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MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche (Folge 47)Podcast-Transkript: Frauengefängnis Hoheneck - Streit um die neue GedenkstätteAudiotranskription

Folge 47: Im Frauengefängnis Hoheneck wurden zu DDR-Zeiten tausende Frauen inhaftiert. Das ehemalige Gefängnis soll in diesem Jahr zu einer Gedenkstätte werden. Doch über dieses Vorhaben gibt es eine heftige Diskussion.

Esther Stephan (ES): Sie hören den Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Ich bin Esther Stephan und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. Im Frauengefängnis Hoheneck im Erzgebirge, da waren zu DDR-Zeiten Tausende Frauen inhaftiert. Der Begriff Hoheneckerinnen steht heute noch synonym für Frauen, die aus politischen Gründen in der DDR verhaftet wurden. Noch in diesem Jahr soll aus dem ehemaligen Gefängnis eine Gedenkstätte werden. Und um die gibt es eine heftige Debatte: Wie kann eine moderne Gedenkstätte aussehen, ohne die Erinnerungen an die Schrecken des Ortes zu tilgen? Darüber spreche ich mit der Journalistin Natalie Meinert, die für MDR Exakt zu Hoheneck recherchiert hat. Hallo Natalie!

Natalie Meinert (NM): Hallo!

ES: Ganz ehrlich gesagt - und das mag an meinem Alter liegen - ich habe, bevor ich deinen Film gesehen habe, mich noch nie mit dem Komplex Hoheneck beschäftigt. Kannst du mir erzählen, was es mit diesem Gefängnis in dem ehemaligen Schloss auf sich hat?

NM: Also das war ein Gefängnis im Erzgebirge. Und es hat eine sehr lange und komplexe Geschichte. Also das wurde ja schon 1862, das erste Mal erwähnt, als sächsisches Weiberzuchthaus. Dann war es im Ersten Weltkrieg ein Reservelazarett. Und ab 1933 haben dort die Nationalsozialisten Männer inhaftiert. Unter anderem eben Widerstandskämpfer. Ab dem Zweiten Weltkrieg wurde es dann eben ein Frauengefängnis in der DDR. Und zwischen 1950 und bis zur Wende waren da etwa 24.000 inhaftierte Frauen, allein davon, von den 24.000 waren 8.000 etwa politisch Inhaftierte.

ES: Okay, du sagst politisch inhaftiert. Was genau wurde denn diesen Frauen, die in der DDR dort inhaftiert wurden, vorgeworfen?

NM: Also bei den politisch Inhaftierten dreht er sich häufig um Republikflucht. Also sie haben es selbst versucht oder Pläne geschmiedet zur Flucht oder eben so Mithilfe. Wir haben zum Beispiel mit einer ehemals Inhaftierten gesprochen. Die hat Ende der Siebziger Ausreiseanträge gestellt und sich auch ein Jahr später an die UNO gewandt. Dafür wurde sie halt inhaftiert. Und eine andere Frau, Constanze Helbert zum Beispiel, die auch in dem Beitrag zu sehen ist, sie wollte im Kofferraum versteckt rübermachen. Und wurde an der Grenze erwischt.

ES: Okay, und dann ist sie ins Gefängnis gekommen. NM: Genau. ES: Wie sahen denn die Haftbedingungen aus?

NM: Also das ganze Leid zusammenzufassen, finde ich sehr schwierig. Ein Faktor ist natürlich die Kälte. Das Gebäude ist über 100 Jahre alt, da lag die Durchschnittstemperatur im ganzen Jahr bei etwa 14 Grad. Im Winter war es natürlich bitterkalt dort, und die Dächer waren nicht selten undicht. Das war also ständig kalt und feucht dort. Besonders in den ersten Jahrzehnten der DDR war das Gefängnis ständig überbelegt. Viele Frauen mussten sich kleine Zellen teilen, und in dieser Zeit gab es in Hoheneck für die Inhaftierten auch nicht so viel zu essen. Und auch die Qualität des Essens war - naja, eine Frau bezeichnete es uns gegenüber als etwas, was man eben auch Hunden gibt, also Hundefutter. Hinzu kamen die Zwangsarbeit, die Zwangsarbeit im Akkord. Es war also ein Drei-Schichten-System, und dann mussten die Frauen manchmal eben nachts oder frühmorgens, je nachdem, wie ihre Schicht war, aufstehen und dann stundenlang arbeiten.

