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Serie: Ein Jahr Corona in Sachsen-AnhaltJugendclub-Leiterin in Zahna-Elster: "Ich habe Angst um die Kinder"

07. März 2021, 13:40 Uhr

Am 10. März 2020 wurden in Sachsen-Anhalt die ersten Corona-Fälle offiziell bestätigt. Ein Jahr danach startet MDR SACHSEN-ANHALT eine Reihe, in der Menschen zu Wort kommen, die wir schon zu Beginn der Pandemie sprachen. Wir wollen wissen, wie sich der Alltag seitdem verändert hat und wie die Menschen jetzt in die Zukunft blicken. Teil 3 mit Sabine Hoffmann, die einen Jugendclub in Zahna-Elster leitet.

von Jana Müller, MDR SACHSEN-ANHALT

Der Jugendclub "Zuflucht" am Rande der Stadt Zahna-Elster in Wittenberg wirkt verlassen. Die Fahrradständer sind leer, das Außengelände mit Trampolin und Volleyballfeld ist verwaist und auch im Inneren des Clubs ist es fast gespenstisch still. Nur eine Person ist noch immer jeden Tag im Club zugange: Leiterin Sabine Hoffmann. Sie sitzt im Bastelraum oder bereitet im Gemeinschaftsraum Projekte vor, mit denen sie die Kinder und Jugendlichen bei Laune zu halten versucht.

Sie beschreibt eines dieser Projekte: "In den Winterferien zum Beispiel habe ich jedem Kind eine Winterferien-Wundertüte vor die Tür gestellt. Da war ein Apfel drin, denn wenn wir im Club sind, essen wir viel Obst und Gemüse. Wir hätten normalerweise Fasching gefeiert, also kam Konfetti in die Wundertüte. Wir hätten sicherlich gebastelt, also habe ich ein bisschen Bastelmaterial mit in die Tüte gepackt."

Die Winter-Wundertüte ist nur eines von unzähligen Projekten und Aufrufen, die die 57-Jährige fast wöchentlich per Telefon startet. Wer baut den schönsten Schneemann? Wer schafft die meisten Hampelmänner? Wer hilft beim Sonnen-Malen und lässt die Stadt mit diesen Basteleien erstrahlen?

Ab früh um acht klingelt das Handy

Per Whatsapp und Telefon ist Sabine Hoffmann immer für ihre Kinder da. "Ich habe von Anfang an versucht, den Kontakt zu halten. Das war mir ganz, ganz wichtig. Und das klappt. Früh um acht klingelt das Telefon das erste Mal. Da sitzen die Kinder über ihren Schulaufgaben, schicken auch gern mal ein Foto und fragen, ob ich mal drüber gucken kann."

Das macht sie natürlich. Und unterstützt so auch die Eltern, die mit dem Homeschooling ab und an überfordert sind. "Das ist ganz wichtig, denn es gibt ja nicht nur Eltern mit einem Kind. Wir haben Familien mit fünf, sechs, sieben Kindern. Und sich da kontinuierlich auf jedes Kind zu konzentrieren, ist schwer. Und auch für die Kinder ist es schwer. Ich höre ganz oft, dass die Kinder und Jugendlichen sich sehr danach sehnen, wieder in die Schule gehen zu können."

Die Arbeit mit den Kindern ist das Größte

Sabine Hoffmann ist keine Lehrerin, auch keine ausgebildete Erzieherin. Früher hat sie beim Tierarzt gearbeitet und nur nebenbei an Nachmittagen im Jugendclub ausgeholfen. Als sie dann die Chance bekam, den Jugendclub zu leiten, hat sie diese ergriffen. Denn die Arbeit mit den Kindern ist für sie das Größte: "Ich mache diesen Job mit Leib und Seele. Ich möchte, dass die Kinder und Jugendlichen hier einfach eine schöne Zeit haben. Und wenn sie irgendwann den Jugendclub verlassen und irgendwann mal erwachsen sind und selber Kinder haben, dann sollten sie sich an die tolle Zeit im Jugendclub erinnern. Das ist mein Ziel."

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"Mach doch den Jugendclub wieder auf!"

