MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche (Folge 45) Podcast-Transkript: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

Audiotranskript

25. Februar 2022, 15:31 Uhr

Sie wurden in Deutschland geboren, und trotzdem fühlen sich Menschen anderer Hautfarbe immer wieder ausgegrenzt, sie werden rassistisch beleidigt und auch tätlich angegriffen. Das betrifft auch Menschen, die als Flüchtlinge kamen oder hier studieren. Einige ziehen die Konsequenz und verlassen Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen. Ist der Rassismus wirklich nur ein Ost-Problem?
Moderation: Secilia Kloppmann
Gäste: Hanna Lohoff, Sarah Bötscher

Willkommen zu einer neuen Folge "MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche". Ich bin Secilia Klopppmann und arbeite für die politischen Magazine des Mitteldeutschen Rundfunks. In dieser Folge soll es um Rassismus gehen, und zwar speziell in Ostdeutschland. Natürlich gibt es Rassismus überall und nicht nur in Ostdeutschland. Aber in dieser Folge soll es speziell darum gehen, wie sich Menschen anderer Hautfarbe ganz speziell hier in den neuen Bundesländern, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen fühlen. Es soll um Menschen wie Linh gehen. Deren Eltern stammen aus Vietnam. Linh ist in Plauen in Sachsen aufgewachsen und rassistische Beleidigungen oder Bemerkungen kennt sie quasi schon ihr ganzes Leben lang

So antiasiatische Sachen ... irgendetwas mit Hunde essen oder Reis oder Ching, Chang, Chong oder Ni Hao oder also so in diese Richtung. Aber das kenn ich halt irgendwie schon immer. Seit ich klein bin , also vom Kindergarten an.

Linh exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist"

Ein anderes Beispiel ist Masa. Sie stammt aus Syrien, sie kam 2015 mit ihren Eltern nach Deutschland und lebt jetzt in Freiberg in Sachsen. Sie und viele ihrer Freundinnen tragen, weil sie Musliminnen sind, ein Kopftuch. Und auch das sorgt offenbar immer wieder für Anfeindungen,

Dass wir rausgehen sollen, dass wir uns integrieren sollen, dass wir unsere Kopftücher absetzen müssen. Also wir wurden auf jeden Fall angeschrien, auch angespuckt.

Masa exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

Secilia Kloppmann (SK)

Meine Kolleginnen Hanna Lohoff und Sarah Bötscher haben einen Film gemacht, der heißt "Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist". Ich freue mich, dass Hanna und Sarah diesmal zu Gast sind in unserem Podcast. Hallo, ihr beiden Hallo, hallo! "Raus aus Ostdeutschland. Wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist", so heißt euer Film. Ich finde ja, das ist ein ganz schön krasser Titel...

Hanna Lohoff (HL)

Der Titel scheint vielleicht ein bisschen krass. Aber ja, so ist es tatsächlich. Wir haben mit Leuten gesprochen, die nicht weiß sind, die also von Rassismus betroffen sind und die wegen ihrer rassistischen Erfahrungen Ostdeutschland verlassen wollen oder noch zwiegespalten sind und darüber nachdenken, ob sie gehen sollen oder ob sie bleiben wollen. Das Ganze lässt sich jetzt in Zahlen nicht belegen, dass man sagt so und so viele Menschen verlassen jedes Jahr Ost-Deutschland wegen Rassismus. Aber unsere Recherche haben trotzdem gezeigt, dass eben sehr viele von Rassismus Betroffene darüber nachdenken.: Wo kann ich vielleicht besser leben als in Ostdeutschland?

SK

Ihr habt ja dann auch mehrere Leute getroffen für euren Film, die diese Erfahrungen gemacht haben. Wo kamen die denn her? Sarah

Sarah Bötscher (SB)

Ja, da müssen wir vielleicht einen Schritt zurückgehen. Für die Recherche ist es ja bei so einem Thema auch nicht so einfach, überhaupt jemanden zu finden, der auch vor der Kamera spricht, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben uns da viel Zeit genommen, auch für Vorgespräche und haben auch mit Menschen gesprochen, mit dem wir dann tatsächlich gar nicht gedreht haben. Am Ende haben wir drei Perspektiven in den Film genommen. Das ist Linh, die du schon am Anfang angesprochen hast, die wegen Rassismus jetzt wegziehen möchte, die aus Dresden kommt und jetzt nach Berlin geht. Dann haben wir Mene (Anm. der Red.: aus Sri Lanka) getroffen, der schon gegangen ist. Der hat in Ilmenau studiert, ist jetzt nach Berlin gegangen und sagt, dass es viel, viel besser ist, was den Rassismus betrifft, auch wenn es natürlich immer noch Rassismus gibt. Und die dritte Perspektive war Mohammed. Den haben wir in Leipzig getroffen. Was ich ganz spannend fand, weil er erst gesagt hat, Leipzig war so ein "happy Place", als er gekommen ist aus Ägypten. Und jetzt, wo seine Kinder auch da sind, sagt er es gab so viele rassistische Angriffe auch in der Schule für die Kinder, dass er die nicht in Sachsen aufwachsen sehen möchte.

SK

Euer Film hat ja zum Thema speziell den Rassismus im Osten. Ihr habt euch auf unser MDR-Sendegebiet spezialisiert. Also vor allen Dingen auf Sachsen. Das wir das gleich mal geklärt haben: Wo kommt ihr beide eigentlich her? Und welche Erfahrungen habt ihr mit Rassismus gemacht? Ich würde die Frage erst einmal an Hanna geben.

