Anschlag in Halle Siebzehnter Prozesstag: Psychologe bescheinigt Angeklagtem eingeschränkte Beziehungsfähigkeit

14. Oktober 2020, 19:15 Uhr

Im Prozess zum Anschlag in Halle ging es am Mittwoch um das Verhalten des Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt und darum, wie er die Tat vorbereitet hat. Dazu wurden insgesamt sieben Zeuginnen und Zeugen aus den Jugendvollzugsanstalten in Halle und Burg und aus dem Bundeskriminalamt geladen.

Am siebzehnten Prozesstag nach dem Anschlag in Halle kamen zuerst Beamtinnen und Beamten der Justizvollzugsanstalten zu Wort. Ein Beamter der JVA Burg sagte, der Angeklagte habe keinerlei Kontakt zu anderen Gefangenen und bewege sich immer in Begleitung von zwei Personen des Gefängnispersonals. Das Wachpersonal selbst halte den Kontakt zum Angeklagten kurz, es werde nichts Persönliches besprochen.

Wegen Stau an den Einlasskontrollen hatte der Prozess mit 15 Minuten Verspätung begonnen. Im Zuschauerraum waren unter anderem Grünen-Landespolitiker Sebastian Striegel, Vorsitzender des 19. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz beim Terroranschlag, und sein Parteikollege Grünen-Bundespolitiker Cem Özdemir. Nach MDR-Informationen saßen im Publikum außerdem Zuschauende mit Kleidung der unter Rechtsextremen beliebten Marke Thor Steinar.

Psychologe bescheinigt eingeschränkte Beziehungsfähigkeit

Später wurde eine Beamtin des Bundeskriminalamtes befragt. Sie hatte die Musik ausgewertet, die der Angeklagte während der Tat gehört hatte. Nach ihrer Aussage hatten einige der Lieder verschwörungstheoretische, rassistische und frauenfeindliche Inhalte. Teilweise sei es explizit um Tötungen gegangen. Ihrer Aussage folgte von einem Rechtsanwalt der Nebenklage Kritik an der Arbeit des Bundeskriminalamtes:

Wenn wir hier einen internetkompetenten 18-Jährigen hingesetzt hätten, hätten der uns mehr sagen können als alle Zeugen des BKA.

Rechtsanwalt der Nebenkläger David Herrmann

Am Mittag des Prozesstages wurde ein Psychologe aus der Justizvollzugsanstalt Halle verhört. Er hatte mit dem Angeklagten regelmäßig Gespräche geführt. Der Psychologe bescheinigte dem Angeklagten eingeschränkte Beziehungsfähigkeit.

Über die zwei Todesopfer habe der Angeklagte Bedauern geäußert. Er sei frustriert und wütend gewesen, weil er nicht in die Synagoge eindringen konnte. Deswegen habe er die Menschen mit seiner Waffe bedroht und geschossen. Der Angeklagte habe außerdem Bedauern geäußert, weil seiner Familie durch seine Tat negative Folgen entstanden seien. Reue empfinde er laut Psychologe aber nicht.

Finanzen des Attentäters analysiert

Am Nachmittag befragte das Gericht einen Beamten des Bundeskriminalamtes, der die Finanzen des Angeklagten analysiert hatte. Laut Aussage des Beamten hat der Angeklagte große Teile der Waffen selbst gebaut. Ob seine Mutter und sein Vater in die Waffenkäufe involviert gewesen seien, müsse noch überprüft werden. Weiterhin erzählte der Beamte, dass Hinweise darauf gefunden worden seien, dass der Angeklagte ein Bitcoin-Konto hatte.

Bevor der letzte Zeuge befragt wurde, legte das Gericht eine kurze Pause ein. Zuvor kündigte der Richter an, dass die Gerichtstermine im Dezember aus Rücksicht auf der jüdische Fest Chanukka vom 16. und 17. auf den 21. und 22. Dezember verschoben werden sollen.

Der letzte Zeuge am Mittwoch war ein Beamter des Bundeskriminalamtes. Er wurde zur Vorbereitung der Tat befragt. Vor Gericht sagte er unter anderem aus, dass die sportlichen Aktivitäten des Angeklagten im letzten halben Jahr deutlich zugenommen hätten. Das könne man so deuten, dass er sich auf Kampfhandlungen vorbereitet habe.

Quelle: MDR/aso

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 14. Oktober 2020 | 14:00 Uhr

2 Kommentare

Willow am 15.10.2020

Auch wenn er eine "eingeschränkte Beziehungsfähigkeit" hat, sollte es dennoch unrelevant bei der Urteilsfindung sein. Es gibt so viele Menschen, die ein Traumata durchlebt haben und sich nicht radikalisiert haben und wild um sich schießen. Es gibt so viele Menschen, die eine "schwierige" Kindheit durchleben mussten und dennoch heute ein gutes, normales Leben führen. Nach der Wende sind viele Menschen ihrer Identität beraubt, arbeitslos geworden und hatten kaum eine Perspektivie, wie es weitergehen soll, dennoch haben Sie keine Menschen erschossen. Ich finde, man sollte dem "Mensche" des Täters keine Aufmerksamkeit schenken, sondern den Opfern und deren Familien. Lasst "ihn" uns vergessen, wenn er hoffentlich für immer eingesperrt ist, und der Opfer und der Familien gedenken. Das Geld für die Gutachter sollte eher gespart werden und für "Traumata-Therapie" der Opfer und deren Familien verwenden, da diese es wirklich benötigen.

aus Elbflorenz am 14.10.2020

Wer mordet, gehört eingebuchtet. Opferschutz nicht Täterschutz ist die Devise.

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