ES: Was haben die da gearbeitet?

NM: Die haben unter anderem eben Bettwäsche und Strümpfe hergestellt für den Export in den Westen. Also, die haben da ganz viele Waren für den Westen hergestellt. Also Kälte, Zwangsarbeit… Dann gab es natürlich auch harte Strafen bei den wirklich kleinsten Vergehen. Zum Beispiel eine Frau, Annemarie Krause, auch in dem Beitrag, hat uns erzählt, dass sie einen Schlüpfer sich gestrickt hat in den Fünfzigern, weil sie keine Unterwäsche hatte und dafür wurde sie wochenlang in Isolationshaft daraufhin gesperrt, als der gefunden wurde. Und der letzte Punkt, den ich auch sehr wichtig finde, ist: In Hoheneck waren ja nicht nur politische Gefangene, das habe ich ja am Anfang gesagt. Dort waren auch zahlreiche Gewalttäterinnen Mörderinnen und so weiter. Und das war in der DDR bekannt. In Hoheneck, da kommen die Mörderinnen hin. Man hat also die politisch Inhaftierten systematisch zusammengelegt, in Zellen mit den Mörderinnen, damit die politisch Gefangenen noch mehr Angst bekommen, eingeschüchtert werden und wenn sie irgendwann rauskommen sollten, halt Angst haben, da halt wieder herzukommen. Man muss aber auch dazu sagen, dass in den Achtzigern hat sich die Lage dann in Hoheneck etwas gebessert. Es gab mehr und besseres Essen, und die Zellen waren nicht mehr so überfüllt. Das lag daran, weil es mehrere Besichtigungen von UN-Kommissionen Hoheneck gab. Und da hat sich die Lage einfach verbessert.

ES: Ich habe vorhin in der Anmoderation gesagt, dass Hoheneckerinnen heute so für politisch Inhaftierte steht. Du hast aber gesagt, dass auch in der DDR bekannt war, dass in Hoheneck auch Mörderinnen zum Beispiel inhaftiert waren. Heißt das, dass diejenigen, die in Hoheneck wandern, auch in der DDR stigmatisiert waren? Oder war das einfach nicht so diskutiert?

NM: Das weiß ich leider nicht genau. Ich weiß einfach, es gab diesen Ruf. Da kommen eben Mörderin hin. Weil Hoheneck einfach auch das größte Frauengefängnis in der DDR war. Und dementsprechend gab es da natürlich ein großes Sammelsurium an unterschiedlichen Inhaftierten.

ES: Du hast eben schon von Annemarie Krause gesprochen, die sich den Schlüpfer gestrickt hat. Du und Tim Schulz, ihr habt zusammen diesen Film gemacht. Ihr habt Annemarie Krause getroffen. Warum genau war die inhaftiert?

NM: Annemarie Krause hat die erste Zeit in Hoheneck miterlebt. Sie ist direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, hat sie sich als junges Mädchen in einem Sowjetsoldaten verliebt. Sie haben ein Kind bekommen und wollten in den Westen. Die Pläne sind halt aufgeflogen, und daraufhin kam Annemarie Krause vors sowjetische Militärtribunal. Ihr Partner wurde in einen Gulag gesteckt, und ihr wurde vorgeworfen, dass sie ihm bei der Fahnenflucht geholfen hat. Dementsprechend wurde sie dann zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt und ist dann nach ein paar Monaten in verschiedenen Gefängnissen und Straflagern schließlich 1950 in Hoheneck gelandet.

ES: Hat sie nach der Haft ihren Partnern noch einmal getroffen?

NM: Den hat sie leider nicht mehr getroffen. Der ist zwar lebendig aus dem Gulag wieder rausgekommen, nach mehreren Jahren. Hat dann selbst noch einmal eine Familie gegründet, eine Zweitfamilie, aber ist dann irgendwann gestorben. Das Schöne ist aber, dass eben die Zweitfamilie dann nach seinem Tod Annemarie Krause gesucht hat, auch über eine Art Fernsehformat. So eine Art "Vermisst" oder so. Und sie dann gefunden hat. Und seitdem stehen sowohl sie, als auch ihre Tochter, noch in Kontakt mit der anderen Familie.

