Reportage Maskenpflicht adé: Mit der Bahn von Sachsen-Anhalt über die Landesgrenze

14. Dezember 2022, 10:38 Uhr

Die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr ist in Sachsen-Anhalt seit letzter Woche Donnerstag aufgehoben. In Sachsen und Thüringen gilt sie aber weiter. Wie gehen die Fahrgäste aus Sachsen-Anhalt dort mit der Maskenpflicht um? Unsere Reporterin ist mit dem Zug über die Landesgrenzen gefahren, um eine Antwort zu finden.

In Sachsen-Anhalt besteht im öffentlichen Nahverkehr keine Maskenpflicht mehr. Das merke ich sofort, als ich am Sonntag gegen kurz vor 11 mit der S3 von Halle nach Leipzig fahre, denn da sehe ich niemanden mehr, der eine trägt. Ich habe meine Maske aus Gewohnheit auf, komme mir aber etwas seltsam vor, weil ich in meinem Teil des Zuges die Einzige bin. In Gröbers steigt noch eine junge Frau mit schwarzer FFP2-Maske ein. Nun sind wir zu zweit.

Ich schaue aus dem Fenster. Die Natur ist mit einer Puderzuckerschicht aus Schnee überzogen. Der Wind wirbelt einzelne weiße Flocken durch die Luft. Als wir in Schkeuditz, der ersten Station in Sachsen, ankommen, stehen am Bahnsteig nur Menschen mit Maske. Das Verhältnis in der S-Bahn verschiebt sich zugunsten der Maskenträger.

Maskenpflicht wird nicht kontrolliert

Die Fahrgäste aus Sachsen-Anhalt, die in meiner Nähe sitzen, haben aber weiterhin keine auf. Zum Beispiel der Mann, der auf dem Viererplatz auf der anderen Seite sitzt. Er hustet, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Ich bin froh, eine Maske zu tragen.

Die Kontrolleurin läuft an uns vorbei. Einen Hinweis auf die nun bestehende Maskenpflicht gibt es nicht. Sie selbst hat allerdings eine auf. Jeder macht es so, wie er es für richtig hält.

An den Haltestellen in Leipzig steigen überwiegend Leute mit Maske ein. Ich sehe aber auch zwei ohne. Eine ältere Dame setzt sich mit einem behinderten Jungen zu mir. Augenscheinlich sind sie Großmutter und Enkel. Beide tragen eine Maske.

Auch in Sachsen Einzelne ohne Maske

Wir fahren durch das verschneite Leipzig. Um mich herum ist es ruhig. Niemand spricht. Als wir den Hauptbahnhof erreichen, steigen alle meine unmittelbaren Sitznachbarn aus. Dafür begleitet mich bis zu meiner letzten Station noch ein junger maskenloser Mann mit Bart und Basecap. "Nächster Halt: Markt. Ausstieg in Fahrtrichtung links", tönt es aus dem Lautsprecher. Ich ziehe meine Jacke an und gehe zur Tür.

Mein Eindruck nach der ersten Fahrt über die Landesgrenze: Die Fahrgäste aus Sachsen-Anhalt scheint es nicht zu kümmern, dass in Sachsen weiterhin die Maskenpflicht gilt. Ich sehe niemanden, der sich nachträglich eine aufsetzt. Die meisten Reisenden aus Sachsen tragen dagegen eine, viele sogar eine FFP2-Maske. Einige wenige haben aber ebenfalls keine auf.

Von Sachsen nach Sachsen-Anhalt: Rückfahrt nach Halle

Als ich am Nachmittag gegen 16:15 Uhr vom Markt in die S5 Richtung Halle steige, zeichnet sich wie zu erwarten ein komplett gegenteiliges Bild. Jetzt haben alle eine Maske auf. Auch als der Zug am Bahnhof rappelvoll wird, sehe ich überall nur Menschen mit OP- oder FFP2-Maske. Dann entdecke ich aber doch noch eine junge Frau, die keine auf hat.

Wir fahren durch die Dunkelheit. Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man dank des Schnees noch ein bisschen was von der Landschaft.

Maske ab in Sachsen-Anhalt

Ein Rentnerehepaar neben mir beginnt sich zu unterhalten. "Jetzt sind wir in Sachsen-Anhalt, da können wir die Maske abnehmen", sagt der Mann zu seiner Frau. Beide ziehen sich die Maske vom Gesicht.

