Hotel Dessau
Lange wurde diskutiert, wie das neue Hotel in Dessau-Roßlau gestaltet werden soll. Bildrechte: MDR/Susanne Reh

Historisch oder modern? Umstrittener Hotelneubau in Dessau wird eröffnet

01. Juni 2023, 17:06 Uhr

Historisch-original oder ultra-modern? Diese Frage hat in den letzten Jahren die Stadt Dessau-Roßlau regelrecht gespalten. Es geht um den Schloßplatz in der Nähe des Rathauses, einst von Bomben zerstört, dann mit Platte bebaut. Die Stadt fand einen Investor, der auf dem Gelände in unmittelbarer Nähe zu Marienkirche und Schloss ein Hotel bauen wollte. Dagegen regte sich heftiger Widerstand, der in einem Bürgerentscheid gipfelte. Nun eröffnet das umstrittene Hotel.

Das neue Hotel am Schloßplatz in Dessau-Roßlau ist eingeweiht worden – nach jahrelangem Streit. Und nach einer noch längeren Geschichte des Ortes mitten in der Dessauer Innenstadt. Unter den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt sind die Meinungen dazu verschieden.

Rückblick: Stadt will alten Plattenbau loswerden

Erst Berufsschule, später städtisches Archiv und Kunstdepot, insgesamt aber ziemlich ramponiert: Der Plattenbau am Schloßplatz 4 und 5 in Dessau-Roßlau ist voller Graffiti, die Fenster sind zerschlagen. Überall liegt Müll. Das Gebäude ist nicht nur äußerst unansehnlich, sondern auch in die Jahre gekommen. Die Stadt will das Haus abreißen und das Grundstück verkaufen. Ein Investor ist auch gefunden. Am 14. Dezember 2020 unterzeichnen Oberbürgermeister Peter Kuras und Dr. Karl Gerhold, Geschäftsführender Gesellschafter der Getec, den  Kaufvertrag. Die Getec will im Stadtzentrum ein neues Hotel bauen.

Bürgerinitiative fordert historische Fassade für das Hotel

Doch der Weg dahin wird lang und steinig. Eine Bürgerinitiative gründet sich, die bei der Gestaltung des Schloßplatzes ein Wörtchen mitreden will. Denn, so die Meinung der Initiatoren, die Mehrheit der Dessauer wünscht sich historische Fassaden am historischen Platz. Feststellen will die Gruppe aus 80 Personen das mit einem Bürgerbegehren. Das startet am 22. Februar 2019.

3.000 Unterschriften benötigt die Initiative, am Ende haben fast 6.500 Dessau-Roßlauer das Bürgerbegehren unterschrieben. Die Initiative Schloßplatz Dessau hat damit die erste formale Hürde genommen. Das Bürgeramt prüft die Zulässigkeit der Unterschriften und auch der Stadtrat bestätigt die Zulässigkeit. Der Weg ist frei für einen Bürgerentscheid.

Bürgerentscheid soll Klarheit bringen: Bauen oder nicht bauen?

In den nächsten Monaten wirbt die Bürgerinitiative vehement um Stimmen, tritt bei jedem Fest auf. Verteilt Plätzchen, auf denen das Schloss abgedruckt ist. Lädt zu Informationsveranstaltungen. Auch die Stadtverwaltung lädt zu großen Bürgerversammlungen, zeigt Pläne und wirbt um Zustimmung für den Bau. Denn fest steht, historische Fassaden wird der Investor schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht bauen. Also geht es für die Stadt nicht um die Entscheidung historische oder nicht historische Fassade. Sondern um die Frage: bauen oder nicht bauen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hat die Bürgerinitiative keinen Geldgeber für ihre Pläne präsentiert. Springt die Getec ab, müssen die Dessauer noch Jahre mit dem Schandfleck mitten in der Stadt leben.   

Am 14. Dezember 2020 unterzeichneten Oberbürgermeister Peter Kuras und Dr. Karl Gerhold, Geschäftsführender Gesellschafter der Getec, den Kaufvertrag für das Grundstück am Schlossplatz in Dessau.
Das Grundstück war verkauft, doch zwischenzeitlich war nicht klar, ob hier tatsächlich gebaut werden soll. Bildrechte: imago images/Lutz Sebastian

Am 1. September 2019 öffnen die Wahllokale für den Bürgerentscheid "für die Rettung des Dessauer Schloßplatzes". Die große Frage: Sollen Neubauten auf kommunalen Grundstücken ihr historisches Aussehen zurück erhalten? "Wir appelieren an Ihr Gewissen! Stimmen Sie mit JA" – lautet der Wortlaut des Bürgerentscheides.

