Landtagswahl Thüringen Möller will eine "patriotische Wirtschaftspolitik"

06. Oktober 2019, 05:00 Uhr

Statt des Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke war Stefan Möller, zweiter Landeschef seiner Partei und Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, beim MDR AKTUELL-Interview. Er beschrieb die AfD als konservative Partei, recht nahe der CDU, mit einem "ausgefeilten wirtschaftspolitischen Programm", die sich nicht auf "Asylkritik" reduzieren lasse. Dabei schlug Möller auch moderatere Töne an.

Käme die AfD in Thüringen an die Regierung, würde sie laut Möller als eine erste Maßnahme eine "Abschiebungsinitiative 2020" starten, mit Missbrauchskontrollen im Asylverfahren. Geld, das so frei werde, würde sie in Schulen investieren, in eine bessere Gesundheitsversorgung auf dem Land, in Straßen und bessere ÖPNV-Anbindung von Dörfern. Im Interview mit MDR AKTUELL beschrieb Möller es als Konzept, "Geld in der Landesasylpolitik freizusetzen" für Investitionen in "unsere darbende Infrastruktur".

Die rot-rot-grüne Regierung habe "in den letzten Jahren" 200 Millionen Euro für die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern freigegeben, sagte Möller, "von Menschen, die nie einen Beitrag in diesem Land geleistet haben", während man die eigenen Leute, etwa auf Arzttermine warten lasse. Die AfD werde dagegen gewählt, weil "dieser Staat wieder in den Dienst des eigenen Volks gestellt werden muss".

"Unpatriotische Wirtschaftspolitik"

In der Wirtschaftspolitik kritisierte Möller, dass die für Thüringen so wichtige Automobilzuliefer-Industrie und eine "Technologie-Führerschaft bei Benzin und Diesel und Verbrennungsmotoren" derzeit zur Disposition gestellt werde.

Der Dieselmotor, der in Thüringen hergestellt wird, die Bauteile dazu, das ist eine extrem saubere Technologie.

Dabei sei es "ein Märchen, dass die Elektromobilität das auffangen könnte". Die Politik müsse aufhören, die Automobilindustrie und ihre Verbrennungsmotoren-Technologie als überholt darzustellen.

Man müsse langfristig auch an alternativen Antriebskonzepten forschen, aber die "nahezu hysterische Klimaschutz-Politik" nicht mitmachen. Planwirtschaftlich und "auf Teufel komm raus" Elektromobilität zu förderen und die andere Technologie kaputt zu machen, das sei eine "im eigentlichen Wortsinn unpatriotische Wirtschaftspolitik, die sich gegen das eigene Land und gegen die eigenen Leute wenden wird."

Ich möchte nicht, dass wir mit unseren Gehältern konkurrieren müssen mit irgendwelchen Billiglohn-Ländern.

Was das bringe, sehe man bei der Photovoltaik: "Das war ein Strohfeuer" und die Arbeitsplätze seien verloren gegangen. Mit dem Blick auf die Lohnkostenvorteile der chinesischen Industrie erklärte sich Möller hier zum "Gegner der Globalisierung". Er wolle keine Konkurrenz "mit irgendwelchen Billiglohn-Ländern".

Gegen die Energiewende

Gefragt nach der Energiewende kritisierte Möller deren "planwirtschaftliche" Umsetzung mit Subventionen, den Umbau eines funktionierenden Systems, "um Partikularinteressen zu dienen". Das habe zu den "höchsten Energiepreise in ganz Europa" geführt, was Verbraucher und Industrie belaste.

Stefan Möller ist aus Erfurt. Er wurde 1975 geboren, hat in Jena studiert und 2003 sein zweites juristisches Staatsexamen abgelegt. Er hat eine Anwaltskanzlei in Erfurt und früher für die Thüringer Energie AG gearbeitet. Er ist Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion und Sprecher für Migration, Wirtschaft und Energie.

Das sei "unsozial", argumentiert Möller, weil die Differenz zwischen garantierten Einspeisevergütungen und Marktpreisen für Strom bezahlt werden müsse "von der allein erziehenden Verkäuferin mit zwei Kindern, dem Rentner, der aufstocken muss." Das sei "eine Umverteilung von Vermögen" über die Stromrechnung "nach oben zu den Investoren, zu Gutverdienern, die sich so eine Windkraft-Anlage leisten können".

Die AfD wolle darum "ein möglichst schnelles und schmerzlosen Ende" dieser Energiewende, "im Interesse der gebeutelten Stromkunden (...) und natürlich auch zum Schutz unseres Landschaftsbilds und der Natur hier in Thüringen".

