Michael Richter
Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) sagt: Am Sparkurs führt kein Weg vorbei. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zenralbild/Klaus-Dietmar Gabbert

Demografischer Wandel Finanzminister Richter: Sparkurs "unausweichlich"

25. Juli 2023, 19:25 Uhr

Sachsen-Anhalt verliert bis 2027 rund 70.000 Einwohner. Pro Jahr bekommt Sachsen-Anhalt deshalb 60 Millionen Euro weniger aus dem Länderfinanzausgleich. MDR-SACHSEN-ANHALT-Reporter Uli Wittstock hat mit Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) über das Problem gesprochen. Der sagt: Am Sparkurs führt kein Weg vorbei.

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Sachsen-Anhalt schrumpft. Die sinkende Zahl der Einwohner wird zunehmend ein finanzielles Problem, nicht nur für die Orte in den ländlichen Regionen, sondern auch für die Landeskasse. Hintergrund ist die Verteilung von Geldern vom Bund, die an die Anzahl der Einwohner gekoppelt ist.

In einem komplizierten Verfahren erhalten die Länder Geld aus der Umsatzsteuer. Jener Steuer also, die wir zahlen, wenn wir Butter kaufen, uns ein Auto anschaffen oder einen Ostseeurlaub buchen. Für das Jahr 2021 bekam Sachsen-Anhalt zwei Milliarden Euro von der Bundesregierung.

Weniger Einwohner – weniger Geld

Nach den aktuellen Berechnungen wird Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2027 um 66.000 Einwohner schrumpfen, das entspricht etwa der Einwohnerzahl der beiden Städte Naumburg und Bernburg.

Weniger Einwohner heißt auch, es fließt weniger Geld nach Sachsen-Anhalt. Das bestätigt Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU): "Wenn wir weniger Bürger haben, dann wirkt sich das direkt auf die Finanzen aus. Wir werden etwa 60 Millionen Euro pro Jahr weniger aus dem Länderfinanzausgleich bekommen."

Geburten in Sachsen-Anhalt Am ersten Juni dieses Jahres meldete das Statistische Landesamt, dass im Jahr 2022 die Zahl der Geburten in Sachsen-Anhalt mit 14.500 einen neuen Tiefststand erreicht habe. Die Geburtenrate sank auf das Niveau der frühen neunziger Jahre. Zudem starben im Jahr 2022 rund 37.000 Sachsen-Anhalter, also mehr als doppelt so viele Menschen, wie geboren wurden.

Das klingt bei einem Jahreshaushalt von rund 14 Milliarden als überschaubare Größe, doch wenn man weiß, dass Sachsen-Anhalt in diesem Jahr 30 Millionen Euro zur Sanierung der Kreisstraßen bereitstellt, dann ahnt man, das jährlich 60 Millionen Euro weniger durchaus spürbare Folgen haben können.

Politische Visionen und das Reich der Zahlen

Michael Richter begann seine Karriere in der Westberliner Steuerverwaltung. Und auch als Minister gilt sein erster Blick den Zahlen. Dabei stellt er fest, dass der Landeshaushalt wenig Spielräume lässt: "Wir haben drei große Kostenblöcke: Die Personalausgaben, das Geld für Städte und Gemeinden, sowie die Sozialausgaben. Das sind die großen Brocken, die geschätzt 90 Prozent unseres Haushalts binden."

Handlungsunfähig mache das aber eine Regierung nicht, so Richter: "Aber ich kann sehr wohl im Rahmen meiner politischen Ziele entscheiden, wo sind meine Schwerpunkte? Leiste ich mir immer einen Mercedes, oder reicht auch mal ein Golf?". Auf den Fuhrpark der Landesregierung bezieht sich dieser Vergleich jedoch nicht.

Mit leeren Taschen in die Zukunft

Bislang haben sowohl die Bundesregierung wie auch die Bundesländer die Kosten von Corona, Inflation und Krieg ausgelagert in Sonderhaushalte, die nachfolgende Generationen zu zahlen haben. Derzeit ist jeder Sachsen-Anhalter mit etwa Zehntausend Euro belastet, allein durch die Schulden des Landes. Und weil die Zinsen weltweit steigen, wird es auch für Sachsen-Anhalt wieder teurer, sich Geld zu leihen. Finanzminister Richter rechnet für das nächste Jahr mit rund 350 Millionen Euro, die das Land an Zinsen zahlt.

An einem deutlichen Sparkurs führe also kein Weg vorbei: "Wir müssen Schwerpunkte setzen. Geben wir das Geld in die Bildung, gehen wir verstärkt in die Wirtschaft oder konzentrieren wir uns auf Umweltschutz und Klima. Wenn wir zur Klimaneutralität kommen wollen, wird das die Haushalte der nächsten Jahre und Jahrzehnte stark belasten." Die jüngsten Debatten um Elterngeld, Ehegattensplitting oder Witwenrente zeigen, dass Deutschland insgesamt vor einer neuen Verteilungsdebatte steht.

MDR (Ulrich Wittstock, Leonard Schubert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. Juli 2023 | 17:00 Uhr

43 Kommentare

Erichs Rache am 27.07.2023

@Mediator

PS

@Mediator was meinen Sie wieviele sich demnächst FREUEN werden, wenn aufgrund des KNAPPEN Wohnungsangebotes die Mieten EXPLODIEREN werden :-))))))))))))))))))

Erichs Rache am 27.07.2023

@Mediator



Zuwanderung SCHON EINGERECHNET !


"Vor allem zwischen 2000 und 2035 steigt der Altersquotient besonders stark an. Er steigt in dieser Zeitspanne auf mehr als das Doppelte, von 24,0 auf 55,2, was bedeutet, dass auf jeden Menschen im erwerbsfähigen Alter mehr als doppelt so viele Alte kommen, die er ernähren muss. Die jüngsten Berechnungen des deutschen Statistischen Bundesamtes prognostizieren ähnliche Entwicklungen (von 27 in 2000 auf 58 in 2035, ähnlich wie bei der UNO Prognose von 24 in 2000 auf 55,2 in 2035) und zeigen ebenfalls eine dramatische, krisenhafte Entwicklung, die bereits um das Jahr 2035 kulminieren wird. Standen im Jahr 2000 etwa 27 ältere Menschen 100 Personen im Erwerbsalter gegenüber, werden es 2035 schon 58 sein, und dies, obwohl ... eine erhebliche Zuwanderung von 200.000 Personen pro Jahr unterstellt wird."

Vgl. Prof. Hans-Werner Sinn, "Land ohne Kinder"


Frage:

Wo bei Zuwanderung von 500T p.a. die WOHNUNGEN hernehmen?
Wohnungsneubau 200 T p.a !

Mediator am 27.07.2023

@Erichs Rache:
Ein weig komplizierter ist es wohl schon.
Zuwanderung ist eine Option, wie wir unsere wirtschaftsleistung aufrecht erhalten können und eben auch die Rente stabilisieren können.

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