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MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 79)Krieg, Besatzung, Stromausfall – wie sicher sind die Atomkraftwerke der Ukraine?Audiotranskription

02. Juni 2023, 10:55 Uhr

Gast: Reinhart Brüning (RB)

Moderation Secilia Kloppmann (SK)

Fünf Kernkraft Werke stehen in der Ukraine. Eines ist das stillgelegte Katastrophen-AKW Tschernobyl, ein anderes Saporischschja, das russisch besetzt ist und aus dem aktuell immer wieder beunruhigende Meldungen kommen. Wie real ist die Gefahr einer nuklearen Katastrophe durch die Atomkraft? Darum geht es in dieser Folge von MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche. Ich bin Secilia Kloppmann und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. In diesem Podcast spreche ich mit Kolleginnen und Kollegen über ihre Recherchen und Hintergründe bei der Arbeit am Thema. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Folge in der ARD Audiothek und da, wo sie uns gerade hören.

In dieser Folge geht es um ein beunruhigendes und leider auch immer wieder aktuelles Thema, nämlich die Sicherheit von Kernkraftwerken im Krieg. Mein Kollege Reinhart Brüning war unterwegs in der Ukraine. Er hat sich dort ein Bild von der Lage vor Ort gemacht und konnte mit vielen Menschen sprechen. Sein Film heißt "Alles sicher ? - Atomkraftwerke im Krieg", zu sehen ist er in der ARD-Mediathek und auch als MDR exactly auf YouTube. Und Reinhart Brüning ist zu Gast im Podcast. Reinhart, Du bist unterwegs gewesen in der Ukraine. Es ging um die Sicherheit von Atomkraftwerken jetzt in diesem Krieg. Das war eine Reise in den Krieg. Wie lange bist du unterwegs gewesen? Und wo bist du konkret gewesen?

Reinhart Brüning (RB)

Waren elf Tage unterwegs. Das war in der Zeit vor Ostern, und wir waren, ausgehend von Kiew unterwegs. Einmal in Richtung Tschernobyl, der strahlenden Atomruine und der dazugehörigen Stadt der Kraftwerksmitarbeiter Slawutitsch. Und dann waren wir in einem noch aktiven Kraftwerk, in Chmelnitzki. Das ist in der Zentralukraine.

SK

Bevor wir ins  Thema einsteigen - erzähl uns doch bitte noch mal ganz kurz... du bist ja da in ein Land gereist, was sich im Krieg befindet seit über einem Jahr. Wie ist die Situation vor Ort in der Ukraine?

RB

Kiew nach Luftangriff Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Alex Babenko

Äußerlich ist in vielen Gegenden gar nicht so viel zu sehen. Als wir dann allerdings in die Außenbezirke von Kiew kamen, haben wir die Zerstörung schon noch sehr, sehr deutlich gesehen. Aber auch gesehen, wie viel schon repariert wird. Da werden Brücken repariert, Straßen werden neu gemacht und und und Also eine große Anstrengung, vieles wieder in Gang zu bringen, während der Krieg noch läuft. Das hat mich beeindruckt. Und das andere ist, das natürlich ständig Luftangriffe drohen. Die Menschen dort haben eine bewundernswerte Coolness. Die haben ihre Apps, die sehen genau, aha, jetzt ist Luftalarm. Die Dinger steigen dort auf, dann und dann kommen sie bei uns an. Jetzt gehe ich in den Luftschutzkeller oder nicht. Das ist schon sehr professionell, wie die mit so einer schrecklichen Situation umgehen.

SK

Dein Film heißt: „Alles sicher? - Atomkraftwerke im Krieg“. Du bist Wissenschaftsjournalist, du bist diplomierter Physiker. Was fasziniert dich denn  an diesem Thema?

RB

Eigentlich bin ich ja geprägt durch diese Frage, wie können wir irgendwie Energieversorgung intelligent bereitstellen? Und während meines Studiums kam aktuell die Katastrophe von Tschernobyl: Vorher habe ich erfahren, irgendwie so ein Unfall passiert alle 1 Million Jahre -  statistisch gesehen. Und da kam es schon direkt, und das hat mich nachdenklich gemacht. Und da wurde ich einfach neugieriger und hab nachgefragt, was die Sicherheit betrifft, und habe mich damit genau beschäftigt.

SK

Fünf Atomkraftwerke stehen in der Ukraine. Wo stehen die eigentlich? Und wieviel davon sind in dem kritischen Gebiet?

RB

Zuallererst war es Tschernobyl als Aufmarschgebiet. Das ist das abgeschaltete Kraftwerk. Und dann, wenige Wochen später, kam dann Saporischschia. Das liegt südlich vom Dnepr und ist sehr nah am Frontbereich und wurde erobert von russischen Truppen. Und dann war eigentlich deren Plan, in Richtung Südukraine weiter vorzurücken und auch dieses Kraftwerk noch einzunehmen. Und am Ende wollten sie alle haben, aber die sind schon gestoppt worden, bevor sie die Südukraine erreicht haben. Und die anderen beiden sind in der Zentralukraine, die jetzt noch aktiv sind. Das hätte noch etwas länger gedauert.