ES: Das ist schön! Bevor es dann aber jetzt ja doch halbwegs gut ausgegangen ist, war sie eben in Hoheneck in Haft. Was hat sie da erlebt? Du hast schon gesagt, offensichtlich sehr viel Kälte, wenn sie sich selber Unterwäsche gestrickt hat.

NM: Genau sie war drei Jahre lang in Hoheneck, kam 1953 raus, Gottseidank früher. Sie hat, wie gesagt, die schlimme Anfangszeit erlebt. Also es gab um 1950 herum unfassbar viele sowjetische Militärtribunale, wo halt so Schnellurteile gefällt worden sind. Da wurden massenhaft Leute hingeschickt und dann schnell verurteilt, damit sie schnell in Straflager oder Gefängnisse geschickt werden konnten. Und Annemarie Krause war eben eine von ihnen. Und wie gesagt, extreme Kälte, es war absolut überfüllt, hat sie uns auch berichtet. Man musste teilweise auf dem Boden schlafen, eben auch Zwangsarbeit und wenig Essen.

Unter dem Dach haben wir geschlafen im Winter. In den Wintern war alles weiß an den Ziegeln. Wir hatten nur einen Strohsack und zwei Decken nur. Da war die Wachtmeisterin und die hat gesagt, wenn es eine Gerechtigkeit Gottes gäbe, dann müssten wir alle verreckt sein. Ich habe hassen gelernt. Weil die uns so schikaniert haben.

Annemarie Krause

NM: Was dann aber passiert ist, warum sie auch früher herausgekommen ist, ist, dass 1953, sie und zahlreiche andere Frauen in Hoheneck in einen Hungerstreik getreten sind. Und damit forderten, dass sie früher rausgelassen werden oder zumindest sich die Konditionen dort in Hoheneck verbesserten. Das hat dann auch funktioniert. Annemarie Krause und noch 100 andere Frauen sind dann eben vorzeitig freigelassen worden.

ES: Wie geht es Ihnen jetzt heute mit ihren 91 Jahren? Wie blickt sie auf diese Zeit zurück?

NM: Sie lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Stollberg, auch im Erzgebirge. Dort also, wo Hoheneck liegt, ist da eigentlich nie weggezogen. Sie ist immer noch total fit. Sie ist, wie gesagt, 91 Jahre alt, und sie berichtet sehr ausführlich davon. Hat uns Fotos, Berichte, alles Mögliche gezeigt. Und sie versucht, bis heute noch mit 91 Jahren, aufzuklären über die Zeit und so viele Leute wie möglich wissen zu lassen, was sie und die anderen Frauen damals an Unrecht erlebt haben.

ES: Teil dieses, ganz viele Leute sollen wissen, was damals passiert ist, ist ja auch eine Dauerausstellung, die jetzt dieses Jahr eröffnen soll. Und die soll eben an das Schicksal dieser Frauen in Hoheneck erinnern. Was ist denn für diese Ausstellung geplant? Ich habe ja schon gesagt, sie ist sehr umstritten. Aber vielleicht kannst du noch einmal erzählen, was genau da passieren soll. NM: Die Stadt Stollberg hat, ich glaube, Ende 2020 über 22 Millionen Euro vom Bund, als auch vom Freistaat Sachsen erhalten, für diese Gedenkstätte. Weil seit der Wende ist in Hoheneck nicht wirklich viel passiert. Man muss auch dazu sagen, dass das einzige Frauengefängnis in ganz Ostdeutschland war, was halt weitergeführt worden ist. Das war bis 2001 noch eine Justizvollzugsanstalt. Und wurde dann von einem privaten Investor aufgekauft, der daraus irgendwie so ein Erlebnishotel machen wollte. Und erst 2013 glaube ich, hat die Stadt Stollberg das eben zurückgekauft und hatte aber kein Geld. Das ist ja ein riesiges Areal, ein riesiger Komplex, mehrere Gebäude, was halt langsam zerfällt. Das alles aufrechtzuerhalten und daraus was zu machen, ist halt unfassbar teuer. Und deswegen hat die Stadt jetzt erst einmal 22 Millionen erhalten für die Gedenkstätte. Ein Teil von Hoheneck wird deswegen aktuell saniert, unter anderem auch, damit dort endlich eine Dauerausstellung entstehen kann, so wie du gesagt hast. Und eigentlich ist die Eröffnung bis Ende dieses Jahres geplant. Ob das klappt, wissen wir nicht. Aber als wir dort waren, wurde dort jedenfalls fleißig gearbeitet.