HL

Ich komme tatsächlich aus Westdeutschland. Also ich bin in der Nähe von Münster aufgewachsen und wohne jetzt seit ungefähr vier Jahren in Leipzig. Also bin noch gar nicht so lange in Ostdeutschland, sage ich mal, und das war natürlich auch irgendwie ein spannender Punkt für mich, dass ich natürlich hier seit vier Jahren wohne und das gar nicht so empfinde und da vielleicht auch gar nicht so darüber nachdenke. Als weiße Person natürlich mich total wohlfühle und hier auch irgendwie für längere Zeit meine Lebensperspektive sehe. Aber dass das natürlich nicht für alle Leute so ist. Und bei mir in der Heimat habe ich mich natürlich auch irgendwie schon mit Rassismus auseinandergesetzt. Und das kommt ja auch ein bisschen im Film vor, das eben Westdeutschland oder vor allem westdeutsche Großstädte auch ein bisschen diverser sind als ostdeutsche. Ich komme aber eher aus dem ländlichen Raum, da ist es dann auch wieder was anderes.

SK

Hast du irgendwann gemerkt, dass hier was anders ist in Sachsen ?

HL

Schon ein bisschen. Also ich habe zum Beispiel in Köln meinen Bachelor gemacht, und das ist ja schon eine sehr diverse Stadt, so allein schon vom vom Bild, wenn man durch die Straßen läuft. Ich fand es schon ein Unterschied, wenn man dann in Leipzig ist, also selbst in Leipzig, einfach von den Leuten also. Es sind einfach sehr viele weiße Menschen in Ostdeutschland. Das muss man schon einfach so sagen, wenn man es jetzt zum Beispiel mit Köln vergleicht, ja,

SK

Ja, selbst in Leipzig, was ja eigentlich als sehr weltoffene Stadt gilt... Und wie ist es bei dir, Sarah Wo kommst du her?

SB

Aus Halle, also ich komme aus dem Sendegebiet, auch aus Ostdeutschland. Ich finde es eigentlich immer blöd, das heute noch so zu unterteilen. Bei diesem Thema war es aber irgendwie speziell. Ich habe das lange überhaupt nicht hinterfragt. Auch, ob Rassismus jetzt in Ostdeutschland irgendwie schlimmer ist. Ich habe witzigerweise meinem Freund darüber gesprochen. Der kommt aus Frankfurt/Oder, und der berichtet halt so ja, wenn man irgendwie so ein bisschen aussah wie Punk, wurde man echt von Neonazis wirklich wortwörtlich gejagt. Wo es dann auch diese Baseballschlägerjahre aufkamen und irgendwie das alles sehr aufgebrochen wurde. Und das erlebe ich dann doch eher von Bekannten, die in Ostdeutschland groß geworden sind. Und natürlich, ich bin Jahrgang 93 ich habe das nicht so mitbekommen, weil ich da einfach zu klein war. Aber ich merke jetzt die Nachwirkungen. Und das ist natürlich schon ein Thema, was ich wichtig finde, auch heute noch zu besprechen.

SK

Zurück zu eurem Film, den kann man übrigens sehen auf YouTube, im MDR investigativ-Channel unter dem Label exactly. Und da wird auch ganz schön heftig diskutiert. Ich habe davon gerade noch mal drauf geguckt. Das sind jetzt mittlerweile über 800 Kommentare. Ich würde mal sagen Tendenz steigend. Also das sind schon ganz schön viele Kommentare. Ich finde auch durchaus einige sehr unter der Gürtellinie. Wie schätzt ihr das ein? Ihr guckt da wahrscheinlich auch drauf, oder?

SB

Ja, es ist auch irre, das zu lesen. Teilweise finde ich, ich weiß nicht so richtig... manchmal finde ich es auch schwer, damit umzugehen, weil ich das Gefühl habe, ganz oft kommt dann so eine Täter-Opfer-Umkehr. Also ganz oft kam so dieses ja, aber es gibt ja auch Rassismus gegen Deutsche und nicht alle in Ostdeutschland nicht alle Menschen sind Rassisten. Das wollten wir auch nie mit diesem Film sagen. Natürlich wollten wir damit nicht pauschalisieren, das sind alle Menschen die in Ostdeutschland leben. Ich glaube, ganz wichtig ist, dazu sagen, dass Rassismus einfach ein strukturelles Problem ist, das irgendwie in uns allen bestimmte Vorurteile einfach herrschen. Ich fand aber doch irgendwie ganz spannend, das dann sofort so eine Reaktionen in den Kommentaren kam. So ja, das ist doch kein Rassismus, und ich bin das doch nicht. Die sich natürlich schnell angegriffen fühlen. Und das kann ich auch verstehen, weil man natürlich irgendwie erst mal hört, um Gotteswillen, jeder möchte ich jetzt hier weggehen. So, und das wollten wir aber eigentlich nicht so rüber bringen, glaube ich. Oder, Hanna?

HL

Ja genau. Aber wir haben natürlich trotzdem auch ein bisschen erwartet, dass solche Kommentare kommen bei dem Thema. Und der Titel ist ja dann doch auch irgendwie so ein bisschen provokativ natürlich. Trotzdem finde ich aber auch, wir sind auch selbst ein bisschen mit in die Kommentare gegangen, haben mitkommentiert Fragen beantwortet, es gibt auch konstruktive Kritik und eine Diskussion einfach darüber, wie es vielleicht auch besser gemacht werden kann. Positive Beispiele werden erzählt. Oder auch Menschen mit Migrationshintergrund äußern sich, die sagen ich bleibe hier. Ich finde auch, dass der Diskurs da auch irgendwie cool ist. Aber klar ist es gibt auch viel, viel Hass, viele Beleidigungen, viele Sachen mussten auch gelöscht werden oder versteckt. Und ja, das ist natürlich immer bei dem Thema einfach zu erwarten.