SK

Nun ist es ja so, dass es gerade im letzten Herbst / Anfang des Winters besonders gehäuft Angriffe der russischen Armee gab, auf die Infrastruktur der Ukraine. Betroffen war da vor allen Dingen das Stromnetz. Welche Auswirkungen hatte das denn direkt auf die Atomkraftwerke?

RB

Russsiche Soldaten im AKW Saporischija. das AKW ist seit über einem Jahr besetzt. Bildrechte: IMAGO/SNA

Es war so, dass es immer wieder Treffer auf die Strominfrastruktur gab und das Atomkraftwerk Saporischschja die Netzanbindung verlor. Alle Leitungen waren nicht mehr intakt. Und dann steigerte sich das noch, bis am 23. November 2022 das Stromnetz so massiv getroffen wurde, dass alle Atomkraftwerke des Landes vom Stromnetz abgeschnitten waren. Da ist eine ganz neue Qualität erreicht worden. Wo auch die IAEA -  also die Internationale Atomenergie-Organisation - sich enorme Sorgen gemacht hat. Zum Glück haben die innerhalb von weniger als einem Tag das Stromnetz wieder aufbauen können und auch nach und nach die Atomkraftwerke wieder anschließen können. Das ist noch mal gut gegangen, zeigt aber, dass ein Land, was sich zu über 50 Prozent mit Atomkraft versorgt, doch sehr, sehr abhängig ist von einer intakten Strominfrastruktur und damit eben auch sehr verletzlich

SK

Denn, auch noch mal zur Erinnerung, der Reaktorunfall von Tschernobyl 1986,  der ist ja auch dadurch passiert, dass man dort versucht hat, einen kompletten Stromausfall zu simulieren. Am Ende gab es dann noch noch viel mehr Gründe für diese Katastrophe. Aber Fakt ist, Atomkraftwerke brauchen immer Strom, richtig?

RB

Auf jeden Fall. Atomkraftwerke, selbst wenn sie heruntergefahren sind, benötigen immer Strom, und zwar für die Kühlung. Die Brennelemente produzieren, auch wenn die Kettenreaktion zu Ende ist, also die Stromerzeugung aufgehört hat, produzieren die weiter Wärme, die sogenannte Nachzerfallswärme. Und die lässt sich durch nichts stoppen. Das heißt, dieser Reaktor, wenn er nicht gekühlt wird, zerstört sich selbst. Der überhitzt so stark, dass es zu einer sogenannten Kernschmelze kommt und im Prinzip alles flüssig wird und in die unteren Fundamente sickert. Und das ist wirklich eine richtig große Katastrophe, die zu einer großflächigen Freisetzung führen kann. Und das will man natürlich unbedingt vermeiden. Es ist natürlich so, dass auch die Netzanbindung allein noch nicht zur Katastrophe führt. Denn es gibt Notstromaggregate, die springen in so einem Fall an und versorgen die Anlage erstmal.

SK

Du hast ja mit verschiedenen Experten gesprochen. Haben die jemals damit gerechnet, dass es sein könnte, dass alle Atomkraftwerke auf dem Gebiet der Ukraine keine Stromversorgung mehr haben?

RB

Kiew Bildrechte: IMAGO/ZUMA Wire

Damit haben die nicht gerechnet. Ich habe mit dem Netzbetreiber-Konzern Ukrenergo gesprochen. Die haben natürlich Notfallszenarien und müssen ja versuchen, wenn ihre Infrastruktur zusammenbricht, die wiederherzustellen, und das ist äußerst kompliziert. Das geht nicht mit Knopfdruck und dann ist wieder überall Strom da, sondern die müssen mit einer kleinen Insel anfangen, meist mit einem Wasserkraftwerk und davon ausgehend, den versorgten Bereich Schrittchen für Schrittchen größer machen, bis dann am Ende wieder eine größere Region und schließlich das ganze Land wieder versorgt werden kann. Und das haben die gut hinbekommen, auch weil die unglaublich viele Reparaturtrupps an vielen Stellen im Land hatten, die dann direkt tätig wurden.

SK:

Das eine ist ja der Ausfall von Elektrizität, von Strom, von Stromversorgung der Atomkraftwerke. Das andere ist ja, dass es auch immer wieder die Befürchtungen gibt, das ein solcher Reaktor, ein Kernkraftwerk, getroffen wird von einer Rakete. Auch da sind die Ukrainer, so, wie ich das in deinem Film gesehen habe, ziemlich gut vorbereitet auf so einen Störfall. Und wenn die das trainieren, dann klingt das so.

