgemeinheit. Ein verheerender Vorwurf wenige Tage vor den Europawahlen.

2002 steht Morawiecki noch am Anfang seiner Karriere. Er hat erst eine kurze Episode als Politiker im Regionalparlament von Niederschlesien hinter sich und konzentriert sich stärker auf sein Fortkommen in der freien Wirtschaft - als frisch gebackenes Vorstandsmitglied einer großen Bank. Seine Heimatstadt Breslau zählt damals zu den Boomtowns Polens. Riesige Investitionen sind am westlichen Stadtrand geplant. Dort will man landwirtschaftliche Flächen für Wohngebiete und Industrie erschließen und eine Schnellstraße bauen. Wer über dieses Wissen und das nötige Kapital verfügt, kann sich eine goldene Nase verdienen, schreibt "Gazeta Wyborcza".

Blick auf Breslau
Breslau zählt zu den Boomstädten in Polen. Entsprechend schnell steigen die Grundstückspreise. Bildrechte: imago/CHROMORANGE

Morawiecki hat dem Blatt zufolge beides - und obendrein noch die nötigen Connections zur mächtigen katholischen Kirche. Von der kauft er nämlich 15 Hektar Land im besagten Stadtviertel. So konnte er ein äußerst lukratives Geschäft machen, denn dem Blatt zufolge ist der Marktwert dieser Flächen inzwischen auf das 100-fache gestiegen. Zwei Fakten seien dabei besonders pikant, hebt "Wyborcza" hervor.

Billigland aus Kirchenbesitz

Erstens handelt es sich um Flächen, die die Kirche selbst erst wenige Jahre zuvor vom Staat de facto geschenkt bekam. 1999 wurde in Polen ein besonderes Gesetz beschlossen. Es galt für Gebiete, die bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges - wie Breslau - zum Deutschen Reich gehört hatten. Heutige polnische Kirchengemeinden wurden zu Rechtsnachfolgern der ehemals bestehenden deutschen Pfarreien erklärt - und bekamen das Recht, bis zu 15 Hektar Land aus dem ehemaligen deutschen Kirchenbesitz vom Staat "zurück" zu bekommen.

Kardinal Henryk Gulbinowicz
Kardinal Gulbinowicz soll Morawiecki den heißen Tip für den Grundstückskauf gegeben haben. Bildrechte: imago/Eastnews

Um genau solchen Kirchenbesitz handelt es sich auch bei den 15 Hektar Land, die Morawiecki 2002 erwirbt. 1999 wurden diese Flächen nämlich einer Breslauer Kirchengemeinde vom Staat übereignet. Die Gemeinde verkauft sie nur wenige Jahre später an Morawiecki weiter. Das Geschäft kommt offenbar zustande, weil der damalige Erzbischof von Breslau, Kardinal Henryk Gulbinowicz, Morawiecki den heißen Tipp gibt und den Verkauf auch genehmigt. Der Kardinal soll mit der Familie Morawiecki privat befreundet gewesen sein.

Kaufpreis deutlich unter Marktwert

Der zweite pikante Fakt laut "Gazeta Wyborcza": Der Kaufpreis liegt schon damals bei einem Bruchteil des tatsächlichen Marktwertes. 700.000 Zloty (knapp 163.000 Euro nach heutigem Kurs) zahlt Morawiecki für das Land. Das geht aus dem Kaufvertrag hervor, den "Wyborcza" abdruckt. Gutachter setzen dessen Wert aber schon für den damaligen Zeitpunkt gut fünf Mal höher an. Inzwischen hat sich der noch weiter gesteigert. Immobilienexperten zufolge könnte Morawiecki - beziehungsweise seine Ehefrau, auf die er die Grundstücke zu Beginn seiner Karriere in der landesweiten Politik 2013 übertragen hat - dafür heute sogar 70 Millionen Zloty bekommen. Das wären 100 Mal mehr als ursprünglich bezahlt!

Schnellstraße macht Immobilie zu Goldgrube

Pkws und Lkws auf einer Autobahn
Auf einem Teil des Grundstücks der Morawieckis soll eine Schnellstraße entstehen (Symbolbild). Bildrechte: imago/Panthermedia

Der Grund: Auf einem Teil des Grundstücks soll eine Schnellstraße gebaut werden, auf dem Rest sind Wirtschaftsansiedlungen geplant, schreibt "Wyborcza". Alle Indizien sprechen nach Ansicht der "Wyborcza"-Reporter dafür, dass Morawiecki das schon vor dem Kauf gewusst hat. Auch wenn der örtliche Bebauungsplan für das Gebiet erst 2003 beschlossen wurde, so hätten die Arbeiten daran bereits 2001 begonnen. Morawiecki habe als ehemaliger Abgeordneter des Regionalparlaments gute Kontakte zu den wichtigsten Beamten der Stadtverwaltung gehabt. Dank Insider-Wissen und Beziehungen habe Morawiecki also ein hervorragendes Geschäft gemacht, so das Blatt.

Affäre könnte Wahl vermasseln

Der Ministerpräsident wirft der Zeitung Lüge und "Manipulation" vor. Allerdings erklärt er nicht, welche konkreten Stellen in dem Bericht falsch sein sollen. Stattdessen kündigte der Regierungschef eine Klage gegen "Wyborcza" an.

Dennoch sorgt der Bericht in Polen für Empörung. Und die kann die regierende PiS-Partei so kurz vor der Europawahl am kommenden Sonntag nicht gebrauchen - vor allem nachdem die Affäre um pädophile Priester die Umfragewerte der Partei bereits deutlich sinken ließ. Für die PiS, die lange Zeit in den Umfragen führte und sich nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Opposition liefern muss, ist das ein Deasaster - es könnte der Partei den vor kurzem noch sicher geglaubten Wahlsieg kosten.

Um die Wogen zu glätten, kündigte Morawieckis Ehefrau deshalb an, sie werde denjenigen Teil des Grundstücks, auf dem die Schnellstraße entstehen soll, zum Einkaufspreis von 2002 an die Stadt verkaufen, zuzüglich Inflationsausgleich. Das eingenommene Geld werde sie für einen charitativen Zweck spenden.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 24. Mai 2019 | 17:45 Uhr

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