SK

Gut, dass du das anspricht. Hanna ich glaube nämlich schon, dass wir das noch mal sagen müssen, dass das natürlich nicht generell für alle Menschen anderer Hautfarbe gilt, die zum Beispiel in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt leben. Dass die weg wollen von hier . Das wissen wir schlichtweg nicht. Und können wir auch gar nicht behaupten. Aber ihr habt eben Menschen getroffen, die hier wirklich schlechte Erfahrungen gemacht haben und die eben teilweise auch darüber nachdenken, den Osten Deutschlands zu verlassen. Die eine ist Linh, das ist die Tochter vietnamesischer DDR-Vertragsarbeiter. Und vielleicht kannst du zuerst mal was ein bisschen was zu legen erzählen.

HL

Linhs Eltern kommen aus Vietnam, die sind halt zu Zeiten der DDR als Vertragsarbeiter nach Ostdeutschland gekommen. Da gibt es ja einfach sehr viele Geschichten. Das ist ich, denke ich mal, eine relativ klassische Narrative, die da so gewesen ist. Und sie wohnt schon ihr Leben lang in Sachsen also ist in der Nähe von Plauen groß geworden, war dann zum Studieren in Dresden und hat auch eigentlich nie woanders gelebt. Sie war mal einmal für einen Auslandssemester weg, aber ansonsten war sie ihr Leben lang einfach in Sachsen. Und bei Linh war es so, dass sie sich eigentlich immer wohlgefühlt hat. Ihre Familie ist ja auch hier und ihr Umfeld und so weiter. Und bei ihr war dann so ein bisschen ja, ich sage mal der "turning point", als Pegida anfing, 2015, als dann einfach ja auch in Dresden jeden Montag Leute auf die Straße gingen,

Was für mich ganz krass war, war 2015, Pegida. Und Pegida war der konkrete Moment, als ich gedacht habe, so okay , der Rassismus wird salonfähiger, und die Leute gehen auf die Straße. Und ich bin halt selber auch direkt in so eine Pegida-Demo reingegangen. Und es hat sich für mich unglaublich bedrohlich und schrecklich angefühlt. Also, da hat sich auch mein Verhältnis zu der Stadt und so Dresden total verändert.

Linh exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

SB

Und Pegida ist ja jetzt trotzdem aber auch schon wieder eine Weile her. Also, man fragt sich auch, Linh ist offenbar geblieben. Die engagiert sich ganz vielen Vereinen. Sie macht antirassistische Arbeit. Es ist für sie ein Dauerthema, auch im Studium, und ich glaube, daher kommt auch so eine gewisse, ja Belastung über die Zeit. Sie hat das mal eine Zeit lang als Rauschen beschrieben. Also, dass Rassismus wirklich immer Alltag für sie war und nicht nur mit Extrembeispielen jetzt auf der Straße, sondern auch wirklich immer in der Auseinandersetzung damit. Und sie ist eine ganz kluge, nachdenkliche Frau, die, glaube ich, einfach gemerkt hat: Da ist nicht mehr viel Kraft, um sich dem entgegenzustellen. Und deshalb möchte sie jetzt erst mal den Jakobsweg laufen, um da auch eine Auszeit zu kriegen, auch mit sich erst einmal zu sein und dann nach Berlin zu ziehen.

SK

Hier gleich noch mal eine kleine Werbung in eigener Sache, in Folge 31 von unserem Podcast MDR Investigativ - Hinter der Recherche, die heißt "Vietnamesen in Ostdeutschland. Was ist ihre Geschichte?" Da hat meine Kollegin Esther Stephan auch intensiv die Geschichte der vietnamesische Vertragsarbeiter und vor allem deren Kinder, also der nächsten Generation, beleuchtet - also auch da gerne noch mal reinhören. Das lohnt sich. Ihr habt ja für den Film auch mit Linhs Mutter gesprochen, die schon sehr lange einen vietnamesischen Imbiss in Plauen betreibt. Die hat das im Gespräch so ein bisschen abgewiegelt mit den rassistischen Anfeindungen.. Sie hat dann gesagt, es geht ihr gut und so weiter. Und das ist okay in Plauen. Linh hat das ja als Kind miterlebt, hat sie euch erzählt. Das macht ja sicherlich auch was, wenn man als Kind so aufwächst oder?

HL

Genau, das ist schon lange her so um die 15 bis 20 Jahre. Aber wir haben uns trotzdem entschieden, dass auch mit reinzunehmen, weil es ja auch zeigt, wie ihre Mutter und wie Linh mit diesem Rassismus groß geworden sind. Und wie es natürlich in den 90er-Jahren da noch viel schlimmer war. Also da wurden wirklich die Scheiben durch geschmissen im Imbiss. Da wurde Müll reingeschmissen, die Reifen wurden zerstochen von der Mutter, und sie hat dann trotzdem aber immer diese Einstellung. Okay, ich bemühe mich total, ich bin selbständig, ich arbeite ganz viel und passe mich einfach an und bin leise. Das sagt sie auch im Film. Und das kam, das hat mich selbst auch irgendwie ganz schön mitgenommen, weil ich es schon krass finde, dass das Leute dann denken ich muss mich so anpassen und darf überhaupt nicht auffallen, damit die Leute aufhören, solche Angriffe zu machen und mich mich nicht mehr beleidigen. Und so weiter. Und die Mutter bleibt trotzdem in Sachsen. Aber da sind natürlich auch ganz andere Voraussetzungen , es ist eine andere Generation. Linh hat studiert, sie geht nach Berlin und kann sich irgendwie sich verwirklichen. Und das ist für die Mutter vielleicht nicht so gut möglich wie in der zweiten Generation der

SK

Das war für mich auch wirklich ein bedrückender Moment mit dieser Mutter, als sie sagte ja, ich, ich bin ganz, ganz leise, dass, da hab ich gedacht oh mein Gott., diese Menschen versuchen unterm Radar zu sein, um nicht aufzufallen, damit ihnen nichts passiert. Die Tochter Linh die ist da anders und ein bisschen anders mit Rassismus gehen auch die Mädchen um, die ihr zusammen mit Linh getroffen habt, in Freiberg, die stammen größtenteils aus Syrien. Richtig?

