Pandemie-Politik Corona-Herbst: Ruf nach bundesweit einheitlichen Maßnahmen

01. Juli 2022, 05:00 Uhr

Der Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, Uwe Ebmeyer, fordert eine bessere Vorbereitung der Krankenhäuser auf den Corona-Herbst. Vor allem brauche es aber ein bundesweit einheitliches Stufenkonzept für Maßnahmen. Über diese beraten am Freitag die Gesundheitsminister und -ministerinnen von Bund und Ländern. Basis wird eine erste Auswertung der bisherigen Corona-Politik sein.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Mit Blick auf die erwartete Corona-Welle im Herbst fordert Sachsen-Anhalts Ärztekammer umfangreiche Vorkehrungen von der Politik. Ärztekammer-Präsident Uwe Ebmeyer sagte dem MDR, es müssten Medikamente bereitgestellt und Beschaffungswege gesichert werden. Auch brauche es mehr ein besseres Monitoring von Varianten sowie Geld und mehr Behandlungsräume für die Krankenhäuser.

Bei der Frage der richtigen Schutzmaßnahmen sprach sich Ebmeyer gegen Schul- und Kitaschließungen aus. Diese müssten "Ultima Ratio" bleiben. Stattdessen sollten nur einzelne Kinder oder Gruppen in Quarantäne geschickt werden. Umfangreiche Schließungen hätten in den ersten Pandemie-Jahren zu "viele negative Auswirkungen" wie Bildungsdefizite, der Abbruch sozialer Beziehungen oder eine Gewichtszunahme gegenüber gestanden. 

Ärztechef wünscht sich einheitliches Stufenkonzept für Corona-Herbst

Vor allem sei künftig eine einheitliche Corona-Politik wichtig, sagte Ebmeyer. Er plädiert für ein Stufenkonzept. Dieses solle in ganz Deutschland gelten und "transparent und nachvollziehbar" sein.

In der Vergangenheit hätten Unterschiede in der Umsetzung der Maßnahmen zwischen Bundesländern, aber auch einzelnen Kommunen für "erhebliche Verunsicherung" bei den Menschen und auch Beschäftigten im Gesundheitswesen geführt, so Ebmeyer. "Die Kolleginnen und Kollegen erwarten, dass wir aus den letzten zwei Jahren jetzt Schlussfolgerungen ziehen."

Druck auf die Politik kommt von den Gewerkschaften. Laut ver.di sind alle bisherigen Maßnahmen gegen Personalnot und Überlastung nur "halbherzig" gewesen. Um die versprochene Entlastung von Pflegekräften tatsächlich zu erreichen, müsste die bereits beschlossene Personalrichtlinie des Bundes nun kurzfristig in den Krankenhäusern umgesetzt werden.

Gesundheitsministerkonferenz berät über mögliche Corona-Maßnahmen

Die Gesundheitsministerinnen und -minister von Bund und Ländern wollen am Freitag auf einer Sondersitzung über die Vorbereitungen auf den Corona-Herbst beraten. Unter anderem braucht es ein neues Infektionsschutzgesetz – das derzeitige läuft am 23. September aus. Basis der Beratung soll der Bericht eines Expertenrates der Bundesregierung sein. Dieser wurde eingerichtet, um die bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte erklärt, die künftige Corona-Politik an diesem Bericht ausrichten zu wollen. Bislang plant man in seinem Haus mit drei unterschiedlich schweren Szenarien für den Herbst.

Lauterbach selbst hält laut einem internen Papier eine "mittelschwere" Welle mit vielen Ansteckungen am wahrscheinlichsten. Die Ansteckungen würden dann ähnlich wie bei den aktuell dominierenden Virus-Varianten verlaufen. In diesem Fall würden die Intensivstationen nicht überlastet, dennoch brauche es "flächendeckende Maßnahmen" wie das Tragen von Atemschutzmaßnahmen und lokale Kontaktbeschränkungen. Über das Papier hatte zuerst die Bild-Zeitung berichtet.

Keine eigene Maßnahmen-Kommission in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalts Landesregierung hatte es zunächst Überlegungen gegeben, eine eigene Kommission die Maßnahmen auswerten zu lassen. Mit dem Vorschlag konnte sich die FDP allerdings nicht durchsetzen.

Stattdessen beschloss das Kabinett Mitte Juni, dass das Gesundheitsministerium über die bundesweite Auswertung berichten soll. Eine Regierungssprecherin verwies zudem auf die wöchentlichen Berichte des Landesamts für Verbraucherschutz zur Pandemie. Diese seien sehr umfassend und hätten sich bewährt.

