Kriegsfolgen Schloss Zerbst: Ukrainerin legt wegen Krieg Kostüm der Zarin ab

23. Februar 2023, 14:11 Uhr

In Zerbst, wo Katharina die Große für kurze Zeit lebte, bleiben die russischen Bus-Touristen aus. Auch die Kontakte zum Katharinenpalast in St. Petersburg, einem Weltkulturerbe, sind wegen des Krieges in der Ukraine abgerissen.

In einer Broschüre für Touristen ist Tatyana Nindel als Katharina die Große abgebildet. Die gebürtige Ukrainerin schlüpfte oft in die Rolle der russischen Zarin. Im historischen Kostüm zeigte sie Touristen das Schloss in Zerbst, in dem Prinzessin Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Dornburg auf das höfische Leben vorbereitet wurde, bevor sie im eiskalten Winter 1744 in einer Kutsche nach St. Petersburg reiste und dort auf Geheiß der russischen Zarin mit einem Prinzen verheiratet wurde. Einige Jahre später stieg die deutsche Prinzessin selbst zur Zarin auf und schrieb als Katharina II. Geschichte.

Wegen des Krieges: Ukrainerin legt Kostüm der Zarin ab

Ein internationaler Förderverein, dem Deutsche, Russen, Ukrainer und Japaner angehören, hält das Andenken an Katharina die Große in Zerbst seit vielen Jahren wach. Tatyana Nindel war die Vereinsvorsitzende. Sie pflegte gute Kontakte zum Katharinenpalast in Zarskoje Selo. Der Stadtteil von St. Petersburg, der auch Puschkin genannt wird, gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Nindel war oft dort als Dolmetscherin und Vereinsvorsitzende. Doch vor einem Jahr, als der russische Präsident Wladimir Putin den Befehl gab, die Ukraine anzugreifen, trat sie von ihrem Amt zurück. "Ich hatte einfach keine Kraft mehr, diese Partnerschaft zu unterstützen", sagt sie und ringt mit den Tränen. "Selbst Verwandte von mir, die in Russland leben, glauben den Lügen, die täglich im russischen Staatsfernsehen verbreitet werden. Nämlich, dass wir Ukrainer alle Faschisten seien, was einfach nicht stimmt."

Im Rathaus von Zerbst in einer Nebenstelle des Museums liegt ein Gästebuch aus, das an bessere Zeiten erinnert. Russische Touristen loben darin die Katharina-Sammlung, die in dem Gebäude gezeigt wird. Tatyana Nindel erinnert sich gern an die Begegnungen, die sie in dem Museum hatte. Sie hat dort viele freundliche Russen kennengelernt. Doch der Krieg hat alles verändert. "Es gibt natürlich Menschen, die in Russland genauso leiden wie die Ukrainer", sagt sie. "Aber diese Menschen haben in Russland keine Meinungsfreiheit, sie fühlen sich kraftlos und wissen nicht, wie sie diesen furchtbaren Krieg stoppen können. Wenn sie für Frieden auf die Straße gehen, werden sie von Polizisten abgeführt und müssen mit einer langjährigen Gefängnisstrafe rechnen."

Förderverein baut Schloss in Zerbst wieder auf

Wenige Meter neben dem Zerbster Rathaus steht das Schloss, in dem Katharina die Große als Prinzessin Sophie Auguste Friederike in ihrer frühesten Jugend für kurze Zeit gelebt hatte. Das Gebäude wurde im April 1945 von Bomben getroffen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Nach der Deutschen Einheit kam der IT-Experte und Hobby-Historiker Dirk Herrmann auf die Idee, das Schloss wiederaufzubauen. Er gründete den Förderverein "Schloss Zerbst e.V." und lebt seither auf einer Baustelle.

Gebe es den Krieg in der Ukraine nicht, hätte Herrmann allen Grund zum Feiern. Denn gerade ging eine fünfjährige Baumaßnahme zu Ende. "Aus der Ruine ist wieder ein Gebäude mit neuen Türen, Fenstern und einem provisorischen Dach geworden", sagt Herrmann. Sein Sanierungs-Verein, der inzwischen 250 Mitglieder zählt, hat vor allem den alten Haupt-Trakt des Barockschlosses, in dem die Eltern der russischen Zarin wohnten, wieder begehbar gemacht. "Wir konnten 2,7 Millionen Euro investieren", sagt Herrmann. "Das Geld stammt zu 90 Prozent aus Fördertopfen der EU, der Rest wurde durch Spenden finanziert."

Russlands Krieg in der Ukraine zerstört Beziehungen

Während das einst zerbombte Barockschloss immer ansehnlicher wird, zerschießen russische Geschütze die Geburtsstadt von Tatyana Nindel. "Ich bin in Charkiw, etwa 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, aufgewachsen", sagt sie. "In der Stadt leben Ukrainer, Russen, Armenier, Georgier und andere Nationen und nie gab es Feindseligkeiten. Jetzt aber leben die Menschen in meiner friedlichen Stadt Charkiw in ständiger Angst. Die russische Armee schießt in die Universitäten und Privathäuser. Es geht nicht etwa um die Zerstörung von irgendwelchen Armee-Basen, es geht um die Auslöschung der ukrainischen Bevölkerung und das kann ich nicht verstehen und auch nicht zulassen."