ES: Ja, das liegt auch daran, dass da auch so Freizeitelemente mit eingebaut werden sollen. Zum Beispiel eine Kletterwand und eine Schaukel, habe ich da gesehen, sind da geplant. Jetzt findet der Oberbürgermeister von Stollberg, Marcel Schmidt, von der Freien Wähler Union, dass Gedenken und Freizeit sich eigentlich gar nicht widerspricht.

Der Plan ist eigentlich das geworden, dass es die Kontrapunkte zu dem sind, was in den letzten 70 Jahren vor der Wende stattgefunden hat. Nämlich das, was den Frauen weggenommen worden ist da oben, vor allem den politischen Inhaftierten, dass wir das wieder hinbringen wollen. Kinder, Kinderlachen, Kultur, Geschichtsbewusstsein, Sport, etwas zu essen. Alle die Dinge, die man ihnen dort versucht hat, wegzunehmen, um ihr Leben kaputt zu machen.

Marcel Schmidt

NM: Ja, an der Ausstellung, du hast ja vorhin gesagt, sie ist sehr umstritten, gibt es halt viel Kritik. Und wenn ich das zusammenfassen würde, würde ich einfach sagen: Es gibt einfach Bedenken, dem, was in Hoheneck in der DDR passiert ist, würdevoll gedacht wird, dieser Dauerausstellung, mit dieser Gedenkstätte, die jetzt entstehen soll. Also die Stadt will mit der Ausstellung sehr viele junge Menschen ansprechen, damit eben, so hat der Bürgermeister uns das so in etwa erklärt, damit diese halt auch etwas von der Geschichte erfahren. Weil junge Menschen, das natürlich nicht miterlebt haben. Und in einem Vorkonzept, das wir gesehen haben, da wird angezeigt: Okay, es gibt Schaukeln in dieser Dauerausstellung. Es ist eher so ein buntes Vorkonzept, und unabhängig davon wird auf dem Gelände, das ja wie gesagt riesig ist, noch das Geld investiert in andere Dinge. Also soll zum Beispiel eine Kletterwand an einem Gebäude angebracht werden. Ein Gesundheitszentrum in einem anderen Gebäude soll entstehen, mit einem Schwimmbecken, Therapiebecken oder so was in der Art. Ein Kinder- und Jugendtheater gibt es bereits dort auf dem Gelände, und das wird gerade auch saniert. Also die Dauerausstellung entsteht, aber auch andere Sachen auf dem Gelände werden zusätzlich noch gebaut, saniert und so weiter und sofort, die eben nicht so viel noch mit der Dauerausstellung zu tun haben. Und die Frage ist da eben von den Kritikern oder Kritikerinnen, wieviel noch übrigbleibt von dem Gefängnis, von dem Schrecken, was dort alles passiert ist. Einerseits kommt die Kritik von Mitgliedern eines ehemaligen Fachbeirats. Der wurde extra gebildet zur Beratung für die Stadt Stollberg. Da drin waren Historiker*innen und Opfer, und er hat sich dann aufgelöst im November vergangenen Jahres, weil es so viel Streit, Misskommunikation mit dem Fachbeirat und dem Bürgermeister gegeben haben soll. Der Fachbeirat, und darunter ist auch Nancy Ares, mit der haben wir gesprochen, die ist auch in dem Beitrag zu sehen. Nancy Ares ist die sächsische Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Und die hat dem Bürgermeister und der Stadt vorgeworfen, dass wenig gute Kommunikation geherrscht hat. Und die Kritik des Fachbeirates an den Ideen des Bürgermeisters soll vom Bürgermeister ignoriert worden sein.