HL

Die kam eigentlich alle aus Syrien, alle ungefähr seit 2015.

SK

Ja, die Mädchen sind größtenteils Musliminnen. Das heißt, viele von denen tragen auch Kopftuch, wenn auch nicht alle. Die haben auch die entsprechenden Erfahrung in Freiberg schon gemacht. Das hat uns Masa am Anfang auch schon erzählt. Die gehen da unterschiedlich damit um. Masa oder auch ihre Freundin Ruba ... wie alt sind die eigentlich .. ?

HL

Ruba ist 23. Masa ist, glaube ich, 18 oder 19. Ich bin gar nicht ganz sicher. Die eine war 17 also sind schon eher so, dass sie irgendwie schon Abitur machen oder schon studieren. Also das ist jetzt nicht mehr alles so ganz so jung

SK

Und in das Gespräch mit Masa und Ruba hören wir jetzt auch gleich noch mal rein.

Masa: Ich hatte es schon mit allen Rassisten in Freiberg zu tun. Hanna: Was sagen denn die Leute? Masa: Also Aussagen, die ich sehr, sehr oft gehört habe, dass wir rausgehen sollen, dass wir uns integrieren, sondern unsere Kopftücher absetzen müssen. Also wir wurden auf jeden Fall angeschrien, auch angespuckt. Manche wollten uns auch anschubsen. Ruba: Ich fühle, dass ich nicht diejenige bin, die betroffen ist, sondern die Person, die was sagt. Also der hat Problem und nicht ich. Und deswegen tun die mir meistens leid. Masa: Also sie ignoriert immer die Leute. Aber bin ich halt mit, bin ich es kann halt nicht so leise bleiben. Es muss dann halt immer was sagen, weil ich bin der Meinung, dass man diese Leute eine Grenze setzen soll. Hanna: Und wie ist das hier in Freiberg? Ist es vielleicht hier noch mal schlimmer? Ruba: Nee, also Freiberg liebe ich! Vorurteile gibt es immer. Und ich habe von vielen Leuten gehört, dass Sie mir sagen okay, am Anfang dachte ich so und jetzt denke ich so, nachdem wir uns kennengelernt haben.

Masa und Ruba exavtly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

SK

Tja, Hanna, du hast ja Ruba die Frage gestellt, ist es jetzt in Freiberg besonders schlimm? Und was antwortet Ruba? Freiberg lieb ich ..!

HL

Genau. Also, das wäre vielleicht auch nicht unbedingt das gewesen, was ich erwartet hätte. Die Frage war da vielleicht auch ein bisschen suggestiv. Also das Gespräch war einfach total spannend und aufschlussreich für mich, weil Ruba und Masa alleine schon zwei Personen sind, die relativ unterschiedlich mit ihren Rassismuserfahrungen umgehen, während Ruba sagt, ich ignoriere das einfach, ich bin leise, die haben das Problem und nicht ich ist Massa da ja so ein bisschen Haudrauf. Die macht auch Karate in ihrer Freizeit, hat sie mir erzählt und ist auch wortgewandt, und die drückt dann einfach ein Spruch zurück, und die lässt sich das nicht gefallen. Und ich fand es total stark, wie da dieser Austausch war in diesem Projekt in dem Linh arbeitet, das ist so eine Hausaufgabenbetreuung gewesen. Und die sprechen da aber eben auch total viel über Rassismus und über ihren Alltag. Und ich habe das Gefühl, es ist einfach so ein gegenseitiges Empowerment, weil das alles Leute sind, die von Rassismus betroffen sind. Die tauschen sich aus und geben sich Tipps oder halt oder hören sich einfach zu. Und ja, ich fand das echt total spannend, dort mal mit den jungen Frauen ins Gespräch zu kommen.

SK

Sowohl die jungen Frauen aus Syrien, als auch Linh, die fallen natürlich bei uns im im Alltag auf. Die haben eine andere Hautfarbe, dunkle Haare, die tragen halt teilweise Kopftuch .. Ihr habt für den Film auch noch eine Expertin getroffen, die heißt Katharina Warda. Die ist schwarz, der Vater stammt aus Südafrika, die ist in der DDR in Wernigerode groß geworden, und das fand ich einen interessanten Aspekt, dass sie sagt, dass Rassismus eben auch davon abhängt, in welchem Umfeld man aufwächst.

Es gibt in Westdeutschland mehr Menschen mit einerf familiären Migrationsgeschichte beziehungsweise nicht weiße Deutsche. Das stimmt, und das macht vieles sicherlich auch einfach ganz einfach. Weil es ein ganz normales Bild des Alltags ist. Der große Unterschied liegt meiner Meinung nach darin, dass die, die es gibt, extrem unsichtbar sind in Ostdeutschland. Die Frau, die, die Brötchen beim Bäcker verkauft, die Person, die den Bus fährt oder sei es der Hausarzt, eine Hausärztin, das sind sehr selbstverständlich nicht People of Color oder eben Ostdeutsche mit Migrationsgeschichte. Und dieses eben nicht ganz normaler Teil des Alltags sein, dass sich als großen Unterschied und damit wird man auch immer als Fremde und angesehen.

