Sachsen-Anhalt Corona-Impfpflicht: Schließung von Zahnarzt-Praxen möglich – aber unrealistisch
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In Berufen im Gesundheitswesen müssen Beschäftigte ab Mitte März gegen das Coronavirus geimpft sein. Das betrifft auch Zahnarzt-Praxen. Was aber, wenn zu viele Beschäftigte sich gegen die Impfung verweigern? Schließt dann die Praxis? Die zuständige Kammer in Sachsen-Anhalt schließt das nicht aus – und warnt vor einer Verschärfung des ohnehin schon grassierenden Nachwuchsmangels.

- Die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen kommt. Ab Mitte März müssen auch Zahnärzte nachweisen, dass sie geimpft sind. Im schlimmsten Fall drohen Praxisschließungen.
- In Sachsen-Anhalt sind nach Einschätzung der zuständigen Kammer viele Zahnärzte geimpft. Zahlen gibt es aber nicht.
- Die Schließung von Praxen würde die ohnehin angespannte Versorgung mit Zahnärzten weiter verschärfen.
Zahnärzte in Sachsen-Anhalt haben wegen der Corona-Impfpflicht im Gesundheitswesen vor den Folgen möglicher Praxisschließungen gewarnt. Wie die Zahnärztekammer mitteilte, droht in diesem Fall eine "zunehmende Schieflage der zahnärztlichen Versorgung".
Anlass für die Äußerungen sind Fälle aus Thüringen und Sachsen. Dort war zuletzt bekannt geworden, dass wegen der bereits beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen einzelne Zahnarztpraxen vorübergehend schließen könnten – weil die Zahnmediziner selbst oder große Teile ihres Personals die Impfung ablehnen.
Berichte: Praxisbeschäftigte wollen kündigen
Dass solche Schließungen auch in Sachsen-Anhalt drohen, ist laut zuständiger Zahnärztekammer bislang nicht bekannt. Auszuschließen ist es aber nicht. Darauf hat der Präsident der Kammer, Carsten Hünecke, aufmerksam gemacht. Hünecke – der als Zahnarzt in Magdeburg praktiziert – sagte MDR SACHSEN-ANHALT, aktuell gebe es verstärkt Anfragen und Berichte aus Praxen, nach denen die Impfpflicht zur Kündigung von Praxisbeschäftigten führen könnte. Das Ausmaß lasse sich aber nicht abschätzen.
Wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie ihrer Angestellten geimpft ist.
Genaue Zahlen zur Impfquote der Zahnärzte lägen aber nicht vor. Wie Hünecke weiter sagte, haben die Zahnärzte in Sachsen-Anhalt erst kürzlich das Gespräch mit dem zuständigen Gesundheitsministerium gesucht. In einem Brief habe man darum gebeten, Regeln so auszugestalten, dass sie den Zahnarztpraxen "nicht noch mehr Belastungen und Verpflichtungen aufbürdet". Wegen der hohen Hygiene-Bestimmungen habe es kaum nachgewiesene Corona-Infektionen in den Zahnarztpraxen gegeben, sagte Hünecke unter Verweis auf Statistiken der Berufsgenossenschaft.
Sollte eine Praxis wegen der Corona-Impfpflicht wider Erwarten doch schließen, steht nach Angaben der Zahnärztekammer unter anderem ein Notdienst für akute Fälle bereit. Hünecke sagte, er rate davon ab, geplante Termine beim Zahnarzt voreilig abzusagen oder Behandlungen zu verschieben. Vorsorge und rechtzeitige Behandlung seien wichtig, zumal Erkrankungen im Mund neben einer Covid 19-Infektion unvermindert fortbestünden.
Prognose: Mehr als die Hälfte geht bis 2030 in Rente
Sollten wegen der Impfpflicht aber doch Praxen schließen, träfe das eine ohnehin schon vom Nachwuchsmangel gebeutelte Branche. Zuletzt erst war bekannt geworden, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung Studierenden aus Sachsen-Anhalt künftig Stipendien an einer ungarischen Unversität anbietet, wenn der Abiturschnitt in Deutschland nicht für das Zahnmedizin-Studium reicht. Aus gutem Grund, wie zumindest die Zahlen zeigen.
Danach werden bis zum Jahr 2030 voraussichtlich rund 800 der aktuell 1.400 niedergelassenen Zahnärzte und Kieferorthopäden in Sachsen-Anhalt in Rente gehen. So zeigt es eine Prognose der Kassenzahnärztlichen Vereinigung. Dabei findet sich für jede zweite Praxis schon jetzt kein Nachfolger.
Das besagt der Versorgungsgrad
Wie viele Zahnärztinnen und -ärzte eine Region braucht, um versorgt zu sein, hängt davon ab, wie viele Menschen dort leben. Die KZV berechnet daraus den Versorgungsgrad. Bei 100 Prozent ist eine optimale Versorgung gewährleistet. Liegt der Wert bei mehr als 110 Prozent, spricht die Vereinigung von einer "Überversorgung". Ein Versorgungsgrad von unter 50 Prozent gilt als "Unterversorgung".
Um des Problems Herr zu werden, wird die Gründung oder Übernahme einer Zahnarzt-Praxis in Sachsen-Anhalt finanziell von den Kammern gefördert. Außerdem gibt es Foren, über die sich alte und neue Zahnärzte austauschen können sowie sogenannte Praxislotsen, die sowohl Zahnärzte bei der Suche nach Nachwuchs als auch den Nachwuchs bei dessen Suche nach Stellen begleiten.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war im Dezember von Bundestag und Bundesrat beschlossen worden. Sie gilt für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich und soll dazu dienen, Patienten besser vor den Folgen einer Corona-Infektion zu schützen. Die Impfpflicht gilt ab 16. März 2022.
MDR (Luca Deutschländer)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. Januar 2022 | 05:30 Uhr
Kritiker vor 17 Wochen
Angesichts dieses Artikels ist es NICHT nachvollziehbar, das Kunden oder eben Geimpfte Patienten=Bürger, welche einen Zahnarztbesuch vornehmen so toll geschützt werden müssten, das verlangt wird, Arzt und Personal hat sich impfen zu lassen, ansonsten mögliche Praxisschließung oder Personalentlassung.
Sind Geimpfte nicht gegen schwerste Erkrankung, durch ihren Impfstatus und somit vor schwere Fälle geschützt?
TomTom 58 vor 17 Wochen
Ganz tolle "Logik"!
Zahnärzte und deren Angestellte, die in 2 Jahren Coronapandemie nahe am Patienten gearbeitet haben - NÄHER geht gar nicht - müssen sich jetzt impfen lassen, weil sie sonst ihren Auftrag, die Grundversorgung von Patienten sicher zu stellen, nicht mehr ausüben dürfen.
Der Präsident der Kammer "nimmt an", dass seine Kollegen die Impfung bereits absolviert haben. Nichts genaues weiß er nicht.
Unter der Voraussetzung, dass bis 2030 eh die Hälfte der Zahnärzte in den Ruhestand gehen, werden wohl viele, die kurz vor dem Ruhestand stehen oder bereits das Alter erreicht haben, jetzt ihre Praxen schließen. Damit sie der Zwangsimpfung ausweichen können.
Da ist, besonders in ländlichen Bereichen, der Verweis auf Notärzte nicht gerade hilfreich!
Hier zeigt sich mal wieder eine Form der ganz besonderen "Politikerlogik". Wer Druck ausübt muss damit rechnen, daß viele Menschen diesem Druck ausweichen werden - zu Lasten des Patienten.