Notwendiges Votum nicht erreicht

Doch die Hürde für einen erfolgreichen Bürgerentscheid ist hoch: Die Initiative Schloßplatz braucht eine einfache Mehrheit, die mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Dessau-Roßlauer entspricht. Ganze 400 Stimmen fehlen am Ende. 13.661 Dessau-Roßlauer sprechen sich beim Bürgerentscheid für eine historische Fassade am Dessauer Schloßplatz aus.

Eine deutliche Mehrheit, die allerdings nichts nützt: Erst mit 14.093 Ja-Stimmen wäre das geforderte Votum erreicht gewesen. Der Bürgerentscheid scheitert. Die Verlierer legen nicht nur Beschwerde beim Landesverwaltungsamt ein, sondern zeigen den Oberbürgermeister auch wegen mutmaßlichen Betruges bei der Staatsanwaltschaft an.

Trotzdem ist der Weg für den Hotel-Neubau am Schloßplatz frei. Es kann gebaut werden. Getec-Geschäftsführer Chris Döhring bestätigt nach dem gescheiterten Bürgerentscheid, dass er an seinem Entschluss festhalten und bis zu zehn Millionen Euro in ein Drei-Sterne-Hotel investieren werde. Die Getec-Gruppe gründet eine Tochtergesellschaft, die ihren Unternehmenssitz in Dessau hat und für die Errichtung des Hotels mit 110 Zimmern verantwortlich ist.

Gemüter haben sich beruhigt

Am 18. Mai 2022 wird der symbolische Grundstein für den Hotelneubau auf dem Schloßplatz gelegt. Inzwischen ist Robert Reck Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau. Bei der Zeremonie versenkt er gemeinsam mit Getec-Gründer Karl Gerhold eine Zeitkapsel im Baugrund. Neben dem historischen Gebäuden von Marienkirche und Johannbau entsteht in einem neuen, vierstöckigen Gebäudekomplex ein B&B-Hotel. Dazu gehört auch ein extern betriebenes Restaurant. Das Gebäude ist verklinkert und hat eine abgewinkelte Ecke, die freie Sicht auf das Schloss ermöglicht. Haben die Dessau-Roßlauer nun ihren Frieden mit dem Bau gemacht?

Längst nicht alle. Die Kommentare auf der Straße reichen von. "Ist doch hässlich. Passt hier nicht her." über "Was soll's, nun steht es da" bis "Ich finde es toll. Was soll hier Altes her, wir leben in einer modernen Zeit."

MDR (Susanne Reh)

MDR SACHSEN-ANHALT

4 Kommentare

MDR-Team vor 46 Wochen

Wir berichten nicht tendenziös. Wer schreiben, dass das Hotel umstritten ist, was der Tatsache entspricht. In unserem Text zeigen wir beide Seiten, schreiben, dass es sich inzwischen beruhigt hat und lassen sowohl Bürger zur Sprache kommen, die für bzw. gegen das Projekt sind.

marcuskuenzel vor 46 Wochen

Warum wird hier vom MDR tendenziös und mit einem überwiegend negativen Unterton über dieses Hotel berichtet ? Wer gibt dem MDR das Recht, auf diese Weise die Stadt Dessau, sowie Bürger und Unternehmen, die zur Verbesserung des städtischen Umfeldes beitragen wollen, in ein schlechtes Licht zu rücken ?
Waren Sie vor Ort, haben sich selbst ein Bild gemacht und mit Beteiligten gesprochen, so wie es Journalisten eigentlich tun sollten ?

ElBuffo vor 46 Wochen

Schon erstaunlich mit welcher Verzweiflung solche Projekte verfolgt werden, die auch keine Aussicht auf Erfolg haben. Hoffentlich finden die jetzt was Neues zum Dagegensein ohne gleich gegen den Staat als Ganzes zu sein. Vielleicht fordert man beim nächsten anstehenden Bauprojekt Plumsklos auf dem Hof, weil war ja früher auch so.

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