Katharina Warda, Soziologin und Buchautorin exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

SK

Könnt ihr das eigentlich so bestätigen, was Katharina Warda sagt? ich würde mal mit dir anfangen, Sarah, in Halle aufgewachsen, kannst du diese Beobachtung teilen?

SB

Also ich bin ja nicht in der Perspektive der Betroffenen. Also ich sehe das wahrscheinlich auch wieder ganz anders als eine Person of Color zum Beispiel. Aber ich kann das schon bestätigen. Also ich weiß, dass in meinem Freundeskreis superwenig People of Color waren. Und wenn es so war, gab es immer so Witze. Also das war ganz oft dann irgendwie so unterschwellig schon Thema und auch immer so unserem Witz und ich, ich habe das, glaube ich jetzt erst so reflektiert, wie krass das teilweise auch war und wie belastend. Und ich hatte jetzt auch für den Film im Vorgespräch mit einer, die in meiner Parallelklasse war, eine junge Frau. Und die musste im Spanischunterricht immer erzählen, wie es ist, wo sie herkommt, so, und sie sagte dann immer: Ich komme aus Halle. Was soll ich denn erzählen? Also das waren schon immer so Situationen, wo ich jetzt erst merke Ah, krass. Das war Rassismus. Und das ist etwas, was ich ja lange nicht gemerkt habe. Aber das People of Color selten sozusagen zu sehen waren, kann ich auf jeden Fall bestätigen.

HL

Ja, bei mir ist es ja so, dass ich auf dem Land groß geworden bin. Das ist natürlich was anderes als in so einer Stadt wie Berlin oder Köln. Aber trotzdem denke ich, dass in meinem Alltag und Umfeld schon einfach mehr People of Color waren, auch Menschen mit Kopftuch waren einfach irgendwie ein ganz normales Bild des Alltags. Und da ist es ja schon irgendwie einfach ein Unterschied zwischen Ost und Westdeutschland. Deshalb kann ich das schon auch sehr gut nachvollziehen, was die Frau Warda sagt. Also eben dieses , wenn die Frau, die die Brötchen verkauft, oder die Frau, die den Bus fährt, halt ein Kopftuch trägt oder schwarz ist, dann ist das für dich einfach normaler und gehört dazu. Also das kann ich da schon ja gut nachvollziehen. Aber man muss natürlich auch sagen, dass es in Westdeutschland auch nicht davor irgendwie befreit ist. Und dass mein Freundeskreis in der Schule auch sehr weiß war, muss ich sagen. Also also ganz so große Unterschiede gibt es dann da am Ende doch nicht

SK

Die Leute, die Ihr für den Film getroffen habt, also zum Beispiel Linh aber zum Beispiel auch Mohammed, der stammt aus Ägypten, der wohnrt im Moment in Leipzig … die sagen alle, dass sie weggehen wollen aus Ostdeutschland beziehungsweise auch aus Sachsen? Wo gehen die eigentlich hin? Verlassen die Deutschland ganz? Oder suchen die sich einfach einen anderen Ort zum Leben innerhalb Deutschlands?

SB

Also, wir haben irgendwie drei Städte oft gehört. Das ist Berlin, Köln und Hamburg - also auf jeden Fall trotzdem noch Deutschland. Aber halt schon die großen Städte, und Berlin wurde einfach sehr, sehr oft genannt. Wir hatten ja auch mit Mene, denen ich vorhin erwähnt habe, gesprochen, der einfach meint, das ist irgendwie ein ganz anderes Lebensgefühl. Es ist die Offenheit, es ist völlig wurscht, wie du aussiehst und wo du herkommst. Es ist ja auch ein Stadt-Land-Gefälle. Das ist natürlich etwas anderes in einer großen Stadt, wo sehr sehr viele Menschenleben - natürlich gibt es da auch dann viel mehr verschiedene Menschen als sie in einem kleinen Dorf in Thüringen. Und das ist natürlich ein großer Unterschied. Aber das waren schon die drei Städte, die wir sehr oft im Gespräch gehört haben.

SK

Klar, in solchen Städten ist natürlich auch das Stadtbild ganz anders, wenn man durch die Straßen geht. Man sieht einfach viel mehr Menschen anderer Hautfarbe. Das ist viel mehr Multikulti. Aber das geht so direkt jemanden getroffen, habe, der gesagt hat ich verlasse jetzt Deutschland ganz - ist euch das auch passiert?

HL

Nein, die Leute, mit denen wir gesprochen hatten, die wollen in Deutschland bleiben. Also viele sind ja auch deutsche und es ist deren Heimat. Aber die haben dann halt einfach gemerkt, dass es in Ostdeutschland was anderes ist und haben dann vielleicht von anderen People of Color gehört, dass es in Köln oder Frankfurt oder wo auch immer ein angenehmeres Gefühl ist und was anderes ist zu leben und erhoffen sich dann da einfach eine neue Perspektive.

SK

Obwohl - da gibt es auch eine Statistik, die zeigt Ihr auch in eurem Film, die Anzahl der tätlichen Angriffe ist in Berlin am höchsten ...

SB

Das ist ja auch ein wichtiger Punkt, dass Rassismus dann in Berlin auch nicht weg ist. Den gibt es ja dann trotzdem. Und da kann trotzdem ein blöder Spruch kommen. Aber ich glaube, so vom Lebensgefühl haben das schon alle so beschrieben, dass das einfach wirklich fast schon paradiesisch ist, weil einfach viele Leute da leben die aus ganz vielen verschiedenen Ländern und Nationalitäten kommen .

