Chronologie Zwischen Konkurrenz und Kooperation: Unikliniken Halle und Magdeburg
Hauptinhalt
Sachsen-Anhalt hat zwei Unikliniken für nur 2,2 Millionen Einwohner. Das führt immer wieder zu Debatten, denn das Land muss für beide Investitionen wie Baumaßnahmen oder neue Geräte tragen. Eine Chronologie von 1694 bis heute zur Entwicklung der Unimedizin in Halle und Magdeburg.

1694: Gründung Medizinische Fakultät Halle
Die Universität Halle wird gegründet. Die Medizinische Fakultät gehört zu den Gründungsfakultäten.
1754: Erste Frau promoviert in Medizin
Die Arzttochter Dorothea Christiane Erxleben aus Quedlinburg promoviert als erste Medizinerin Deutschlands an der Uni Halle.
1954: Gründung Medizinische Akademie Magdeburg
Aus den Sudenburger Krankenanstalten wird eine medizinische Hochschuleinrichtung, die Medizinische Akademie Magdeburg (MAM).
1979: Uniklinik Halle am Standort Kröllwitz
Das Klinikum Kröllwitz geht in Besitz der Uni Halle über und wird damit zum neuen Standort der Uniklinik.
1991: Wissenschaftsrat empfiehlt Sachsen-Anhalt zwei Medizinische Fakultäten
Der Wissenschaftsrat, ein Beratungsgremium des Bundes und der Länder zu Entwicklungen in der Forschung und im Hochschulbereich, empfiehlt gleichrangig die Weiterführung der Medizinischen Akademie in Magdeburg und der Medizinischen Fakultät in Halle. Zugleich sollten die Kliniken jedoch deutlich weniger Betten – 2.700 statt bislang 3.900 an beiden Hochschulkliniken zusammen – vorhalten, um Kosten zu sparen. Der Rat betont außerdem, dass beide Standorte nur dann sinnvoll weitergeführt werden könnten, wenn beide angemessen in der Finanzplanung des Landes berücksichtigt würden.
1993: Medizinische Akademie Magdeburg wird Fakultät
Die Medizinische Akademie Magdeburg schließt sich mit der Universität Magdeburg zusammen. Die Medizinische Fakultät entsteht.
1995: Wissenschaftsrat kritisiert Unterbringung der Uniklinik Halle
Der Wissenschaftsrat empfiehlt die stärkere fachliche Abgrenzung der Unimedizin Halles zu den Standorten Magdeburg, Leipzig und Jena. Zudem kritisiert er die bauliche Unterbringung der Uniklinik Halle und rät zu einer kompletten Verlagerung an den Standort Kröllwitz. Wegen unzureichender Finanzierung der nötigen Baumaßnahmen führt die Uniklinik Halle vorübergehend Verhandlungen mit der Rhön Klinikum AG. Damit stößt die Klinik eine Privatisierungsdebatte an, die innerhalb der Fakultät polarisiert.
An der Uniklinik Magdeburg eröffnet derweil die Herzchirurgie in einem provisorischen Bau in Beton-Containern, der eigentlich nur übergangsweise genutzt werden sollte, letztlich aber für Jahrzehnte im Einsatz ist.
1999: Neuer Studiengang in Halle
An der Uni Halle kann der Studiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaften studiert werden.
2003: Klinik-Neubau in Halle-Kröllwitz fertig
Am Standort Kröllwitz wird ein Erweitungsbau der Uniklinik Halle eingeweiht. Der Bau hat etwa 153 Millionen Euro gekostet.
2004: Gemeinsame Kommission beider Medizinischer Fakultäten
Beide Medizinische Fakultäten richten eine gemeinsame Kommission ein, um ihre Forschungsarbeit miteinander abzustimmen. Ziel der Kommission ist es, ergänzende Kooperationen und Professuren aufzustellen.
2009: Positive Entwicklung der Uniklinik Magdeburg
Der Wissenschaftsrat begutachtet auf Wunsch des Landes die Unikliniken in Halle und Magdeburg. Magdeburgs Zeugnis fällt insgesamt positiv aus. Die Unimedizin habe sich mit ihren Forschungsschwerpunkten Neurowissenschaften und Immunologie gut positioniert und mit externen Instituten gut vernetzt. Kritisiert wird, dass veraltete Geräte die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Unikliniken gefährden. Es bestehe Investitionsbedarf.
Die Unimedizin in Halle kommt weniger gut weg. Die baulichen Entwicklungen in Halle hätten zwar deutliche Fortschritte gemacht. Aber ein wissenschaftliches Profil fehle dem Standort, auch bei der Lehre hapere es noch. Zudem merkt der Rat an, dass sowohl die Medizinische Fakultät in Halle als auch in Magdeburg personell nur minimal besetzt sind.
2011: Land prüft Privatisierung der Unikliniken
Landesfinanzminister Jens Bullerjahn (SPD) schlägt im Juni vor, die beiden Unikliniken zu privatisieren, um Kosten zu sparen. Die Landesregierung will das Wissenschaftsministerium beauftragen, die Pläne zu prüfen. Doch SPD-Landeschefin Katrin Budde spricht sich gegen eine Privatisierung aus. Der Prüfauftrag wird wieder gestrichen.