ES: Lass uns mal hören, was Nancy Ares euch dazu erzählt hat.

Ich habe manchmal den Eindruck, dass nicht mit der nötigen Würde, mit dem Ort umgegangen wird. Es ist, glaube ich, bis heute diese Kletterwand, die da irgendwo auf dem Areal entstehen sollte, noch nicht aus dem Projekt getilgt. Hoheneck war ja nicht nur eine Haftanstalt in einer sowjetischen Besatzungszone oder DDR. Es war ja in der Weimarer Republik ein Gefängnis, es war auch im Nationalsozialismus ein Verfolgungsort. Ich finde, dem kann man nicht gerecht werden, wenn dort irgendwie Jugendliche drin herumschaukeln oder Sportler draußen an der Wand klettern.

Nancy Ares

NM: Wie gesagt, es gibt zwar ein Vorkonzept, aber die Stadt sagt mittlerweile, dass es wohl aktuellere Pläne gebe. Die will sie aber nicht wirklich komplett rausrücken. So zumindest sagen es die Involvierten, also die Kritikerseite. Wir haben es auch nicht gesehen, obwohl wir darum gebeten haben. Andererseits kommt natürlich die Kritik auch von den Frauen selbst, also von den ehemals politisch Inhaftierten, die da noch so involviert sind. Und sie sagen eben, es herrscht keine Transparenz, es herrscht wenig Mitspracherecht. Eine sagte uns zum Beispiel im Gespräch, dass sie das alles pietätlos finde und das es wie Backpfeifen seien, die erneut auf sie einhageln würden.

ES: Wie stehst du denn dazu? Weil ich habe diesen Film gesehen und habe mir so gedacht: Das ist ja vielleicht aber auch gut sein kann, um eben Menschen erst einmal nach Hoheneck zu bringen, die vielleicht zum Beispiel alleine für die Ausstellung gar nicht anreisen würden oder so. Und die dann vielleicht auch zufällig über diese Ausstellung stolpern. Das kann ja nun auch passieren. Wie siehst du diesen Konflikt mal abgesehen von diesen Transparenzvorwürfen?

NM: Also ich persönlich finde es wahnsinnig schwierig. Ich bin ja keine Expertin. Und ich maße es mir echt nicht an, da ein Urteil zu fällen. Weil ich auch, obwohl wir uns da sehr stark eingearbeitet haben, immer noch das Gefühl gehabt, dass das alles noch komplexer ist. Und dass es da noch mehr Seiten gibt. Aber ich denke, dass alle Seiten mehr miteinander kommunizieren sollten. Das wäre wahrscheinlich der Idealfall, damit einfach transparente Kompromisse gefunden werden. Wo halt alle zufrieden sind. Und ich glaube, dass Menschen so oder so nach Hoheneck kommen werden und eben nicht, um richtig was zu erleben, sondern wie gesagt, es war das größte Frauengefängnis der DDR. Natürlich werden da Menschen hinkommen und auch Schulklassen und jüngere Menschen, um da etwas über die Geschichte zu lernen.

ES: Hoheneck ist ja nicht der einzige Ort, an dem politische Gefangene festgehalten worden sind, in der DDR. Da ist ja zum Beispiel auch die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sehr bekannt. Ihr seid auch da gewesen. Wie gehen die denn mit diesem Konflikt um, zwischen Erinnerung und Unterhaltung?

NM: Also mein Kollege Tim Schulz war vor Ort. Und er hat sich viel erklären lassen, wie ebenso Gedenkarbeit dort vonstattengeht. Weil, wie gesagt, wir sind halt keine Experten, und wir verstehen das auch nicht so ganz. Und wir haben es versucht, uns das immer erklären zu lassen, weil Hohenschönhausen eben so bekannt ist. Und da war es eben so, dass der Fokus darauf liegt, dass man das Haupthaus, also die Haftanstalt selbst in Hohenschönhausen, so authentisch wie möglich gelassen hat. Also man hat da nichts abgerissen, man hat nichts verändert und so weiter. Und der Leiter Helge Heidemeyer hat betont, dass es wichtig ist, dass man die Orte des Leidens, so hat er das das glaube ich ausgedrückt, nicht zu banalisieren.