HL

Aber bei Berlin ist es natürlich klar, weil es einfach die größte Stadt ist. Und da ist die Kriminalität dann halt auch sehr hoch. Irgendwie ist Berlin so dieses Paradebeispiel von Internationalität. Und dann ist es ja auch logisch, dass Leute nach Berlin gehen wollen und vielleicht auch logisch, dass man aus Leipzig nach Berlin zieht oder aus Dresden, weil es irgendwie auch nah ist. Und man da viele Leute kennt und so weiter. Ja, und das ist irgendwie nochmal ein Unterschied zu anderen Städten in Westdeutschland.

SK

Ich bin ja jetzt schon mal ein bisschen älter als ihr, komplett in der DDR aufgewachsen. Das war eine sehr homogene Gesellschaft. Also es war schon exotisch, wenn zum Beispiel jemand ein Elternteil aus Ungarn hatte. Oder ich kann mich auch erinnern, ich habe einen Arbeitskollegen, der Vater war Ägypter, und er ist aber in Sachsen aufgewachsen. Und er ist genauso alt wie ich und der sagte, bis zur Wende war ich auf der Disco der total beliebte Typ mit meinem exotischen Aussehen - und nach der Wende war ich quasi der Türke und bin auf der Straße angefeindet worden und bin gefragt worden, ob ich überhaupt Deutsch spreche. In der DDR haben Menschen mit anderer Hautfarbe im Stadtbild nicht wirklich eine Rolle gespielt. Also es gab die vietnamesische Vertragsarbeiter sowie die Eltern von Linh, die waren aber schon damals sehr zurückgezogen. Die sind eigentlich überhaupt nicht aufgefallen. Es gab auch Gastarbeiter aus Afrika. Ich glaube aus Mosambik. und ich kann mich erinnern, ich bin in einem kleinen Ort in der Nähe von Weimar aufgewachsen, und ich muss da oft daran denken, wenn das Thema auf Rassismus kommt: In Weimar am Ortsausgang gab es so ein Wohnheim für diese Vertragsarbeiter, und das hieß im Volksmund "Affenhaus". Also auf der einen Seite gab es wenig Rassismus in der DDR, einfach weil es überhaupt keine Menschen anderer Hautfarbe gab. Und auf der anderen Seite war trotzdem eine Ablehnung von Menschen, die anders oder fremd aussehen, definitiv vorhanden.

Warum ich das jetzt noch einmal so ein bisschen erzählt habe, diesen kleinen Exkurs in die DDR, um vielleicht auch noch einmal wirklich auf den Rassismus im Osten hin zu führen. Denn es gibt eine aktuelle Studie, die sogenannte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die sich mit dem Thema beschäftigt hat. Und demnach stimmen 6,4 Prozent der Deutschen eindeutig rassistischen Aussagen zu. Im Westen sind es 5,2 Prozent, im Osten sind es 7,8 Prozent. Das ist mehr, aber auch nicht signifikant mehr. Ihr habt für den Film auch mit der Leiterin dieser Studie gesprochen Franziska Schröter, und die sagt was Interessantes, nämlich das rassistische Einstellungen oder das Vorhandensein von rassistischen Einstellungen auch immer was damit zu tun hat, wie man aufgewachsen ist, also in welchen Milieus man aufgewachsen ist..

O-TON Franziska Schröter

Da können wir anhand der Mitte-Studien sagen, dass zum einen es durchaus Unterschiede zwischen Ost und West gibt, dieser aber, wenn man es wirklich sozusagen nach Größenunterschieden quantifiziert, doch gar nicht so riesen unterschiedlich sind. Sondern wir glauben, dass es vielleicht auch ein bisschen was mit Milieus und Strukturen zu tun hat. Also sprich, dieselben Milieus in Ost und West denken ähnlich oder haben ähnliche Einstellungen. Nur kommen diese Milieus möglicherweise in Ostdeutschland öfter vor als im Westen

Franziska Schröter , Mitte-Studie, Friedrich-Ebert-Stiftung exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

SB

Diese Milieus , das muss man vielleicht auch noch mal erklären, also das sind so Tendenzen, die man hat und dann eher rassistisch denkt. Das sind zum Beispiel ältere Menschen, das sind Menschen auf dem Land oder Menschen mit einem niedrigeren Bildungsniveau. Das heißt natürlich nicht, dass die jetzt automatisch Rassisten sind, sondern dass die das eher entwickeln, so zu denken. Das sagt Franziska Schröter.

SK

Das ist ja auch tatsächlich so, der Altersdurchschnitt im Osten, speziell auch in unseren drei Bundesländern, ist wesentlich höher im Vergleich zu anderen Bundesländern. Gibt es denn jetzt eigentlich auch konkrete Belege dafür, dass man als Mensch anderer Hautfarbe im Osten gefährlicher lebt, Hanna?

HL

Es ist eben so, dass diese rassistischen Einstellungen sich in Ost und Westdeutschland gar nicht so sehr unterscheiden. Das hat ja diese Mitte-Studie auch gezeigt. Also es ist ein kleiner Unterschied, aber minimal. Aber das hat Franziska Schröter uns erzählt. Im Osten führen diese rassistischen Einstellungen eher zu Taten als in Westdeutschland. Und das sieht man eben auch an ganz vielen Zahlen zu rassistischen Gewalttaten, dass die in Ostdeutschland höher sind, auch schon über Jahre als in Westdeutschland. Und das wiederum kreiert ja dann auch eine ganz andere Atmosphäre. Wenn ich jetzt eine Person auf Color bin, die in Sachsen lebt. Und hier passieren einfach diese Gewalttaten, die ja auch durch die Medien gehen, als wenn ich in Westdeutschland lebe. Wo diese Bedrohung und auch die gefühlte Bedrohung dann nicht so ist

SB

Ich kann das noch ergänzen. Wir hatten mit einer Beratungsstelle in Thüringen Kontakt, Ezra. Und der meinte, dass das vor allem durch diesen Straßenbahn-Vorfall in Erfurt zum Beispiel wirklich zugenommen hat, dass Menschen dann auch weggezogen sind, weil das Video ist ja sehr viral gegangen, wie jemand in der Straßenbahn da auch getreten und geschlagen wurde. Und ja, das hat sehr viel ausgelöst. Und dadurch hat das zugenommen, dass Menschen weggegangen sind.