Klimaschutz in Afrika

Waldschäden
Waldschäden, Waldumbau und Klimaschutz Bildrechte: imago/EST&OST

Dabei bestreitet Möller nicht den Klimawandel. Das könne "niemand, der bei klarem Verstand ist". In der AfD sei nur strittig, wie viel der Mensch dazu beiträgt. Dass der Mensch einen Anteil habe, sei aber eine "gefestigte Hypothese". Als "konservativer Mensch" spreche für ihn nichts gegen Ressourcenschonung – aber nicht zulasten der Bevölkerung, mit "schlechtem Gewissen oder Hysterie".

Gelöst werden müsse stattdessen "das Überbevölkerungsproblem insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent", wo "innerhalb von zehn Tagen eine Million Menschen geboren" würden. Je mehr Menschen es gebe, um so mehr CO2 entstehe. Das sei ein schwieriges Thema, bleibe aber momentan in der Klimadebatte völlig außen vor.

Gegen Windräder im Thüringer Wald

Die AfD stehe auch für "klimagerechten Waldumbau", sagte Möller. Das brauche viel Geld, wie viel könne man schlecht abschätzen. Viele kleine Waldbesitzer seien jedoch überfordert. Hier müsse der Staat eingreifen. Ein "katastrophaler Fehler" sei aber, auf vom Borkenkäfer oder Stürmen geschädigten Waldflächen jetzt Windkraftanlagen zu setzen, was laut Möller die derzeitige Landesregierung plant.

Geschichtsbild und Leitkultur

Mitgearbeitet hat Möller auch an einem "Maßnahmenpaket zur Bewahrung der deutschen Identität". Darin heißt es nach seinen Worten unter anderem, eine "deutsche Leitkultur" müsse Verfassungsrang bekommen und "Staatsschutzziel" werden.

Zur Leitkultur gehöre auch, "dass wir von Kindheitsbeinen an eine gewisse Leistungsbereitschaft anerzogen bekommen". Dieser "typische deutsche Arbeitsethos, der weltberühmt ist, der kommt aus unserer Leitkultur heraus". Aber auch der Schutz des Schwächeren sei "ganz typisch für uns Deutsche". Die ersten Sozialversicherungen seien hier nach 1871 von Bismarck entwickelt worden, sagte Möller.

Möller will ein positives Heimat- und Geschichtsbild vermitteln: "Wenn man die Identität eines Landes prägen möchte, spielt die Geschichtsvermittlung eine entscheidende Rolle, wenn ich einen gesunden Patriotismus erreichen möchte, muss ich natürlich auch die positiven Aspekte unserer Geschichte betonen."

Lagertor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald
Lagertor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald: "Die verdammten zwölf Jahre" Bildrechte: picture alliance/dpa/Martin Schutt

Alles typisch Deutsche werde aber negativ dargestellt, meinte Möller. Und die "verdammten zwölf Jahre" würden instrumentalisiert, um besondere Lasten bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu rechtfertigen. Dabei wolle er keine Streichung aus Geschichtsbüchern: "Der Holocaust gehört zu unserer Geschichte und sicherlich auch irgendwo ein bisschen zur Identität." Aber "da ist man natürlich nicht stolz drauf".

Asyl- und Flüchtlingspolitik

Seenot-Rettung bezeichnete Möller zwar als "nichts anderes als Schlepperei". Gleichwohl sei sie in der AfD als "moralische Pflicht" nicht umstritten. Wer aber 20 Kilometer vor Libyen aufgenommen werde, müsse dort wieder an Land, und wenn das aus humanitären Gründen nicht gehe, dann in Tunesien, wo es möglich sei.

Tunesien ist ein Ruhe befindliches Land, da gibt es entsprechende Aufnahmemöglichkeiten.

Wichtig wäre laut Möller, dass "vor Ort die Flüchtlingsunterbringung drastisch unterstützt" werde: "Da müssen richtig Milliardenbeträge investiert werden. Das wäre allemal viel günstiger, als die Leute und ihre Probleme nach Deutschland zu bringen." Auch solle in Flüchtlingslagern in Syrien oder Jordanien geschaut werden, wer nach Deutschland solle, "der Christ, der dort verfolgt wurde", Jesiden, Frauen und Kinder, die schutzwürdiger seien als "die kräftigen jungen Männer, die zu uns kommen".

Das "dickste Wahlprogramm von allen"

Möller betonte aber, dass die AfD nicht nur das Flüchtlingsthema habe: "Das AfD-Wahlprogramm ist das dickste von allen Parteien". Mittlerweile habe sie zu jedem relevanten Thema politische Positionen und Lösungsansätze entwickelt. Sie habe "ein sehr ausgefeiltes wirtschaftspolitisches Programm, ein bildungspolitisches Programm", im Rentenkonzept der Thüringer AfD stehe man zur Umlage finanzierten Rente, wolle sie nur "drastisch erhöhen". Gleiches gelte für die Finanzen der Kommunen.