2013: Unimedizin in Halle vom Aus bedroht
2013 ist ein turbulentes Jahr für die Unimedizin in Halle. Finanzminister Bullerjahn legt für 2014 bis 2017 einen strikten Sparplan vor, der die finanzielle Förderung der Hochschulen in Sachsen-Anhalt stark einkürzt. Um Geld zu sparen, soll unter anderem die Unimedizin in Halle geschlossen werden. Die Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) leistet gegen die Sparpläne Widerstand. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) entlässt sie im April und ersetzt sie durch Hartmut Möllring (CDU), einen ehemaligen niedersächsischen Finanzminister. Haseloffs Entscheidung wird bundesweit kritisiert.
Im Frühjahr beginnen in Halle Proteste gegen die mögliche Schließung der Medizinischen Fakultät. Mehrfach gehen Tausende unter dem Motto "Halle bleibt" auf die Straße.
Im Juli nimmt der Wissenschaftsrat Stellung zur Unimedizin in Halle. Die Entwicklung der Forschung sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, obgleich der Schwerpunkt Pflegeforschung Potenzial habe. Der Rat spricht sich dafür aus, die Uniklinik für die Ausbildung in diesem Schwerpunkt zu erhalten. Der erste Teil der medizinischen Ausbildung, die Vorklinik, solle aber nach Magdeburg ausgelagert werden. Die Universitätsmedizin Halle legt als Reaktion auf die Stellungnahme ein Entwicklungskonzept vor, um zu zeigen, dass die Medizinische Fakultät Zukunft hat. Das Papier stellt Sparmaßnahmen bis 2025 vor.
Die zahlreichen Proteste zeigen letztlich Wirkung: Bullerjahn, der zunächst darauf bestanden hatte, bei der Hochschulfinanzierung zu sparen, lenkt ein. Bei der Landtagsdebatte im September zum Haushalt für 2014 sind finanzielle Kürzungen bei den Hochschulen schließlich vom Tisch. Das Fortbestehen beider Unikliniken ist damit gesichert.
2016: Proteste der Medizinischen Fakultäten
Im Koalitionsvertrag hält die Landesregierung fest, dass sie die Universitätskliniken Halle und Magdeburg weiterentwickeln will. Eine Privatisierung der Kliniken wird abgelehnt.
Aber hunderte Studierende und Mitarbeiter der Medizinischen Fakultäten Halle und Magdeburg protestieren im Oktober erneut vor dem Landtag in Magdeburg. Sie fordern mehr Geld. Insgesamt beklagen sie einen Investitionsstau von rund 60 Millionen Euro.
2017: Professorin des Jahres lehrt in Halle
Halles Anatomie-Professorin Heike Kielstein wird 2017 zur Professorin des Jahres im Bereich Medizin/Naturwissenschaften gekürt. Der Grund: Sie lehrt ihren Studierenden zufolge besonders anschaulich und berufsorientiert. Der deutschlandweit vergebenene Titel "Professor des Jahres" geht erstmals nach Sachsen-Anhalt.
2018: Uniklinik Magdeburg fordert 800 Millionen Euro bis 2030
Die Uniklinik Magdeburg soll ein neues Herzzentrum bekommen. Um Platz für den Neubau zu schaffen, muss ein denkmalgeschütztes Gebäude abgerissen werden. Die Kosten für das Vorhaben belaufen sich auf etwa 100 Millionen Euro. Als der Neubau 2016 beschlossen wurde, war noch mit etwa 40 Millionen Euro kalkuliert worden.
Im November heißt es von der Uniklinik Magdeburg erstmals, dass sie bis 2030 etwa 800 Millionen Euro für Investitionen benötigt. Vor allem Baumaßnahmen sind laut Klinik nötig.
2019: Uniklinik Halle erwartet schwarze Null
Nach eigenen Angaben will die Uniklinik Halle in der Jahresbilanz für 2018 erstmals seit 2011 die schwarze Null schaffen. Zum Vergleich: 2014 stand die Klinik mit sechs Millionen Euro Verlust da. Die Erlöse seien durch Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Bergmannstrost und eine bessere Vergütung der Ambulanz entstanden. Die Uniklinik Magdeburg rechnet für das vergangene Jahr dagegen mit einem Defizit von zwölf Millionen Euro.
Die Uniklinik Magdeburg fordert im Februar einen Baustopp für die neue Notaufnahme. Die Baupläne sollen aus Sicht der Klinik nachgebessert werden. Die Erstellung der bisherigen Baupläne hat bereits eine Million Euro gekostet.
Für die Jahre 2020 bis 2024 plant das Land, für neue medizinische Geräte pro Uniklinik jährlich zehn Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. In diesem Jahr liegt die Förderung bei etwa sechs Millionen Euro je Klinik. Ein für 2020 und 2021 geplanter Doppelhaushalt soll zudem größere Investitionen, etwa für Baumaßnahmen, ermöglichen.
Die Ärztlichen Direktoren beider Unikliniken sagen, dass die Standorte bei der Patientenversorgung keine Konkurrenten seien: Sachsen-Anhalts Patienten verteilen sich auf beide Kliniken, Überschneidungen gebe es kaum. Bei Transplantationen kooperieren die Unikliniken. Im Bereich der Verwaltungen wird eine Zusammenarbeit ebenfalls angestrebt.
Quelle: MDR/mh