O-TON Alarmschrillen

RB

Als ich das gehört habe und dabei war, dachte ich wie kann man unter solchen Bedingungen arbeiten. Das war wirklich die Hölle. Es ging darum: Nach einem Luftangriff ist die Netzanbindung zerstört - wie reagieren wir jetzt? Die Leute liefen hin und her, riefen sich Befehle zu, blätterten in ihren Ordnern. Es war ein Trainingsseminar, also eigentlich das Szenario, was in Saporischschia immer wieder aufgetreten war. Und mal mit zu erleben, was das bedeutet, was da in Saporischschja passiert ist, was das für die Bedienmannschaft bedeutet, das war für mich sehr, sehr eindrucksvoll.

SK

Das Atomkraftwerk in Saporischschja war gerade aktuell am 22. Mai wieder ohne Stromversorgung. Da gibt es immer wieder die Angst vor einem Störfall. Das AKW ist, muss man noch einmal sagen, seit über einem Jahr von den Russen besetzt und nicht am Netz. Es liefert also keinen Strom, braucht aber Strom. Weißt du, wie da aktuell die Situation vor Ort ist? Reinhart

RB

Wir haben mit Geflüchteten aus Saporischschia gesprochen und dadurch einen sehr genauen Einblick bekommen, wie es sich anfühlt, unter Besatzung zu arbeiten. Und wir haben dann sogar auch nach längeren Umwegen Kontakt zu Leuten gehabt, die immer noch dort sind.

Filmszene, Reinhart Brüning im Gespräch mit anonymen Mitglied der Belegschaft im AKW Saporischja

Frage:

Worin behindert die Anwesenheit des russischen Militärs Sie bei ihrer Arbeit? Was sind die gravierendsten Einschränkungen?

Antwort:

Kiew gab den Befehl, einen Block des AKW hochzufahren. So etwas ist kein einfacher Tastendruck, sondern das Hochfahren des Reaktors. Am Ende dieses Vorgangs sagten die Russen plötzlich Stopp. Wir haben keinen Befehl zum Hochfahren gegeben. Und so mussten wir mittendrin alles Schritt für Schritt rückgängig machen. Und so haben sie mehrmals eingegriffen. Das ist gefährlich.

Frage:

Was sind die schlimmsten Beispiele für Gewaltanwendung gegenüber der Belegschaft im AKW?

Antwort:

Ich selbst habe keine Gewalt erfahren, zum Glück. Aber viele unserer Bekannten wurden in den Keller gebracht und verschwanden. Das Telefon einer Frau war kontrolliert worden. Sie fanden verbotene Chatgruppen, durchsuchten ihre Wohnung, entdeckten im Telefon ihres Mannes noch mehr Russland kritisches. Und so landete die ganze Chatgruppe im Keller.

Schon am 1. Dezember haben sie meinen Betriebsausweis gesperrt, weil ich keinen russischen Vertrag unterschreiben wollte. Russische Techniker ohne gültige Lizenz ersetzen mich seitdem. Die kennen zwar diesen Kraftwerkstyp, sind aber für unser System gar nicht ausgebildet. Selbst in unserem Werk sind der erste und sechste Block verschieden, und der Unterschied zu einem russischen Kernkraftwerk ist enorm. Deshalb brauchen sie meine Qualifikation für den Notfall und lassen mich und meine Familie nicht aus der Stadt. Im Fall der Fälle würden sie zu uns nach Hause kommen und mich gewaltsam zum Arbeitsplatz bringen. Bis jetzt ist das zum Glück noch nicht passiert.

SK:

Das sind schwere Vorwürfe, die die Person da erhebt. Inwieweit konntest du das prüfen?

RB:

Zuerst einmal gibt es offizielle Quellen, dass es sich genau mit dem deckt, was auch die IAEA berichtet, die Internationale Atomenergiebehörde. Und das auch dieser Druck zu diesem Vertragswechsel erfolgt, das ist sozusagen amtlich. Dann gibt es den ukrainischen Betreiber Energoatom, und die haben das sehr ähnlich geschildert - deren Chef Petro Kotin. Und dann ist es auch so, dass es mir gelungen ist, nochmal unabhängig zu bestätigen. Die Identität dieser Person, mit der wir gesprochen haben und auch ihre Positionen innerhalb des Kraftwerks Saporischschia.

SK

Wie kam es überhaupt zu diesem Gespräch? Die Person spricht anonym mit euch. Wie schwer war das überhaupt, jemanden zu finden?

RB

Die erste Näherung war, dass wir mit Geflüchteten aus dem Kraftwerk Saporischschia gesprochen haben. Und die haben Verbindungen zu denen, die noch dort zurückgeblieben sind. Und dann habe ich gesagt, fragt doch mal, können wir nicht – anonym - Gespräche führen. Und dann kam die Antwort Nein. Die Angst ist so groß, vor Repressalien oder auch Misshandlungen und was ihnen drohen kann. Wir machen das nicht. Und da bekam ich eine Absage nach der anderen, obwohl es direkte Kontakte gab. Und irgendwann hat es dann geklappt. Irgendwann fand sich dann doch eine mutige Familie, die gesagt hat okay, wir riskieren das. Und die haben dann eben unter Einhaltung entsprechender Sicherheitsvorschriften und auch Anonymität mit uns gesprochen.

