Kfz Mechatronikerin
In Sachsen-Anhalt hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO/Shotshop

Neues Ausbildungjahr beginnt Firmenchef aus Halle: Wir bilden inzwischen auch Kenianer oder Indonesier aus

01. August 2023, 19:02 Uhr

Gute Nachrichten zum neuen Ausbildungsjahr: Azubis in Sachsen-Anhalt können sich freuen. Weil Nachwuchs und Arbeitskräfte fehlen, umsorgen viele Firmen die Bewerber mit allerlei Annehmlichkeiten.

MDR SACHSEN-ANHALT-Autor Hannes Leonard steht im Profil vor einer Wand
Bildrechte: MDR/Hannes Leonard

Am Ortsrand von Bad Dürrenberg hat die gleichnamige Agrargenossenschaft ihren Hauptsitz. Links geht es zum Bauernladen, rechts durch eine weiße Eingangstür kommt man ins Besprechungszimmer. Darin sitzen, mit dem Rücken zur Tür, vier Azubis, die eine Ausbildung zum Landwirt beginnen. Ihnen gegenüber haben sich Matthias Ulrich und seine vier Kollegen gesetzt.

Mehr Azubis in Sachsen-Anhalt Am Dienstag hat das neue Ausbildungsjahr begonnen. Die Handwerkskammer Halle teilte mit, dass es in diesem Jahr im Süden von Sachsen-Anhalt wieder mehr Azubis in Handwerksberufen gibt. Demnach sind im Bezirk der Kammer 1.068 junge Menschen in eine entsprechende Ausbildung gestartet. Im vergangenen Jahr hat die Zahl nach Angaben der Kammer bei 990 gelegen, im Jahr 2021 bei 988. Ende Juli 2023 sind bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) exakt 2.565 neue Ausbildungsverträge eingetragen. Das sind 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Für die drei Jugendlichen beginnt mit ihrer Ausbildung ein neuer Lebensabschnitt. Ulrich gibt ihnen eine erste Einweisung, was jetzt wichtig ist. Dazu gehöre natürlich auch, mit ordentlicher und sauberer Arbeitskleidung am Morgen im Betrieb zu erscheinen und dabei pünktlich zu sein, sagt er. "Wichtig ist uns auch ein respektvoller Umgang unter den Mitarbeitern und gegenüber den Vorgesetzten."

Landwirt Ulrich: Werben um Azubis

Ulrich ist im Vorstand der Agrargenossenschaft mit knapp hundert Mitarbeitern. "Unsere Flächen gehen von Nord nach Süd 30 Kilometer, von Ost nach West sind es 17 Kilometer", erzählt er im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Insgesamt wirtschafte man in 27 Gemeinden, so Ulrich. Angebaut werden unter anderem Kartoffeln, Gemüse, auch eine Legehennenhaltung mit 100.000 Tieren und ein Biohof gehören zum Unternehmen.

Fakt ist: Es ist für die Firmen im Land nicht leicht, Auszubildende zu finden. "Wir sind auch in den sozialen Medien aktiv, dort erreichen wir viele junge Leute", erzählt Ulrich. Natürlich stelle man sich darüber hinaus in den Schulen vor oder nehme an Berufsbildungsmessen teil. "Da freue ich mich, dass wir immer wieder Interessenten für den Beruf des Landwirts finden, denn das ist ja eine spannende und abwechslungsreiche Tätigkeit."

Gesamtpaket muss stimmen

Trotzdem spürt Ulrich den Konkurrenzkampf mit anderen Firmen der Region um Arbeitskräfte. Man sei halt nicht Porsche oder BMW, wo der Name schon genug Bewerber anziehe, so Ulrich. "Wir sind aber ein sehr moderner Betrieb mit großer Technik, das überzeugt sicher auch den einen oder anderen." Außerdem könne man vom guten Ruf profitieren, den man als größeres Unternehmen in der Region hat, so Ulrich.

Unbesetzte Ausbildungsplätze Viele Betriebe in Deutschland haben Nachwuchssorgen: Von Oktober 2022 bis Juli 2023 meldeten Unternehmen bundesweit 509.000 Ausbildungsplätze bei der Bundesagentur für Arbeit und damit ähnliche viele wie vor einem Jahr. Davon blieben allerdings 45 Prozent bis kurz vor dem offiziellen Start des Ausbildungsjahres am 1. August unbesetzt. Auf der anderen Seite suchten im Juli noch 117.000 junge Menschen eine Ausbildung, der Großteil von ihnen als Verkäuferin oder Verkäufer und als Kaufleute im Büromanagement. Gerade in diesen Bereichen waren zu dem Zeitpunkt auch noch viele Lehrstellen im Angebot.

Aber damit nicht genug: Die Agrargenossenschaft unterstützt die Azubis ganz praktisch, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. So gibt es eine Förderung für den Erwerb des Führerscheins, vorab würden die neuen Mitarbeiter komplett eingekleidet und im Laufe der Ausbildung können sie natürlich auch von den Produkten des Unternehmens profitieren. "Ich denke, durch das Gesamtpaket gelingt es uns ganz gut, immer wieder neue Mitarbeiter zu finden", so Ulrich.