Länder wollen Vorschläge für Corona-Politik machen

Bereits vergangene Woche hatten sich die Gesundheitsministerkonferenz für zwei Tage in Magdeburg getroffen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) erklärte anschließend, die Länder wollten zeitnah mit "konkreten Vorschlägen an den Bund herantreten". Bundesminister Lauterbach wiederum stellte unter anderem eine bessere Datengrundlage und eine weitere Impfkampagne in Aussicht.

Laut Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) soll es voraussichtlich zum Jahresende auch erneut eine Diskussion über eine mögliche allgemeine Impfpflicht geben. Das setze aber voraus, dass es einen Impfstoff gebe, "der bei mehreren Varianten hilft", so Grimm-Benne.

Corona-Tests in vielen Fällen nun kostenpflichtig

Derweil ist am Donnerstag eine Neuregelung der Corona-Tests in Kraft getreten. Wer nicht einer Risikogruppe angehört, zahlt in den meisten Fällen nun drei Euro für einen Test. Es handelt sich um eine bundesweite Regelung, die den Bundeshaushalt entlasten soll. Rufe nach einer Übernahme der Kosten durch das Land hat Grimm-Benne eine Absage erteilt.

Corona-Zahlen steigen, Lage auf Intensivstationen aber ruhig

Schon vor der erwarteten Herbst-Welle steigen die Corona-Zahlen im Land wieder. Am Donnerstag zählte das Robert Koch-Institut 412 Infektionen je 100.000 Einwohner und sieben Tage. Die Sieben-Tage-Inzidenz für Sachsen-Anhalt liegt damit zwar unter dem Bundesdurchschnitt von 669, noch vor zwei Wochen hatte sie allerdings 261 betragen. Experten gehen allerdings davon aus, dass die tatsächlichen Infektionszahlen höher liegen.

Auch die Hospitalisierungszahlen steigen seit Mitte Juni. Die Lage auf den Intensivstationen bleibt aber vorerst entspannt.

Mit 73,5 Prozent der Bevölkerung haben rund drei Viertel aller Menschen in Sachsen-Anhalt bereits zwei Impfungen erhalten. Durch überstandene Infektionen haben sich zudem weitere Menschen immunisiert. 

Bei der Ärztekammer geht man deshalb davon aus, dass der Immunisierungsgrad der Bevölkerung mittlerweile höher als in vorherigen Wellen sei. "Das bietet keinen hundertprozentigen Schutz, hilft aber auf jeden Fall, schwere Infektionen zu vermeiden", sagte Ärztechef Ebmeyer.

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MDR (Thomas Vorreyer, Jens Keller, Patricia Klieme), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 01. Juli 2022 | 09:00 Uhr

12 Kommentare

DermbacherIn am 02.07.2022

Die Spaltung ist wieder mal gigantisch, auf der einen Seite diejenigen, die es satthaben bis zum St. Nimmerleinstag mindestens die Hälfte des Jahres mit einer Staubschutzmaske im Gesicht herumzulaufen, auf der anderen diejenigen, die meinen, dass von diesem Teil ihre Gesundheit und die ihrer Mitmenschen abhängt. Letztere halten sich dann häufig auch für besonders intelligent und moralisch überlegen. Mit der Impfung war das ja ähnlich. Nur hat da die Realität Fakten geschaffen, die man kaum mehr leugnen kann. Wenn wir künftig die wirklich großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft gemeinsam bestehen wollen, brauchen wir viel mehr Toleranz.

DermbacherIn am 02.07.2022

Die Spaltung ist wieder mal gigantisch, auf der einen Seite diejenigen, die es satthaben bis zum St. Nimmerleinstag mindestens die Hälfte des Jahres mit einer Staubschutzmaske im Gesicht herumzulaufen, auf der anderen diejenigen, die meinen, dass von diesem Teil ihre Gesundheit und die ihrer Mitmenschen abhängt. Letztere halten sich dann häufig auch für besonders intelligent und moralisch überlegen. Mit der Impfung war das ja ähnlich. Nur hat da die Realität Fakten geschaffen, die man kaum mehr leugnen kann. Wenn wir künftig die wirklich großen Herausforderungen für unsere Gesellschaft gemeinsam bestehen wollen, brauchen wir viel mehr Toleranz.

DermbacherIn am 02.07.2022

Langsam schwillt mir der Kamm, beständig wir nach Maßnahmen gerufen, aber ob die wie auch immer, eine produktive Wirkung entfalten, das soll nicht hinterfragt werden. Wir haben jetzt 2,5 Jahre Einschränkungen nach gut Dünken ertragen, aber wir wissen nicht, ob die ganzen Einschränkungen einen wirklichen Nutzen für die Pandemie hatten. Das ist einfach nur armselig.

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