SK:

Es gibt einen großen Druck auf die Belegschaft in Saporischschia. Was bedeutet das denn für die Sicherheit von diesem Kernkraftwerk?

RB

Das ist die Frage. Klar ist: Menschen unter Druck, Menschen unter Stress, arbeiten nicht perfekt, oder das verschlechtert die Performance. Wie genau sich das auswirkt und wie sich das genau in einer Nuklearanlage auswirkt, das ist schwer vorherzusagen. Da sind wir wieder beim gesunden Menschenverstand und meinem Eindruck, der zeigt, das ist einfach klar, wenn ich da bin und mir Sorgen um meine Familie machen muss, wenn ich denke, da patrouillieren russische Soldaten in den Straßen und und ich sorge mich um meine Familie. Ich habe einen Alarm, der eben kein Training ist, sondern ein wirklich echt ist. Dann ist das natürlich eine Situation, die ist wirklich dramatisch. Und wir haben auch mit einem Geflüchteten gesprochen, der genau so eine Situation erlebt hat und der jetzt im AKW Chmelnitzki arbeitet und auch mit uns diese Übung mitverfolgt hat und das auch für uns so kommentiert hat. Und das fand ich schon sehr nachvollziehbar. Und der sagte mir auch, eigentlich ist es so, das vor jeder Schicht auch die psychische Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit geprüft werden muss. Und er ist sehr skeptisch, ob das dort wirklich noch so der Fall ist.

SK:

Wenn es diese Meldungen gibt, zum Beispiel "Saporischschja ist nicht nicht am Strom", da gibt es ja auch immer sofort die Frage, was bedeutet das für uns hier in Deutschland? Deine Meinung Reinhart: Ist Saporischschja ein Sicherheitsrisiko für uns hier in Deutschland? Also droht da ein zweites Tschernobyl? Damals zog eine radioaktive Staubwolke auch über Deutschland und die Auswirkungen von 1986 - also zumindest in Süddeutschland sind die bis heute messbar. Droht ein zweites Tschernobyl? Wie realistisch ist das?

RB:

Also genau ein zweites Tschernobyl wird es definitiv nicht geben, weil es einen ganz erheblichen Unterschied gibt, was den Bautyp der Reaktoren betrifft. In Tschernobyl, die Brennstäbe, also das spaltfähige Material, die bestanden zum großen Teil aus Graphit und Graphit brennt. Und was damals passiert ist, dieses Graphit befeuerte einen enormen Brand, und dadurch entstand so eine Art Kamineffekt. Das heißt, die radioaktiven Partikel wurden in sehr, sehr große Höhen transportiert und dann über große Teile Europas verteilt. Und dadurch erreichten die auch Deutschland und auch viele andere europäische Länder in erstaunlich hoher Konzentration. So einen Effekt würde es heute nicht mehr geben, weil die Brennelemente in heutigen Modellen, die dort im Einsatz sind, nicht brennbar sind. Das bedeutet aber nicht, dass das weniger gefährlich ist, sondern es bedeutet nur, dass es aus unserer Sicht weniger gefährlich ist. Denn letztlich würde bei einem vergleichbaren Unfall genau so viel radioaktives Material freigesetzt. Es wurde nur weniger weit verteilt, mit noch viel verheerenden Folgen für die Umgebung, für die Ukraine, aber möglicherweise auch für Russland und andere Anlieger.

SK

… das wollte ich gerade sagen, Russland ist da gar nicht weit weg. Und die Front verläuft ja auch dort. Russland wäre auch sehr betroffen bei einem Unfall?

RB:

Eigentlich hat niemand Interesse an so einem Unfall. Und trotzdem wird diese ganze Sicherheitskultur massiv korrumpiert. Und das ist auch das, was mir der ukrainische Betreiber, der Chef von Energoatom Petro Kotin, gesagt hat.

Petro Koton, Energoatom

Ich konnte mir diesen Verfall der Sicherheitskultur auf einen so niedriges Niveau nicht vorstellen. Wir hatten sechs Stromausfälle im größten Kernkraftwerk Europas.

SK:

Hast du denn rausfinden können auf deiner Reise, wie die russische Seite agiert? Irgendwie müssen die doch trotzdem auch ein Bewusstsein dafür haben, dass sie im Falle eines Falles betroffen wären. Also tun die was dafür, dass es nicht zum Äußersten kommt?