Mittlerweile ist es stockfinster draußen. Rausgucken kann man nicht mehr. Ungefähr die Hälfte der Leute in meiner Nähe tragen weiter einen Mundschutz. Alle anderen haben ihn abgemacht. Wir erreichen den Hauptbahnhof von Halle. Menschenmassen drängen bereits an den Türen. Ich bleibe sitzen und warte noch einen Moment, bis ich aussteige.

Von Sachsen-Anhalt nach Thüringen: Zugfahrt nach Jena

Am Montag fahre ich gegen 11 Uhr mit der Straßenbahn vom Franckeplatz zum Hauptbahnhof. Dort zeigt sich ein gemischtes Bild. Ungefähr die Hälfte der Fahrgäste hat eine Maske auf, die andere nicht. Weil es recht voll ist, setze ich mir eine auf und bleibe an der Tür stehen.

Am Bahnhof laufe ich zum Gleis 12, wo mein Zug abfährt. Als ich zwei Männer in Arbeitsanzügen überhole, höre ich ein paar Gesprächsfetzen. Der eine weist den anderen darauf hin, dass er jetzt keine Maske mehr braucht, "weil das hier in Sachsen-Anhalt abgeschafft wurde". Dann regen sich beide kurz darüber auf, wie "bescheuert" es sei, dass nicht überall das gleiche gilt.

Auch Maskenträger aus Sachsen-Anhalt

Ich steige in den RB 25 Richtung Saalfeld (Saale). An der Tür klebt noch ein roter Sticker, der auf die Maskenpflicht hinweist. Der Zug ist relativ leer. Ich sehe niemanden, der eine Maske trägt. Ein älterer Herr steht mit einigem Abstand vor dem Ticketautomaten und beugt seinen Oberkörper zum Bildschirm. Ich bitte ihn freundlich, mich kurz vorbeizulassen.

Ich finde einen schönen Platz am Fenster. Kurze Zeit später setzen sich noch ein paar Leute in meine Nähe. Zwei von ihnen tragen eine OP-Maske. Eine Frau etwas weiter weg hat sogar eine FFP2-Maske auf.

Wir fahren mit fast zehn Minuten Verspätung los. Die Atmosphäre ist entspannt. Hier und da unterhalten sich meine Mitfahrer. Andere schauen aus dem Fenster oder hören Musik. Der Zug fährt ruckelnd durch eine schöne Schneelandschaft.

Unterschiedliche Maskenregelungen funktionieren nicht

Eine Kontrolleurin mit kurzen grauen Haaren und Brille kommt vorbei und bittet um die Fahrscheine. Sie weist mich darauf hin, dass ich in Naumburg umsteigen muss, wenn ich nach Jena will. Dieser Zug fahre nicht wie angeben bis nach Saalfeld durch.

Die, die keine aufhaben, setzen sie auch später nicht auf.

Zugbegleiterin

Ich frage sie, wie sie den Wegfall der Maskenpflicht erlebt hat. Sie erzählt, dass die Leute die Maske eigentlich jeweils ab der Landesgrenze zu Sachsen oder Thüringen tragen müssten. Das mache aber niemand.

"Die, die keine aufhaben, setzen sie auch später nicht auf", sagt sie. Deshalb wäre es ihrer Meinung nach deutlich sinnvoller gewesen, man hätte die Maskenpflicht in ganz Deutschland einheitlich abgeschafft. Sie kann nicht nachvollziehen, warum Bundesländer wie Sachsen-Anhalt daran im Alleingang etwas verändern. Man könne doch auch auf Eigenverantwortung setzen. Sie trage ihre Maske zum Beispiel freiwillig, weil sie bald operiert wird und nicht krank werden möchte.

Umstieg in Naumburg

Ich schaue wieder in die verschneite Natur. Hinter einem weißen Feld, erstreckt sich ein großer Wald und die Landschaft wird hügeliger. "Unser nächster Halt ist Naumburg Hauptbahnhof. Alle Fahrgäste Richtung Saalfeld steigen hier bitte um", höre ich die Stimme der Kontrolleurin aus dem Lautsprecher. Das ist mein Stichwort. Ich ziehe meine Jacke an und laufe zur Tür. Am Bahnsteig sind alle ein bisschen unsicher, wie es jetzt weitergeht. "Nicht beirren lassen. Der hier fährt nach Eisenach und der dort drüben nach Saalfeld", sagt die Kontrolleurin, während sie auf die Züge zeigt und ermutigend lächelt.