"Natürlich werden wir oft reduziert auf unsere Asylkritik", sagte Möller. Man merke aber, dass die AfD bei anderen Themen tätig sei. In Thüringen etwa habe ihr Entwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge bewirkt, dass "alle anderen Altparteien" umgeschwenkt seien, "weil sie Angst vor der AfD haben". Diese sei eben vor allem im Osten "extrem erfolgreich" mit ihrem "klaren sozialpatriotischen Kurs".

Nähe zu Rassismus und Rechtsextremismus?

Bei dieser Frage kritisierte Möller, dass der sogenannte Flügel der AfD vom Verfassungsschutz zum Verdachstfall erklärt wurde. Die Behörde werde als ein "machtpolitisches Instrument der etablierten Politik" genutzt. Schaue man gerade auf die Thüringer AfD, "merkt man, dass wir eine ganz klare Grenze nach Rechtsaußen ziehen". Und wenn jemand diese überschreite, "dann fliegt er bei uns raus".

Mit uns sind weder revanchistische Forderungen machbar, noch irgendwelche Holocaust-Verleugnungen.

Das Urteil, nach dem Björn Höcke als Faschist bezeichnet werden darf, sei "eine Schande für den Rechtsstaat", meinte der Anwalt. Auch mit Verweis auf das Urteil zu Beleidigungen gegen die Grünen-Politikerin Renate Künast sagte er, für die Justiz spiele Persönlichkeitsschutz "eine immer geringere Rolle". In Politik und Medien werde "ein Narrativ gezüchtet", das realitätsfern sei. Niemand in der AfD spreche von "Volksverderbern"; und "völkisch" sei ein Attribut, das der AfD von ihren Gegnern aufgedrückt werde, "weil wir natürlich Politik für das eigene Volk machen".

Thüringer AfD will regieren - am liebsten mit der CDU

Deshalb will die AfD in Thüringen auch regieren. Sie strebe "Gestaltungsmacht" an, weshalb es laut Möller auch "Unsinn" sei, eine Regierungsbeteiligung zu scheuen. Als Partner sehe man die hier CDU, mit der es die meisten Überschneidungen gebe.

CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring und die Bundespartei haben jedoch eine Kooperation ausgeschlossen. Dabei schätzt Möller "die CDU-Basis und die mittlere Ebene" als "sehr konservativ" ein, die sich "verdammt schwer tun" werde, mit den "in Thüringen doch ziemlich fundamentalistischen Grünen". Mit der AfD sei es da leichter, Kompromisse zu finden: "Wir sind immer gesprächsbereit, was das angeht."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 06. Oktober 2019 | 08:05 Uhr

25 Kommentare

wo geht es hin am 07.10.2019

Komisch: wenn die Migrationswilligen zum 1. Mal FREIWILLIG in Lybien aufschlagen, drohen wohl offensichtlich keine Gefahren wie Mord, Vergewaltigung usw.? Erst dann, wenn die Flüchtlinge zum 2. Mal wieder zurück an das lybische Ufer gebracht werden würden? Darauf muss man erst mal kommen...

Ernst678 am 07.10.2019

Lieber Markus, jede Hilfe vor Ort ist zehn Mal effektiver und zehn Mal preiswerter als hier. Allein für einen unbegleiteten Jugendlichen (den oft die Eltern als "Ankerkind" nach Deutschland geschickt haben) kostet dem deutschen Steuerzahler 3000-5000 Euro IM MONAT! Ihr letzter Satz ist eine Propagandalüge der schlimmsten Art!

ralf meier am 07.10.2019

Warum sollten Höcke, Kabitz und Co nicht in der Partei sein. Herr Kabitz wurde gerade erst eindrucksvoll in demokratischen Wahlen bestätigt. Diejenigen, die sich vorab echauffierten, er habe vor Jahrzehnten als Jugendlicher an einem rechten Feriencamp teilgenommen, sollten kurz innehalten und darüber nachdenken, ob man Frau Künast wirklich vorwerfen sollte, das sie vor Jahrzehnten meinte, pädophilenfreundliche Beschlüsse der Grünen währen durchaus ok wenn keine Gewalt im Spiel ist. Ganz zu schweigen von aktenkundigen linkskriminellen Gewalttätern wie Herrn Joschka Fischer. Auch Herr Höcke dürfte schon bald eine eindrucksvolle demokratische Bestätigung seiner politischen Agenda durch den Wähler bekommen. Das Teile der AFD vom Verfassungsschutz beobachtet werden, dürfte maßgeblich daran liegen, das Herr Maaßen laut Herrn Stegner gehen mußte, weil er sich weigerte, diese Beobachtung zu veranlassen. Sein Nachfolger hat das offensichtlich verstanden.

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