RB:

Also DIE russische Seite gibt es so offensichtlich erst mal nicht. Einerseits gibt es das Militär, das haben wir in Tschernobyl gesehen, und auch in Saporischschja gibt es ähnliche Anzeichen, dass die wirklich von kerntechnischen Anlagen einfach gar keine Ahnung haben. Also quasi als Sinnbild dieser Sache. Es haben sich russische Soldaten in der Sperrzone von Tschernobyl in den am höchsten kontaminierten Bereichen eingegraben, haben dort ihre Schützengräben errichtet. Und das ist natürlich so eine absurde Selbstgefährdung, dass man merkt, die wissen eigentlich gar nicht, wo sie da sind. Und das betrifft auch den Umgang mit der Anlage. Das andere ist, das natürlich auch russische Nukleartechniker in die Anlage gebracht worden sind, die sich im Prinzip gut auskennen, nur eben nicht mit diesem speziellen Typ, aber dennoch. Durchaus  geht es darum, dieses Kraftwerk für sich zu gewinnen, dauerhaft und vielleicht damit, die Krim zu versorgen. Und noch mehr - das ist das Ziel.

SK:

Es ist ja so, dass nicht nur die aktiven Atomkraftwerke ein potenzielles Risiko sind, sondern zum Beispiel auch das stillgelegte Atomkraftwerk in Tchernobyl. Mich hat es erst einmal überrascht, als ich den Film gesehen habe, dass dort bis zum Jahr 2000 noch Strom produziert wurde. Also ich bin ehrlich gesagt davon ausgegangen, dass nach diesem verheerenden Reaktorunfall von 1986 in Tschernobyl gar nichts mehr ist. Also das die Umgebung auf endlose Zeit radioaktiv verseucht ist. Es gibt da ja auch eine Sperrzone. Aber trotzdem arbeiten da immer noch Menschen. Warum?

RB:

Die Sowjetunion brauchte weiter Energie und die anderen Kraftwerksblöcke, die waren heil, naja oder ließen sich zumindest schnell reparieren. Und dann war klar, wir müssen das weiterbetreiben. Und wir müssen irgendwie die Anlage so sicher kriegen, dass dieser Weiterbetrieb möglich ist. Und dann wurde eben mit einem Wahnsinnsaufwand damals aufgeräumt, ein erster Sarkophag um den zerstörten Reaktor gebaut. Es wurde eine neue Stadt für die Belegschaft außerhalb der Sperrzone errichtet. Das ist Slawutitsch. Diese Stadt Slawutitsch, die ist immer noch eine Stadt der Kraftwerksarbeiter, obwohl eben seit 23 Jahren da kein Strom mehr produziert wird und die Reaktorkatastrophe 37 Jahre zurückliegt, ist eben immer noch die Hauptaufgabe, dort für Sicherheit zu sorgen, diese Anlage zu betreuen, den Rückbau vorzubereiten. Und das ist unglaublich personalaufwendig.

SK

Wie weit ist das weg?

RB

40 Kilometer vielleicht so etwas entfernt ..

SK

Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es so eine Art Pendelzug-Strecke? Wie kommen die Leute hin und her?

RB

Ganz genau so haben wir das erlebt, als wir früher dort waren. Das ist eine Zugverbindung, da ist man in 45 Minuten von Slawutitsch aus am Kraftwerk zu seiner Schicht und dann anschließend wieder zurückgefahren. Aber es gibt eben einen Schönheitsfehle: diese Strecke geht durch Belarus. Damit war die Strecke dann einfach mit Kriegsbeginn eigentlich tot.

SK

Und dieser Sarkophag, der über diesem Unglücksreaktor von 1986, über Reaktor vier erbaut worden ist, muss der auch technisch betreut werden und mit Strom versorgt werden?

RB:

Unbedingt! Es ist so, dass der neu gebaut wurde, weil der alte Sarkophag Einsturz bedroht ist. Und da hat man gesagt, wir bauen da eine große Blechkuppel drumherum, das nichts nach außen dringen kann, und können dann in aller Ruhe diesen Rückbau vorbereiten. Das ist natürlich etwas, was Jahrzehnte dauern wird und noch lange nicht begonnen hat. Also das ist eine mehrere Generationenaufgabe und zu diesen kontrollierten Bedingungen gehört auch, dass es da sehr, sehr viele Sensoren gibt. Es geht auch darum, ein bestimmtes Klima in dieser Halle aufrechtzuerhalten. Die ist vollgestopft mit Technik. Und wenn dann der Strom ausfällt, ist man gewissermaßen blind und weiß gar nicht mehr, was vor sich geht. Und das will man unbedingt vermeiden.

SK:

Du bist für den Film in Tschernobyl gewesen, du bist auch früher schon in Tschernobyl gewesen. Was war diesmal anders im Vergleich zu früher?

RB:

Äußerlich gibt es erst einmal zwei Unterschiede: Das eine ist, wenn du da hinkommst, merkst du direkt oh, zerstörte Brücken. Du musst da irgendwie mühsam Drumherumfahren. Die sind gesprengt worden, um die russische Invasion zu verlangsamen, von den Ukrainern selbst und auch eine große Eisenbahnbrücke ist zerstört. Und dann weißt du direkt okay, der Zug, mit dem die Belegschaft eigentlich immer Tag für Tag rein und rausfährt, der kann da nicht mehr fahren und es gibt befestigte Kontrollpunkte. Die haben das jetzt wirklich zu so einer kleinen Festung ausgebaut, damit auf gar keinen Fall  russische Truppen wieder da in die Nähe kommen können und das  einnehmen können.