Der Zug nach Saalfeld fährt ein. Neben mir steht eine junge Frau mit hellbraunen Haaren und blauer OP-Maske. Hier in Naumburg müsste sie eigentlich noch keine tragen. Ich frage sie, warum sie eine trägt. Sie erzählt, dass sie sich ehrlich gesagt nicht sicher ist, wo welche Landesgrenze anfängt und sie deshalb sicherheitshalber auf der ganzen Fahrt eine Maske trägt. "Dann kann nichts schiefgehen", sagt sie und lacht. Außerdem habe sie sich mittlerweile so sehr daran gewöhnt, dass es für sie komischer wäre, keine Maske zu aufzuhaben.

Fahrgäste in Thüringen achten auf Maskenpflicht

Ich suche mir einen Platz. Auch der Zug nach Saalfeld ist ziemlich leer. Deshalb lasse meine Maske weg. Wir fahren los. Die Bahn ruckelt und rauscht, während sie durch die Landschaft gleitet. Am Ufer der Saale hängen überall Mistelzweige in den Bäumen. Irgendwo hustet jemand.

Wir erreichen Camburg (Saale), unsere erste Station im Thüringen. Ein Mann mit gestreifter Mütze und weißer OP-Maske steigt aus. Auch am Bahnsteig tragen alle wartenden Menschen eine Maske oder haben sie schon einsatzbereit in der Hand. Ich hole meine ebenfalls aus der Tasche und setze sie auf. In Dornburg und am Saalbahnhof in Jena steigen weitere maskierte Leute ein. Fast alle Fahrgäste haben jetzt einen Mundschutz.

Gegen 12:55 Uhr erreichen wir Jena-Paradies. Ich hole mir einen Kaffee am Bahnhof und mache einen kurzen Spaziergang in einem nahegelegenen Park, um die Wartezeit ein bisschen zu überbrücken. In zwanzig Minuten soll es zurück nach Halle gehen.

Von Thüringen nach Sachsen-Anhalt: Zurück nach Halle

Ich bin pünktlich am Gleis, der Zug nicht. Mit knapp 15 Minuten Verspätung fährt er in den Bahnhof ein. Menschenmassen strömen aus der Abellio-Bahn. Es sind noch gar nicht alle ausgestiegen, als die ersten Leute in die Bahn laufen. Es wird chaotisch.

Alle Fahrgäste, die mit mir einsteigen, tragen eine Maske. Die meisten haben sie sogar schon am Gleis aufgehabt. Weil die Deutsche Bahn-App spinnt, muss ich mir ein Ticket am Automaten kaufen, der ebenfalls nicht richtig funktioniert. Er lehnt mein Bargeld ab. Beim zweiten Mal klappt's mit Karte. Ich laufe durch den Zug und finde wieder einen Fensterplatz. Eine Gruppe Jugendlicher kommt vorbei. Alle Mädchen sind mit, alle Jungs ohne Maske unterwegs.

Mit Maske über die Landesgrenze

Als wir die Grenze zu Sachsen-Anhalt überquert haben, passiert erstmal nichts. Alle Fahrgäste um mich herum tragen ihre Maske weiter. Ich höre immer mal wieder jemanden husten und schnauben, sehe aber nicht, von wem die Geräusche kommen. Zwischen Bad Kösen und Naumburg fahren wir an verschneiten Weinbergen vorbei.

In Naumburg steigen die ersten Leute ohne Maske ein. Ein Kontrolleur fragt im Schnelldurchlauf nach den Tickets und sagt immer wieder genau das gleiche nämlich "Guten Tag, Fahrschein bitte" und "Danke, schönen Tag noch!". Er trägt keinen Mundschutz. Auch in meinem näheren Umfeld sitzen jetzt vor allem Menschen ohne Maske.