Das wichtigste Objekt, das wir haben, ist das Haus selbst, ist die Haftanstalt hier in Hohenschönhausen, wie in Hoheneck. Ich würde nicht alles über Formen neu machen wollen, sondern würde versuchen, den Zustand, den das Gefängnis hatte, auch den Besuchern heute noch zeigen zu können.

Helge Heidemeyer

ES: Genau, er sagt aber auch, dass man sich eben diesen Diskussionen um das Erbe eines solchen Ortes auch stellen müsse. Wie kann denn das gelingen? Also weil der Fachbeirat in Hoheneck, der ist ja jetzt erst mal raus.

NM: Genau. Es gibt auch aktuell meines Wissens nach, keinen neuen Fachbeirat. Die Stadt ist erst mal wieder alleine da, mit dem Interimsleiter von Hoheneck, der dort eingestellt worden ist. Also Helge Heidemeyer von Hohenschönhausen, der hat moderne Konzepte ja nicht ausgeschlagen. Der Bürgermeister von Stollberg wünscht sich junge, neue Konzepte, damit junge Leute angezogen werden. Und Heidemeyer in Hohenschönhausen hat dies nicht ausgeschlagen. Das ist möglich, hat er gesagt. Aber er hat eben auch gesagt, dass die Transparenz bei der Errichtung einer Gedenkstätte das A und O ist. Also wie gesagt, er hat betont: Viel Kommunikation nach außen, besonders natürlich mit den ehemaligen Inhaftierten. Das ist klar. Es geht hier eben auch um öffentliche Gelder. Wie gesagt, Stollberg hat über 22 Millionen Euro bekommen, von Bund und vom Freistaat. Und da wäre es wahrscheinlich angebracht, irgendwie ein bisschen transparenter damit umzugehen. Was passiert denn gerade mit dem Geld? Wo stecken wir das rein? Natürlich: Es gibt ein Vorkonzept, und es gab auch Sitzungen. Aber trotzdem haben sich eben Kritiker*innen über die fehlende weitere Transparenz beschwert. Und weil Hoheneck eben so riesig ist und Stollberg so klein, ist es eben eine Mammutaufgabe, das alles zu wuppen. Und die ist vielleicht für so eine kleine Kommune alleine nicht zu stemmen.

ES: Das heißt, es muss dann noch darüber hinausgehen?

NM: Ja vielleicht. Wie gesagt, es könnte sein, Kritiker*innen sagen das.

ES: Wie geht es denn jetzt weiter in Hoheneck? Wie sind da die Pläne?

NM: Die Dauerausstellung soll eigentlich Ende dieses Jahres stehen. Ob das zeitlich klappt, bezweifeln viele. Wie das aktuelle Konzept für die Ausstellung genau aussieht, das will die Stadt auch, wie gesagt, nicht wirklich sagen oder preisgeben, zumindest auch uns gegenüber nicht. Deswegen können wir alle gespannt sein. Ich bin auch gespannt darauf, wie die Finanzierung für den Betrieb und die zukünftigen Mitarbeiter aussehen wird, wenn die Ausstellung erst mal stehen wird.

ES: Natalie Meinert! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

NM: Sehr gerne!

ES: Das war der Podcast "MDR Investigativ - Hinter der Recherche". Der Film "Umstrittene Pläne für die Gedenkstätte Hoheneck" lief am 16. Februar bei Exakt und Sie finden ihn noch immer in der ARD Mediathek und auf der Website des MDR. Unter dem Titel "Der Hoheneck Komplex" hat der MDR im vergangenen Jahr außerdem eine interaktive Dokumentation produziert. Die finden Sie unter https://www.mdr.de/staticapps/hoheneck. Ich verlinke sie aber auch im Artikel zu diesem Podcast. In zwei Wochen hören Sie an dieser Stelle wieder meine Kollegin Secilia Kloppmann. Bis dahin! Machen Sie es gut und bleiben Sie gesund!

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Exakt | 16. Februar 2022 | 20:15 Uhr