Azubis aus Indonesien und Kenia

Auch beim Backwarenhersteller Artiback in Halle werden die drei neuen Azubis, die in dieser Woche ihre Lehrzeit beginnen, rundum betreut. Am Morgen ihres ersten Arbeitstages hat der Firmenchef selbst durch den Betrieb mit rund 150 Mitarbeitern geführt. "Arbeitskräfte zu finden, das hat sich komplett gedreht", sagt Geschäftsführer Marc Michael Saam, "wenn ich vor zehn Jahren im September neue Mitarbeiter gebraucht habe, ist die Suche Anfang August gestartet."

Heute plane man die Mitarbeitergewinnung dagegen in Jahresschritten. "Dafür sind wir viel in den sozialen Medien unterwegs, damit wir dort von potenziellen Interessenten gefunden werden können", so Saam im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. Weil es zunehmend schwer ist, Mitarbeiter zu finden, werden bei Artiback auch Menschen aus Indonesien oder Kenia ausgebildet.

Gute Betreuung für neue Azubis

"Die sind sehr motiviert", freut sich Saam. Das Unternehmen hat für diese Mitarbeiter extra eine möblierte Wohnung angemietet. "Da war am Anfang bei uns auch die bange Frage, klappt die WG", erzählt Saam. Aber das habe auch sehr gut funktioniert. "Im Unternehmen haben alle Paten bekommen, die auch für Alltagsfragen zur Verfügung stehen". Alle Azubis würden etwas über Tarif bezahlt. "Die Leute müssen ja auch davon Leben können."

Arbeitslosenquote in Sachsen-Anhalt Zum Stichtag 12. Juli waren in Sachsen-Anhalt 82.700 Arbeitslose gemeldet, teilte die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit mit. Im Vormonat seien es 2.100 Menschen weniger gewesen. Auch im Vergleich zum Juli 2022 stieg die Arbeitslosigkeit. Damals lag die Arbeitslosenquote bei 7,2 Prozent, im Juli dieses Jahres betrug sie 7,5 Prozent. Den höchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit seit Jahresbeginn verzeichnete die Arbeitsagentur eigenen Angaben zufolge unter Ausländern und Langzeitarbeitslosen. Rund 31.300 Männer und Frauen waren im Juli länger als ein Jahr ohne Arbeit und somit langzeitarbeitslos. Sie machten damit einen Anteil von 37,9 Prozent der Arbeitslosen aus, hieß es.

Daneben stellt das Unternehmen Schulmaterialien, organisiert, wenn nötig, Nachhilfe oder eine Vertiefung. Gemeinsamen Freizeitveranstaltungen werden durch die Firma für die Azubis organisiert. Und natürlich gebe es auch monetäre Anreize, wenn sie ein gutes Zeugnis haben, so Saam. "Wenn Mitarbeiter eine gewisse Zeit im Ausland arbeiten wollen, bekommen sie auch Unterstützung."

Letztlich gehe es immer darum, als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, so Saam, "weil die Mitarbeitergewinnung zukünftig noch schwieriger wird." Deshalb sei es auch falsch, von einem Fachkräftemangel zu sprechen. "Wir haben einen Arbeitskräftemangel", sagt Firmenchef Saam.

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MDR (Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 01. August 2023 | 15:00 Uhr

100 Kommentare

Simone am 03.08.2023

@Vox Populi
Wer von Haus aus angefressen ist, der sieht natürlich überall eine Beleidigung. Fakt ist, dass dass auch viele DDR Bürger nicht wirklich einfach einen Zugang zu dem neuen Arbeitsmarkt der BRD gefunden haben und das obwohl sie doch so viele Vorteile gegenüber den aktuell Geflüchteten haben.

Hier geht es aber um die Ausbildungssituation in Sachsen-Anhalt und wie Unternehmen SChwierigkeiten haben ihre Ausbildungsstellen zu besetzen, so dass sie sogar Azubis aus Kenia heran karren müssen.

Invictus am 03.08.2023

Anita, wie kommen sie darauf ? Fakt ist doch, wenn wir jedes Jahr viele , viele Milliarden Euro für andere Länder , für andere Menschen ausgeben, dass uns Deutschen das Geld für wichtige Aufgaben fehlt, welches wir ja selbst erwirtschaftet haben und nun nicht dafür verwendet werden kann. Da ist einfache Mathematik. Ich kann den Euro nur einmal ausgeben.

Lavendel am 03.08.2023

@Invictus
Erzählen sie ihre Milchmächenrechnungen doch bitte jemand Anderem.
Jeder Staat hat unzählige Aufgaben gleichzeitig zu erledigen und nur weil sie meinen man könne sich einer einfach entledigen, weil man persönlich keine Lust darauf hat, dann erzählen sie schlicht und ergreifend Unsinn.

Kindergärten haben wir übrigens genügend, aber es fehlt am notwendigen Personal das diesen Job machen will. Kein Wunder, wenn man sich einen parallen Artikel über einen Ort im Wartburgkreis mit 35% Prozent Rentneranteil anschaut. Wo sollen da die Arbeitskräfte her kommen? Aus dem Seniorenheim?

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