Bei diesen Worten strahlt Sabine Hoffmann. Doch auf die Situation während der Corona-Pandemie angesprochen, treten Sorgenfalten auf die Stirn der sonst so unbeschwerten Person. Beim ersten Lockdown, sagt sie, seien die Kinder noch fröhlicher gewesen. Wenn sie jetzt mit den Jungen und Mädchen telefoniert, kommen dagegen oft auch Tränen. "Die Kinder sagen dann: 'Sabine, wir können nicht mehr. Mach doch den Jugendclub wieder auf.' Dann muss ich erklären, dass das ja nicht ich zu entscheiden habe. Dass wir uns alle an die Regeln halten müssen.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mittlerweile wirklich Angst um die Kinder. Ich habe Angst, dass die Stimmung so weit runter geht, dass wir die Kinder nicht mehr auffangen können.

Jugendclub-Leiterin Sabine Hoffmann

Die Kinder und Jugendlichen brauchen Nähe und ein soziales Miteinander. Sie brauchen das Gefühl, gemeinsam am Tisch zu sitzen. Miteinander zu reden und zu lachen. Bei ihren Telefonaten mit den Kindern und Jugendlichen versucht Sabine Hoffmann jedenfalls, Mut zu machen und den Nachwuchs zum Durchhalten zu animieren. Doch abends im Bett, sagt sie, sehe es auch mal anders aus. "Ich gebe die Starke, aber das bin ich nicht immer. Es ist unglaublich traurig anzusehen, wie sich manche Kinder immer mehr in sich selbst zurückziehen."

"Tut was für die Kinder!"

An dieser Stelle ist von der optimistischen Strahle-Frau nicht mehr viel zu sehen. Sabine Hoffmann ist den Tränen nah, bemüht sich redlich um Fassung.

Ich hoffe wirklich, dass die Politik die Kinder nicht vergisst. Alle sagen immer: 'Kinder sind unsere Zukunft.' Dann tut doch mal etwas für sie.

Jugendclub-Leiterin Sabine Hoffmann

Eine zusätzliche finanzielle Unterstützung wäre zum Beispiel ein Anfang. Denn all die kleinen Geschenke, die Bastelmaterialen und Projekte, die Sabine Hoffmann organisiert, müssen bezahlt werden. Zum Glück ist die Jugendclubleiterin gut vernetzt, so greifen ihr immer wieder Unternehmen aus der Stadt unter die Arme. Und zum Glück hat sie bis heute ihren Optimismus nicht verloren.

Ich hoffe, dass wir um Ostern rum wieder öffnen können. Ich könnte auch sofort wieder loslegen. Es ist alles bereit. Ich würde die Stühle runter stellen, alles nochmal desinfizieren und den Jugendclub wieder aufschließen.

Jugendclub-Leiterin Sabine Hoffmann

Doch noch ist es nicht so weit, das weiß Sabine Hoffmann. Für sie heißt es: weiter Kontakt halten über ihr Telefon. Das klingele übrigens das letzte Mal am Abend gegen halb elf, erzählt sie. Am anderen Ende ist dann oft eines der älteren Kinder, das einfach noch eine Runde quatschen will mit Sabine Hoffmann.

Über die AutorinJana Müller, groß geworden in Gräfenhainichen, arbeitet seit 2018 bei MDR SACHSEN-ANHALT im Regionalstudio Dessau. Sie berichtet aus der Region Anhalt und Wittenberg hauptsächlich für den Hörfunk, aber auch für Fernsehen und Online. Schon während ihres Studiums an der Martin-Luther-Universität in Halle machte Jana Müller erste Radio-Erfahrungen bei Radio Brocken und 89.0 RTL, danach zog es sie aber erst einmal zum Fernsehen. Bei den Regionalfernsehsendern in Dessau und Bitterfeld-Wolfen war sie als Redakteurin aber auch als Kamerafrau unterwegs.

Zu ihren absoluten Lieblingsorten in Sachsen-Anhalt zählt der Zschornewitzer See, den sie als Ruderin schon unzählige Male auf und ab gefahren ist.

MDR, Jana Müller, Maria Hendrischke

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 10. März 2021 | 19:00 Uhr

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