SK

Ihr wart da das erste Kamerateam in diesem Jahr, was da überhaupt rein durfte. Das heißt, da gab es noch mal eine Verschärfung der Drehbedingungen vor Ort seitens der Ukraine?

RB:

Mit dem Beginn dieses systematischen Angriffs auf die Strominfrastruktur ist es so, dass Kamerateams nicht mehr in den Sicherheitsbereich in das Innere von Kraftwerken dürfen. Wir haben dann eine Ausnahme bekommen und durften Tschernobyl auch sozusagen von innen ansehen. Und das war natürlich nochmal eine besondere Chance, auch mit den Menschen, die diese Besetzung zu Anfang des Krieges erlebt haben, zu sprechen und wirklich zu erfahren, wie ist es ihnen gegangen?

SK:

Das stillgelegte Kraftwerk Tschernobyl, das wurde ja im Prinzip gleich am ersten Tag des Krieges von russischen Einheiten besetzt...

RB:

Reaktor 4 wird von einem Sarkopharg aus Blech umschlossen. Bildrechte: imago images/Ukrainian News

Tschernobyl liegt nördlich von Kiew und liegt ganz nah an der Grenze zu Belarus, und zu Beginn des Krieges war das eine der Aufmarschrouten der russischen Armee. Das ging dann durchs Sperrgebiet, quasi an Tschernobyl vorbei. Und dann haben die das mit eingenommen als einen strategischen Punkt. Und das lief dann so ab, dass es einen ersten Beschuss gab und dann die ukrainische Wachmannschaft - da war auch Militär - entschieden hat: Wir setzen die Sicherheit der Anlage nicht aufs Spiel und versuchen, uns gegen so eine große Übermacht zu verteidigen, sondern die haben sehr schnell gesagt, wir kapitulieren. Und wir setzen auf Verhandlungen.

SK:

Aus Angst, dass es zu größeren Schusswechseln kommt, die dann auch die Anlagen betreffen...?

RB:

Ganz genau. Und dann war eigentlich die entscheidende Figur der Schichtleiter und sein Sicherheitsingenieur. Die beiden haben dann Verhandlungen geführt mit der Militärführung, wie es da jetzt weitergeht, wie unter der Besatzung die Sicherheit der Anlage weiter aufrecht erhalten werden kann. Und da waren die sehr geschickt in den Verhandlungen und haben eigentlich eine enorme "Freiheit" oder zumindest einen enormen Freiraum heraus verhandeln können, sodass die da irgendwie die nächsten Wochen überstehen konnten.

SK::

Als der Überfall passierte, am 24. Februar 2022, waren vor Ort im dem Kraftwerk 120 Mitglieder der Belegschaft, weil es war auch Nachtschicht. Das heißt, da sind immer ein bisschen weniger da als in der Tagschicht, und die sind dann über mehrere Wochen dort eingeschlossen gewesen. Die durften das Kraftwerksgelände nicht verlassen. Warum? Reinhart

RB:

Es war einfach keine Ablösung möglich und jetzt mussten die einfach bleiben. Und die waren die, die für die Sicherheit dieser Anlage sorgen mussten und waren da festgenagelt. Das hieß, dass die plötzlich über Nacht bleiben mussten, obwohl das gar nicht geplant war. Die haben dann Tische und Stühle zusammengerückt und irgendwie sich da provisorische Betten gemacht und mussten irgendwie durchhalten.

O-TON Ludmila Michailenko, Medizinische Leiterin AKW Tschernobyl

Wir alle lebten in dieser langen, langen Schicht nur von der einen Hoffnung: wieder nach Hause zu kommen und unsere Familien und unsere Liebsten zu umarmen.

Olexij Schelestyj, Schichtleiter Elektrik AKW Tschernobyl

Ohne Ablösung ist es hier sehr schwer. Wir mussten hier wohnen, wir haben hier geschlafen, und manchmal haben wir hier sogar gegessen.

O-TON: Valeriy Semionov, Leitender Ingenieur, AKW Tschernobyl

Es ist alles wie ein schlechter Traum, wie ein 44 Tage langer Albtraum, ununterbrochen 44 Tage lang. Das war's.

SK:

Diese Leute gehen zur Arbeit. In dieser Zeit wird ihr Land überfallen, sie sind dort eingeschlossen. Sie wissen nicht, was mit ihrer Familie draußen vor Ort passiert. Da sind russische Einheiten - die sich, kommen wir später noch einmal drauf, nicht unbedingt problembewusst verhalten. Also wenn da jetzt was passiert wäre, weil irgendjemand auf dumme Gedanken gekommen wäre oder weil durch einen Schusswechsel irgendwas explodiert wäre ... muss denen doch klar gewesen sein, dass sie auch mit draufgegangen wären. Und das es eine Katastrophe hätte geben können. Das heißt, sie müssen doch eigentlich unter einem enormen Druck und auch eigentlich unter permanenter Todesangst um sich und auch um ihre Familien gelebt haben, in diesen Wochen. Kann man sich das so vorstellen?