In Sachsen-Anhalt fahren viele ohne Maske

Der Schaffner kommt nochmal vorbei, um die zugestiegenen Fahrgäste zu kontrollieren. Diesmal mit leicht abgewandelten Spruch: Er sagt jetzt nur noch "Hallo!" und "Schönen Tag noch". Mich überrascht, dass auch in Sachsen-Anhalt Leute mit Maske einsteigen. Ich schätze im Zug ist es gerade ungefähr halbe-halbe. Das ändert sich in Merseburg. Hier steigen zwar auch zwei Menschen mit Maske ein. Mehr als doppelt so viele haben aber keine auf. Ich vermute, dass es jetzt schon mehr Menschen ohne Mundschutz sind.

Kurz vor Ammendorf läuft der Schaffner mit einem jungen Mann durch die Bahn und fragt immer wieder, ob hier jemand 50 Euro wechseln kann. Niemand bejaht das. Dann ertönt die Durchsage "Nächster Halt: Halle (Saale) Hauptbahnhof. Unsere Zugfahrt endet hier", aus dem Lautsprecher. Am Bahnsteig schaue ich mich nochmal um und schätze, dass ein Drittel eine Maske trägt, zwei Drittel nicht.

Als ich mit der Straßenbahn nach Hause fahre, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die meisten sind ohne Mundschutz unterwegs, aber ich sehe auch einige, die einen tragen. An einer Haltestelle ruft eine Frau "Reisegruppe Erzieher steigt aus". Mehrere unmaskierte Männer und Frauen verlassen die Bahn. Kurz darauf steigen drei Studentinnen mit bunten FFP2-Masken ein, die sich über ihre Vorlesungen unterhalten. Ich steige am Joliot-Curie-Platz aus und laufe nach Hause.

Fazit: Maske auf oder nicht – Die meisten bleiben ihrer Entscheidung treu

Mein Fazit nach vier Zugfahrten über die Landesgrenzen: Die meisten Menschen aus Sachsen-Anhalt bleiben unabhängig von den Regeln bei ihrer Entscheidung für oder gegen die Maske. Die wenigstens ändern im Laufe der Fahrt etwas daran. Die Kontrolleurin, die ich im Zug Richtung Saalfeld (Saale) getroffen habe, hat es also sehr treffend auf den Punkt gebracht. In Sachsen und Thüringen, wo die Maskenpflicht noch besteht, hatten fast alle eine Maske auf. In Sachsen-Anhalt gab es auch noch ein paar, aber die meisten scheinen sich ganz bewusst dafür entschieden zu haben, ab jetzt konsequent keine mehr zu tragen.

Einen Unterschied zwischen Straßen- und Regionalbahn habe ich, zumindest in Halle, nicht festgestellt. Das Verhältnis von Menschen mit und ohne Maske war ungefähr das gleiche.

Trotz der aktuellen Grippewelle sind die Bewohner von Sachsen-Anhalt offenbar größtenteils zur "alten Normalität" zurückgekehrt und das quasi über Nacht. Denn die Maskenpflicht ist ja noch nicht mal seit einer Woche aufgehoben. Ich gebe zu, diese Entwicklung überrascht mich ein bisschen. Aber ich erinnere mich auch daran, dass es genauso schnell ging als die Maskenpflicht in den Supermärkten aufgehoben wurde. Da hatten die Leute bis auf wenige Ausnahmen auch vom einen auf den anderen Tag keine mehr auf.

MDR (Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 13. Dezember 2022 | 10:40 Uhr

15 Kommentare

Bernd_wb am 15.12.2022

Die Frage ob etwas sinvoll ist mag ich mir bei Entscheidungen der Politik nicht stellen. Aus meiner Sicht kann der wer eine Maske tragen will diese tragen (oder umgekehrt) und die Zuege sind in der Regel nicht so voll so dass man auf Abstand sitzen kann.

Reuter4774 am 15.12.2022

Wieder mal der übliche Masken- Werbebeitrag natürlich mit erhobenem Zeigefinger und Mahnung an die Wachsamkeit Hilfssheriffs und Denunzianten eifrig zu bleiben. Ernsthaft?

Brigitte Schmidt am 14.12.2022

"Denke so wie ich es erlebt habe kann es mit unterschiedlichen Regelungen funktionieren."

Das mag ja richtig sein aber ist es auch nachvollziehbar? Ist es sinnvoll? Wird nicht langsam deutlich, daß Willkür eine passendere Beschreibung des Zustandes ist?

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