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Anschlag in HalleNach Antrag der Verteidigung droht der Prozess zu platzen

04. November 2020, 20:57 Uhr

Im Prozess zum Halle-Attentat hat die Verteidigung beantragt, das Verfahren auszusetzen. Auslöser war, dass die Anklage noch um einen versuchten Mord erweitert werden soll. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger müssen nun bis zum 16. November Stellung nehmen.

Am neunzehnten Prozesstag zum Anschlag auf die Synagoge in Halle hat der Verteidiger des Angeklagten einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung gestellt. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger haben bis zum 16. November Zeit, Stellung hierzu zu nehmen. Wird dem Antrag stattgegeben, müsste der Prozess einem der Anwälte zufolge von vorn beginnen.

Verteidiger Hans-Dieter Weber hat einen Aussetzungsantrag gestellt. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Jan Huebner

Hintergrund ist der Antrag eines Nebenklägers, den der Angeklagte auf seiner Flucht angefahren und verletzt hatte. Er hat beantragt, dieses Vergehen als versuchten Mord zu werten und nicht, wie in der Anklageschrift geschrieben, als fahrlässige Körperverletzung. Der Angeklagte war laut Zeugenaussagen gezielt auf eine Gruppe farbiger Personen zugesteuert und hatte den Nebenkläger angefahren. In der Begründung hieß es, der Angeklagte habe mehrfach betont, dass er den Tod gebilligt hätte und dass er dies ausschließlich an der Hautfarbe des Opfers ausgemacht habe.  

Online-Aktivitäten im Fokus

Bis zu diesem Antrag standen während des Verhandlungstages die Internet-Aktivitäten des Angeklagten im Fokus. Zeugen und Gutachter hatten den Angeklagten bislang als introvertierten Außenseiter beschrieben. Demnach soll der ausbildungs- und arbeitslose Junggeselle seit Jahren fast ausschließlich online Kontakt zur Außenwelt gehabt haben. Im Netz soll er sich auch radikalisiert und zum Waffenbau befähigt haben.

Bei der Vernehmung der zuständigen Experten des Bundeskriminalamtes waren allerdings viele Fragen zum Online-Umfeld offen geblieben. Für Klarheit sollte am Mittwoch nun eine Expertin sorgen. Die Journalistin Karolin Schwarz recherchiert seit Jahren zum Online-Extremismus, hat ein Buch zu diesem Themengebiet verfasst und war von Nebenklägern als Sachverständige vorgeschlagen worden.

Schwarz hatte direkt nach dem Anschlag am 9. Oktober 2019 die Reaktionen im Netz dokumentiert und untersucht. Ihre gesammelten Inhalte von drei einschlägigen Webseiten, auf denen auch der Angeklagte unterwegs gewesen sein soll, und die eines Messengerdienstes legte sie am Mittwoch dem Gericht vor.

Spekulationen und Häme

Demnach gab es auf diesen anonymen Online-Plattformen zahlreiche Spekulationen zur Herkunft des Täters und dessen Motiv. Auch menschenverachtende Reaktionen sind der Expertin zufolge unter den Kommentaren gewesen und es wurde über die Opfer hergezogen. Vor allem aber habe es viel Spott gegenüber dem Angeklagten gegeben. Schwarz zufolge wurde sich in zahlreichen Kommentaren über die Tat und das Versagen des Täters lustig gemacht. Dass seine Waffen nicht funktioniert haben und er nicht in die Synagoge gelangte, hätte in der Szene für Häme gesorgt.

Der Angeklagte hatte seine Tat im Netz angekündigt, sich auf den Attentäter von Christchurch in Neuseeland bezogen und sich direkt an das Publikum der rechtsextremen Internetforen gerichtet.

Dateien mit Bauanleitungen für Waffen sichergestellt

Nach Schwarz tritt der BKA-Beamte Sebastian Eberhardt in den Zeugenstand. Er spricht über Inhalte eines beschlagnahmte USB-Sticks und einer Festplatte des Angeklagten. Die Beweisstücke wurden im Rucksack des Angeklagten gefunden, der sich auf dem Beifahrersitz des gestohlenen Flucht-Taxis befand.

Auf den Beweismitteln befanden sich dem Beamten zufolge unter anderem aus dem Netz heruntergeladene Bauanleitungen für Waffen. Auch Dateien, die mit dem Christchurch-Attentat in Zusammenhang stehen, seien dort gespeichert gewesen sowie eine Vielzahl an Gewaltvideos und Musik, die der rechten Szene zugeordnet werde.

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Quelle: MDR/cw

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT | 04. November 2020 | 12:00 Uhr

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