RB

Also diese Medizinerin, die hat ja gesagt, ich habe meine Angst unterdrückt. Ich hatte meine Aufgabe. Ich musste mich um die Menschen kümmern, die da in der Anlage sind, habe mir zugleich Sorgen um meine Familie in Slawutitsch gemacht. Und irgendwie haben die durchgehalten, die waren im Modus „funktionieren“.

SK

Am 24. Februar ist das Kraftwerk besetzt worden, von russischen Einheiten, und am 9. März gab es eine extrem brenzliche Situation, Reinhart richtig?

RB

Genau. Dann kam der Blackout. Die Stromanbindung war, die letzte Leitung war zerschossen worden. Das Kraftwerk musste auf Notstrom gehen, und die Notstromgeneratoren hatten noch für 14 Stunden Treibstoff und für mehr nicht. Und gleichzeitig, erzählt die Medizinerin, das es nur einen echten Experten für diese Anlagen gab. Und der war Tag und Nacht im Einsatz.

SK:

Aber es ist dann doch für die Notstromgeneratoren Diesel geliefert worden, und zwar von den Russen. Richtig?

RB:

Ganz genau. Die Russen haben eine Zeit lang geliefert, und dann war aber klar diese Anlage verbraucht enorme Mengen, die an der Front fehlen. Und dann wurde gesagt, so geht das nicht weiter. Und dann kam die Einigung, man schließt die Anlage an das russische Stromnetz an, und das lief über Belarus - es wurde also via Belarus, angeschlossen an den russischen Netzverbund.

SK

In deinem Film sieht man dich über das Gelände von Tschernobyl laufen und die Stellung der russischen Soldaten ansehen. Die Schützengräben sieht man da. Ihr seid unterwegs mit Julia Bezdizha von der Verwaltung des Sperrgebiets

Filmszene mit Julia Bezdizha

Hier 0,17 Mikrosievert am Rand. Natürlich, unten drin könnte es noch deutlich höher sein, oder?

Julia Bezdizha, Verwaltung des Sperrgebiets Tschernobyl
Dort kann es mehr sein. Jetzt ist alles mit Wasser gefüllt. Sie gruben ja tief.

Sie haben es gesehen - sie aßen, wohnten und tranken da. Sie hielten sich dort dauerhaft auf. Und das ist sehr, sehr gesundheitsschädlich.

SK:

Es gab ja im Netz Gerüchte, dass sich russische Soldaten dort die Strahlenkrankheit zugezogen hätten. Habt ihr denn dafür Anhaltspunkte gefunden?

RB :

Wir hatten eine Abschätzung und auch Berechnungen des Bundesamtes für Strahlenschutz aus Deutschland, die diese Frage sich genauer angesehen haben. Die hatten wir vorliegen und haben dann selber auch gemessen, um herauszufinden, stimmt das auch mit dem überein, was wir selber messen in diesem Bereich, den wir uns ansehen. Wir haben eine der Stellungen uns angesehen, die besonders nah am Kraftwerk ist, wo wirklich sehr viel radioaktives Material 1986 darunter gegangen ist.

SK:

Das heißt, die haben sich tatsächlich genau dort breit gemacht, wo es am gefährlichsten ist?

RB:

Ganz genau. Die haben wirklich sich die fieseste Ecke der Sperrzone fast direkt angrenzend an das Kraftwerk ausgesucht, um sich da einzugraben und da irgendwie auch provisorische Unterstände zu bauen. Wie haben dann da gemessen und haben festgestellt, dass es unterschiedliche Werte gibt. Es gibt Teile, da ist es nur ganz wenig erhöht, und wir haben auch Bereiche gefunden, die so zehn Mal erhöht und und noch etwas mehr. Also zehnfach erhöht, immer im Vergleich zur natürlichen Hintergrund der Radioaktivität, den es überall gibt, was wir nicht machen konnten. Wir konnten tatsächlich nicht in diesen Stellungen messen, weil die mit Wasser zugelaufen waren. Da kann man halt nur vermuten, dass das dort unten höher war, insbesondere auch in dem Wissen, dass nach der Katastrophe wurde dort zum Schutz Material angeschüttet, um dieses hochaktive Zeug abzuschirmen. Jetzt haben die sich da eben genau dort eingegraben. Die Abschätzung des Bundesamtes für Strahlenschutz stimmt aber mit unseren Messungen erst mal grob überein. Und demzufolge war es nicht möglich, dass ein akutes Strahlensyndrom eingtritt - selbst bei so einer langen, ununterbrochenen Aufenthaltsdauer wäre das nicht passiert. Ein akutes Strahlensyndrom, das muss man sich vorstellen wie eine Verbrennung äußerlich. Nur, dass es eben noch viel, viel mehr Schäden verursacht und tödlich sein kann. Trotzdem ist natürlich klar, die haben eine hohe Dosis abbekommen, und das erhöht das Risiko, an Krebs zu erkranken, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Das war natürlich absurdes Verhalten. So oder so. Aber eben dieses Gerücht, Strahlenkrankheit, akutes Strahlensyndrom, ist eindeutig ein Gerücht und ist falsch.