HL

Also natürlich muss man unterscheiden zwischen einem Angriff, einem Mord und irgendwie einem rassistischen Spruch, also diesem Alltagsrassismus, um den es ja ganz viel im Film geht. Aber uns war es trotzdem wichtig, das zu betonen, weil wenn es nun mal so ist, dass es auch jetzt zum Beispiel in Sachsen, einfach die Gewalttaten höher sind, dann kriegen People of Color das ja auch öfters mit. Man liest es in der Zeitung man hört, dass man sieht es im Fernsehen wie auch immer. Und dadurch hat man ja auch... also ich muss sagen, dass es keine wissenschaftliche These, sondern unsere Theorie, die wir daraus gezogen haben, … einfach als Person of Color, mehr Angst und fühlt einfach ja eine gefährlichere Atmosphäre

SK

Jetzt sind wir drei, die wir hier sitzen, wahrscheinlich noch nie von Rassismus betroffen gewesen: Weil wir sind alle drei so richtig schöne drei deutsche Blassgesichter - besonders jetzt im Winter - Aber es gibt aber ja diese Diskussion: Ich denke da an die Diskussion um die Übersetzung des Gedichtes von Amanda Gorman, diese schwarze Lyrikerin, die bei der Vereidigung von US-Präsident Biden aufgetreten ist. Und da ging es halt darum, soll eine weiße Person das Gedicht einer Schwarzen übersetzen. Es gibt die Diskussion bei der Besetzung von Schauspielern, also ich will darauf hinaus, soll man sich als Nichtbetroffener mit einem solchen Thema so intensiv auseinandersetzen. Wir sind ja natürlich Journalistinnen und Journalisten, dann muss man da immer irgendwie eintauchen können und soll das auch machen. Aber es ist ja trotzdem eine Diskussion. Meine Frage an euch beide hat der diese Diskussion geführt. Also war das ein Thema für euch , Sarah?

SB

Ja, sehr viel. Das war wirklich ein großes Thema. Wir haben uns das oft gefragt, auch einfach, weil Betroffenen von Rassismus uns das auch gespiegelt haben, also die auch gefragt haben was ist denn euer Hintergrund? Seid ihr auch People of Color. Einfach, weil man sich, glaube ich, ganz anders öffnet als Personen, die betroffen ist. Wenn man mit jemandem darüber spricht, das ist ganz klar, ja, wie ich glaube, wir wollten einfach das irgendwie aufzeigen und verstehen. Aber haben uns das natürlich immer gefragt haben, dass auch Linh vor der Kamera gefragt, was sie darüber denkt. Und sie sieht das auch immer sehr kritisch.

HL

Sie hat gesagt, dass das für Sie das natürlich etwas anderes ist, ob sie jetzt mit einer Person of Color über ihre Erfahrungen spricht oder mit einer weißen Person. Sie öffnet sich da ja nun mal, und ich bin nicht davon betroffen. Und gleichzeitig sind wir ja dann als Autorinnen des Films sozusagen in der Machtposition zu entscheiden, was nehmen wir rein und was nicht. Und die Leute, mit denen wir gesprochen haben, sind die, die ihre Erfahrungen teilen müssen, sie sollen ja erzählen, was sie erlebt haben. Und das war eben auch bei uns eine ganz große Debatte. Wir wollen jetzt auch nicht alle People of Color als Opfer darstellen. Und deshalb war es uns zum Beispiel auch ganz wichtig, eine Expertin dabei zu haben, die nicht weiß ist. Also das nicht nur diese Opferrolle eingenommen wird von den People of Color, die wir abbilden. Trotzdem war uns aber total klar, dass wir diesen Film machen wollen. Wir haben das Thema ja auch irgendwie selbst gesetzt. Also in unserem Umfeld haben wir einfach total oft gehört, das Leute weg ziehen oder wir uns war irgendwie bewusst, dass es ein Problem ist. Und es war uns wichtig, diesen Film zu machen, um es zu verstehen, um es zu hinterfragen, aber gleichzeitig auch immer wieder unsere eigene Rolle zu reflektieren. Und das haben wir ja, ich glaube, das war ein Prozess im Laufe der Reportage, dass wir da selbst auch noch total viel gelernt haben.

SK

Gut, Hanna, dass Du noch einmal auf Katharina Warda zurück kommst. Denn die, ich will jetzt nicht sagen, sie rehabilitiert die Ostdeutschen., aber sie sagt auch noch mal ganz explizit, dass sie nicht sieht, dass Rassismus ein speziell ostdeutsches Thema ist.

Das Problem ist ja eigentlich, dass der Osten, auch immer zu dem Ort für Rassismus gemacht wird. Worum es eigentlich geht, wenn man sagt, der Osten ist der Ort für Rassismus ist, das man Rassismus als Problem gern woanders hin schieben möchte, nehme ich dann in den Osten zu den anderen nämlich raus aus der Normalgesellschaft, die doch sehr westdeutsch geprägt ist. Einfach das ist nicht unser Problem. Wir in Deutschland haben kein Rassismus-Problem. Das ist deren Problem. Wir haben in Deutschland Rassisten, aber das sind die Ossis, das sind nicht wir. Sarah: Haben Sie denn den Eindruck, wenn sie mit weißen Menschen über Rassismus sprechen, dass die sich vielleicht auch schnell angegriffen fühlen oder dann gleich in so einer defensive Haltung geraten? Katharina Warda: Ja, nicht nur defensiv, sondern abwehrend sind und häufig auch aggressiv werden, aktiv aggressiv werden. Rassismus ist kein Vorwurf. Wenn ich das schon höre, das schwingt einfach schon so eine gewisse Haltung demgegenüber mit. Es ist muss es erst mal ist eine Realität, die herrscht so, und die muss auch benannt werden dürfen.