Für Tatyana Nindel fühlt es sich an, als lebe sie in einem Alptraum. Und auch Dirk Herrmann musste hilflos mit ansehen, wie feste Freundschaften durch den Krieg zerbrachen. "Wir haben eng mit dem Katharinenpalast in Zarskoje Selo zusammengearbeitet und konnten so gemeinsam mehrere Sonderausstellungen im Zerbster Schloss gestalten. Dadurch kamen auch immer mehr russische Touristen nach Zerbst. Für sie hatten wir russischsprachige Informationstafeln aufgestellt und Flyer gedruckt. Doch dann kam der furchtbare Krieg und da liegen jetzt natürlich alle Kontakte auf Eis."

Städtepartnerschaft ausgesetzt

Auch der Stadtrat von Zerbst, der vor fast drei Jahrzehnten eine offizielle Städtepartnerschaft mit St. Petersburg vereinbart hatte, reagierte auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. In einer schriftlichen Erklärung, die auf den 14. April 2022 datiert ist, fordert der Zerbster Stadtrat die russische Regierung auf, "diesen Krieg sofort zu beenden". Die Städtepartnerschaft selbst wurde allerdings nicht beendet, sie wurde aber für die Dauer des Krieges ausgesetzt.

Mitte April soll die neue Schloss-Saison in Zerbst eröffnet werden. Russische Touristen, die sich für Katharina die Große interessieren, werden in diesem Jahr nicht anreisen. Und Tatyana Nindel, die als Ukrainerin vom Krieg direkt betroffen ist, will erst wieder als Katharina die Große auftreten, wenn der russische Präsident Wladimir Putin nicht mehr an der Macht ist und die Waffen in der Ukraine schweigen. "Ich hoffe auf Frieden", sagt sie. "Auf ein Wunder!"

MDR (Stephan Schulz, Moritz Arand)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. Februar 2023 | 11:00 Uhr

13 Kommentare

dimehl am 23.02.2023

Das nimmt sich nicht viel:
und Präsident Putin hat einen Palast am Meer
(Quelle: zdf-Sendung "Putins Komplizen").
Präsident Putin taucht über Strohmänner in den Panama Papers auf
(Quelle: zdf-Sendung "Putins Komplizen").
Und Präsident Selenskyj:
"Vom Kleptokraten zum Helden: Es ist nicht lange her, dass die «Pandora Papers» die Korruption von Wolodymyr Selenskyj offenlegten
Der «Heldenpräsident», der tapfer und edel westliche Werte verteidigt.
Leider ist die Erinnerung kurz. Denn die Ukraine und ihr Präsident sind weit von diesen Werten entfernt.
Als vor fünf Monaten die «Pandora Papers» Kleptokraten in aller Welt demaskierten, stand die Ukraine auf dem ersten Platz bei der Zahl korrupter Amtsträger.
Einer war Selenskyj mit Konten in Belize, Zypern und auf den Britischen Jungferninseln. 41 Millionen Dollar soll er bekommen haben, überwiesen von dem dubiosen Oligarchen Ihor Kolomojskyj."
(Quelle: Die Weltwoche v. 22.03.2022 )
Eine Oligarchie wurde Opfer einer anderen Oligarchie...

Maria A. am 22.02.2023

Ich verstehe das auch nicht. 1945 kamen sie in trauter Gemeinschaft als Besatzungsmacht. Und nun sind die Talk-Sendungen voll mit Ukrainerinnen, beispielsweise gestern davon eine bei Lanz, die erzählen, wie unglücklich die Ukrainer waren als Teil der Sowjetunion. Wir waren doch auch nicht glücklich, in der Zone zu leben, aber es war eben so. Nun kann man ja den Kummer der Frau Nindel über den leidigen Ukrainekrieg absolut nachvollziehen. Eventuell manche auch den Zwiespalt der Gefühle. Aber wie Putins schlimmer Aggressionskrieg ideologische Auswirkungen auf die Historie um Katharina die Große haben kann, das erscheint mir nicht nachvollziehbar. Wenn man die Kommentare liest, bin ich mit meinem Unverständnis ja auch nicht allein.

Nelke am 22.02.2023

Die Entscheidung ist einerseits konsequent. Unterzeichnete Präsident Selensky doch bereits im Jahr 2019 eine Order, die Rückeroberung der Krim anzu-streben. Die Krim wurde jedoch auf Befehl der Zarin Katharina vom osmanischen Reich erobert. Da wäre es falsch, an diese historische Verbindung zu erinnern. Andererseits fragt sich dann, weshalb dieses Amt dann überhaupt erst angenommen wurde. Hoffentlich landet die Dame jetzt nicht auf der ukrainischen Todesliste Mirotworjez- wegen Vaterlandsverrats. In der hoch-demokratischen Ukraine wurden erst alle Lenindenkmäler geschleift, dann auch die Denkmale der Zarin Katharina. Dabei gäbe es die Ukraine als Staat gar nicht ohne Lenins Entscheidung, die Ukraine als eigenständige Sowjetrepublik zu begründen. Die tiefe Dankbarkeit der ukrainischen Machthaber ist dank des feinfühligen Spitzendiplomaten Andrej Melnik gut bekannt. Wie immer leidet die Bevölkerung, in der Ukraine wird die Jugend an der Front verheizt, hier wird Heizen unbezahlbar.

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