SK:

Aber trotzdem zeigt es ja offenbar, entweder ist es den russischen Soldaten egal, oder die hatten wenig Informationen, was eigentlich Tschernobyl ist?

RB :

Gut, da können wir nur spekulieren. Ich würde aber auf letzteres Tippen, dass die einfach überhaupt nicht wussten, wo sie da waren. Aber wir wissen es nicht. Irgendein General hat später behauptet, so ein russischer Kämpfer, dem macht auch so ein bisschen Strahlung nichts aus. Hier waren schon unsere Großväter in den Gräben. Also man hat das Gefühl, dass sie sich darum nicht kümmern und denen völlig egal ist, was da an an Strahlung ist.

SK:

Du bist ja dort gewesen in Tschernobyl. Das heißt, das ist nicht mehr von Russland besetzt. Das hat sich dann relativ schnell erledigt. Das war dann auch ja das Ende dieser Besetzung des Kernkraftwerks...

RB:

Irgendwann zogen die russischen Truppen ab, und dann haben das die Ukrainer nach und nach wieder übernommen. Die musstene auch so ein bisschen ein paar Scherbenhaufen zusammenkehren. Da wurden auch Anlagen geplündert, es wurde Infrastruktur gestohlen. Die Sperrzone ist bis heute noch in vielen Teilen vermint. Das wird noch lange dauern, die Minen zu räumen, das betrifft auch das ganze Land, aber eben auch diesen Bereich in Kraftwerks.

SK :

In Deutschland haben wir ja jetzt, Mitte April, die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet. Die Ukrainer vor Ort, wie sehen die jetzt eigentlich ihre Kernkraftwerke durch den Krieg? Hat sich da was verändert in ihrer Haltung gegenüber den Atomkraftwerken, also bezüglich der Sicherheit der Atomkraft?

RB:

Mein Eindruck ist, dass die Fragestellung gerade im Moment noch zu viel ist. Die sind in einen Krieg verwickelt worden, die kämpfen ums Überleben, die müssen für die Sicherheit der Anlagen sorgen. Und in erster Näherung ist die Logik, die ich so gehört habe, wenn diese russische Aggression zu Ende ist, dann ist wieder alles so wie vorher. Und wir können unsere Pläne weiterverfolgen, und wir werden auch neue Atomkraftwerke bauen. Und wir werden weiter an diesem hohen Anteil an Kernenergie für unser Land festhalten, der jetzt schon bei über 50 Prozent liegt

SK :

Und deine Meinung, nachdem du jetzt dort gewesen bist und noch einmal zu diesen durchaus vielen brenzligen Situationen recherchiert hast.  Du aber auch mit den Verantwortlichen gesprochen hast, die durchaus ganz glaubhaft demonstriert haben, dass sie das sehr, sehr ernst nehmen. Dass sie gut vorbereitet sind, dass sie alle Kräfte aufbieten, dass nichts passiert. Bist du jetzt nach dieser Reise beruhigter nach Deutschland zurückgefahren, was die Sicherheit der Atomkraftwerke in der Ukraine betrifft?

RB:

Beeindruckt hat mich wirklich die Sicherheitskultur und die Ernsthaftigkeit der Menschen, die in der Ukraine für die Sicherheit der Atomkraftwerke arbeiten. Und die geben wirklich das Beste. Und trotzdem, und das sagen die Beteiligten ja auch selber, wir können uns nicht auf alle Szenarien eines Krieges vorbereiten. Und die Internationale Atomenergiebehörde hat auch deutlich gemacht. Es gibt im Prinzip so etwas wie sieben Säulen der Sicherheit. Ja, das sind das sind so die sieben wichtigsten Sicherheitsaspekte. Und im Verlauf dieses Krieges sind alle diese sieben Säulen verletzt worden. Das erhöht natürlich die Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe. Also wenn Menschen unter Druck und Stress arbeiten, dann erhöht es das Risiko für einen Unfall. Wenn eine Anlage direkt getroffen und beschädigt wird, erhöht das das Risiko eines Unfalls. Wenn der Strom ausfällt, erhöht das das Risiko. Und so sind wir am Ende in einer Situation, das ein Nuklearunglück wahrscheinlicher wird. Und da muss jede und jeder ihr eigenes Fazit ziehen. Für mich heißt das nochmal viel, viel genauer hinschauen und eventuell zu sagen lieber auf der vorsichtigen Seite sein und über andere Lösungen als Atomkraft nachdenken.

SK

"Alles sicher? - Atomkraftwerke im Krieg", so heißt der Film von Reinhart Brüning. Herzlichen Dank, lieber Reinhart für das Gespräch

MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche