Neustart trotz Corona Buchhalterin aus Köthen ist jetzt Unternehmerin

19. Dezember 2021, 18:28 Uhr

Seit fast zwei Jahren verändert Corona unser aller Leben – oft nicht zum Guten. Doch manchen Menschen haben die Umstände der Pandemie dabei geholfen, ihre berufliche Erfüllung zu finden. Zum Beispiel Christiane Birkner aus Köthen. Die Angestellte macht sich im Lockdown mit einem Geschäft für Brautmode selbständig. Das ist ihre Geschichte.

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Nein, sie war nicht unzufrieden mit ihrem Job und ihrem Leben, das könne man nicht sagen. Und doch war da irgendetwas, kleine Zweifel, vielleicht eine Art Störgefühl. Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie über Deutschland hereinbricht, ist Christiane Birkner, verheiratet, festangestellte Buchhalterin und Mutter von drei Kindern, gerade in Elternzeit mit ihrem jüngsten Sohn. Sie kümmert sich um das Baby, um das Homeschooling ihrer beiden ältesten Kinder und verbringt auch sonst viel Zeit in ihrem Eigenheim in Köthen. So weit, so normal zu dieser Zeit.

"Ich hatte keinen Grund, mich zu beschweren", sagt die 35-Jährige heute, "aber wahrscheinlich hatte ich zu viel Zeit, um nachzudenken." Und so beginnt es, in Christiane Birkners Kopf zu arbeiten. "Ich hatte einen gut bezahlten Job, aber irgendwas hat immer gefehlt", sagt sie. Der Job als Buchhalterin bringt ihr zwar ein sicheres Einkommen, doch Birkner wird nach und nach klar: Sie sehnt sich nach mehr Kreativität, nach mehr Kontakt mit Menschen – und sie möchte wieder ihre eigene Chefin sein. Vor Jahren hatte sie schon mal ein eigenes Unternehmen, das Holzspielzeug produzierte.

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Mutig oder verrückt?

"Na mach' doch", habe ihr Mann geantwortet, als sie ihn in ihre Pläne einweihte, erinnert sich Birkner. Viele andere Menschen hätten "mutig" gesagt, aber insgeheim "verrückt" gemeint, wenn sie erzählt habe, dass sie mitten in der Pandemie ihre Festanstellung aufgeben und den Schritt in die Selbständigkeit wagen wolle. Was genau sie eigentlich machen will, steht damals noch nicht fest.

Ein Bauchgefühl sei es schließlich gewesen, das den Ausschlag gegeben habe, ausgerechnet ein Geschäft für Brautmoden zu eröffnen, sagt Christiane Birkner. Sie stürzt sich in die Vorbereitungen, schreibt Businesspläne, beantragt Kredite. Ihre Erfahrungen als Buchhalterin entpuppen sich für den Papierkram als hilfreich.

Im Sommer 2020, als die Corona-Pandemie gerade kurz Pause macht, steht die Finanzierung. Das nötige Wissen für die Gründung liest sich Birkner derweil im Internet an. Sie ist es gewohnt, sich schnell in neue Themen einzuarbeiten. Schon in die Buchhaltung kam die studierte Landschaftsarchitektin als Quereinsteigerin.

Aller Anfang ist schwer

Durch Zufall entdeckt Birkner die Räumlichkeiten eines ehemaligen Unterwäschegeschäftes in der Köthener Innenstadt, die zwischenzeitlich als Lager genutzt wurden. Zwei Monate lang verbringen sie und ihr Mann fast jeden Abend in dem Laden, renovieren, streichen und richten ein.

Dann soll es endlich losgehen, die Eröffnung steht bevor. Die Corona-Pandemie ist da längst wieder zurück. Am 8. März darf Christiane Birkner ihren Laden endlich zum ersten Mal öffnen, mit vorheriger Terminvergabe und strengem Hygienekonzept. Anfangs gibt es Tage, da kommt von morgens bis abends keine Kundin ins Geschäft. Birkner nutzt die Zeit, macht Werbung in sozialen Medien und bittet zufriedene Kundinnen, im Internet Bewertungen für ihren Laden zu hinterlassen.

Mehr Arbeit und mehr Zufriedenheit

Inzwischen könne sie sich nicht über zu wenig Arbeit beklagen, sagt Christiane Birkner, eher im Gegenteil. Mehr als 40 Stunden in der Woche ist sie beruflich im Einsatz, oft schreibt sie noch spätabends E-Mails oder kümmert sich um die Social-Media-Kanäle ihres Geschäftes. In ihrem alten Job war das Pensum deutlich geringer. Bereut habe sie die Gründung trotzdem bislang nicht eine Sekunde, sagt Birkner: "Ich bin total glücklich, weil ich jetzt einen Glücklichmach-Job habe."

Wie es ihr ergangen wäre, wenn es die Pandemie und die Zeit zum Nachdenken nie gegeben hätte? "Dann", sagt Christiane Birkner, "wäre ich wahrscheinlich immer noch Buchhalterin."

MDR SACHSEN-ANHALT-Reporter Lucas Riemer
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Über den Autor Lucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über kleine und große Geschichten aus den Regionen des Landes.

MDR (Lucas Riemer)

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