Katharina Warda, Soziologin und Buchautorin exactly: Raus aus Ostdeutschland, wenn Rassismus nicht mehr auszuhalten ist

SK

Die muss auch benannt werden, diese Realität, sagt Katharina Warda. Und die Quintessenz ist so ein bisschen, Rassismus steckt in jedem. Ich habe dann auch mal so ein bisschen kritisch auf mich geguckt und habe da natürlich auch festgestellt, dass ich da auch nicht frei bin von rassistischen Vorurteilen. Das war keine schöne Erkenntnis. Wie ist es euch gegangen bei der Arbeit an diesem Film? Sarah?

SB

Absolut. Das ist keine schöne Erkenntnis. Das tut weh. Und das ist ein ekliges Gefühl. Ich weiß, dass ich bei diesem Gespräch, das hast du vorhin schon gesagt, mit Linhs Mutter, da war ich sehr froh, dass Hanna dieses Interview geführt hat, weil ich rausgehen musste. Ich hatte so einen Kloß im Hals. Ich fand das ganz unerträglich zu sehen, wie wie viel Schmerz einem Mensch durch Rassismus ensteht. Ich glaube, ganz wichtig ist einfach so dieses Vorteilsdenken, was man halt irgendwie in sich hat und dass man, dass das ganz wichtig ist, das zu hinterfragen. Und ich glaube, daher kamen dann auch diese teilweisen harschen Kommentare. Weil man natürlich erst mal in so eine Gegenreaktion fällt und, sagt: ich bin das doch nicht. Ich habe doch auch Freunde, die People of Color sind. Aber das ist ja etwas ganz anderes, und das war etwas, was ich sehr mitgenommen habe. Mich damit einfach mehr auseinanderzusetzen. Das zu hinterfragen, das zu verstehen und vor allem den Leuten zuzuhören, das ist, glaube ich, wieder so ein Grundding, einfach die Leute darüber sprechen zu lassen und denen das auch nicht abzusprechen. Wenn das jemand als Rassismus erfährt und das so empfindet, ist das Rassismus. Und das finde ich sehr, sehr wichtig.

SK

Hanna war es belastend für dich, so als Thema?

HL

Auf jeden Fall. Also ich muss sagen, wir haben uns ja fast zwei Monate intensiv damit beschäftigt. Haben ja eigentlich jeden Tag mit Leuten gesprochen, die von Rassismus betroffen sind, uns Geschichten angehört, uns irgendwie auf einer theoretischen Ebene damit beschäftigt. Und ich muss sagen, ich habe danach dann auch so ein bisschen dieses, jetzt brauchen wir wieder ein anderes Thema. Jetzt will ich mal wieder über den Kartoffelbauern in Sachsen-Anhalt berichten oder so. Und dann haben wir das auch irgendwie kurz drüber gesprochen und mussten darüber lachen. Und dann ist mir aber auch noch mal so diese Erkenntnis gekommen. Ja, krass, ich kann das jetzt ablegen, dieses Thema. Ich habe das gemacht, und ich kann mich jetzt mit etwas anderem beschäftigen. Aber das können diese Leute, mit denen wir gesprochen haben, halt nicht. Die sind jeden Tag von Rassismus betroffen. Die müssen sich jeden Tag mit diesem Thema beschäftigen. Und die können nicht sagen jetzt mal etwas anderes, weil sie es einfach mit sich herumtragen. Und das war auch noch mal so eine Erkenntnis, die ich für mich selbst ziemlich krass und schockierend. Weil ich das vorher nicht so gesehen habe und das auch erst dadurch erfahren musste, dass es einfach schmerzhaft ist, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen, auch als weiße Person. Aber dase es auch total wichtig ist.

SK

Schönes Fazit zum Schluss. Auch so eine Erkenntnis, dass man sagt also, wir können da wieder rausgehen aus diesem Film oder aus dieser Thematik, wenn wir fertig sind. Aber die Leute, die es betrifft, die können das eben nicht machen. Ich danke euch beiden, dass ihr euch Zeit genommen habt. Hannah Lohoff und Sarah Bötscher

SK

Das war wieder der Podcast MDR Investigativ - Hinter der Recherche. Wir sind zu finden auf allen gängigen Podcast-Portalen und auch auf YouTube. Und wir freuen uns, wenn Sie uns eine Bewertung dalassen. Oder wir freuen uns natürlich auch über Anmerkungen und Kritik. Die kann man direkt entweder auf dem Podcastportal unter dem Podcast loswerden oder natürlich auch per E-Mail. Die Adresse dazu wäre investigativ@mdr.de und ich sage auch noch mal, wo man den Film findet von Hanna und Sarah, und zwar auf YouTube im Channel MDR Investigativ und natürlich auch in der ARD Mediathek. Und ganz schnell weise ich auch noch mal auf unsere Podcast Folgen zum Thema hin. Einmal die schon bereits erwähnte Folge 31 über die zweite Generation der Viet-Deutschen, und ich möchte auch noch mal auf die Folge Nummer 27 hinweisen. Da geht es um die sogenannte Kannibalen-Bahn in einem Freizeitpark. Der nächste Podcast kommt am 11. März dann wieder mit meiner Kollegin Esther Stephan und wir hören uns dann , so Sie mögen in vier Wochen wieder. Machen Sie es gut, bis dahin Tschüss

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