Corona und die Folgen "Gecrashed": Wittenberger gründet Selbsthilfegruppe für Long-Covid
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15. März 2023, 16:10 Uhr
Wieder einen Halbmarathon laufen zu können, ist für Christian Geers aus Wittenberg nach einer Corona-Infektion noch ein ferner Traum. Der 36 Jahre alte Mann leidet an Long-Covid. Um mit der Situation besser zurechtzukommen, hat er eine Selbsthilfegruppe gegründet.
- Pfleger Chrsitian Geers aus Wittenberg leidet nach einer Corona-Infektion vor zwei Jahren manchmal unter starken Erschöpfungssymptomen.
- Mit mehr als 30 Betroffenen hat Geers eine Selbsthilfegruppe gegründet.
- Seit Kurzem kann der ehemalige Hobbyläufer wieder kurze Strecken joggen.
Als Christian Geers Ende des Jahres 2020 seine erste Corona-Impfung erhielt und danach dann vier Wochen später die zweite, hätte er nie gedacht, jemals ernsthaft an Covid 19 erkranken zu können. Als Mitarbeiter des Krankenhauses Wittenberg zählte er damals zu den Erstgeimpften in Deutschlands.
Gesund durch die zweite Welle
Christian Geers kam gut und gesund durch die damalige zweite Corona-Welle, obwohl er als Bereichsleiter in der Patientenbegleitung und Koordinator des Pflegeservice täglich engen Kontakt mit Patienten und Kollegen verschiedener Stationen hatte.
Nach der Boosterung im November 2021 hatte der damals 34 Jahre alte Mann zeitweise Beschwerden, die jedoch nicht von Dauer waren. Der aktive Hobbyläufer war überzeugt, dass ihm das Virus nichts anhaben könne, selbst wenn er im Klinikum Wittenberg damit in Berührung kommen würde
Milder Verlauf, starke Langzeitfolgen
Im Nachhinein ein großer Irrglaube, sagt Christian Geers mit leisem Bedauern in seiner Stimme. Wobei der reine Verlauf der Infektion, die ihn dann Ende 2021 ereilte, eher normal und fast harmlos war. Christian Geers, der schon ein paar Halbmarathons gelaufen ist, setzte bewusst ein paar Wochen mit dem Training aus. Er versuchte auch bewusst seine Alltagsaktivitäten zurückzufahren, und war weniger in der Vereinsarbeit aktiv.
Dass ausgerechnet ihn das Virus dann mit allen Langzeitfolgen erwischen würde, will Christian Geers bis heute nicht begreifen. Und dass er seit einem Jahr deutschlandweit von Arzt zu Arzt reisen würde, auch nicht.
Oft "gecrashed"
Das chronische Fatigue-Syndrom in Folge einer Covid-19-Infektion hat den jetzt 36-Jährigen ein Stück weit zu einem anderen Menschen gemacht. "Bin gerade gecrashed – lasst mich bitte in Ruhe" steht auf einem kleinen Pappaufsteller auf seinem Schreibtisch, eine Mitbetroffene aus Berlin hat es ihm geschickt. Es spiegelt ziemlich genau die Gefühlslage wieder von Christian Geers, wenn er wieder eine Rückfallphase durchlebt. Die ihn immer ohne Vorwarnung trifft.
Gecrashed ist das Wort, das Christian Geers sehr häufig benutzt, wenn man mit ihm spricht oder telefoniert. Eben noch voll aktiv wie vor der Infektion, fällt kurze Zeit später das normale Aufstehen von der Couch, ein kurzes Telefonat oder schon das einfache Beantworten einer Sprachnachricht extrem schwer, erzählt Christian Geers.
Selbsthilfegruppe in Wittenberg gegründet
So wie ihm geht es schätzungsweise acht bis zehn Prozent aller Corona-Genesenen in Deutschland. Der Schweregrad des Verlaufs spielt dabei keine wirkliche Rolle.
Der Wittenberger hat im März vor einem Jahr eine Selbsthilfegruppe gegründet. Mehr als 30 Betroffene aus Wittenberg, der Umgebung, aber auch aus Naumburg haben sich ihr inzwischen angeschlossen.
Nicht ernstgenommen
Ihr größtes Problem ist, das sie sich von ihren Hausärzten, aber auch von Fachärzten, von ihren Arbeitskollegen und auch von ihrem privaten Umfeld vielfach nicht ernst genommen fühlen. Vor allem Frauen werden von Ärzten schnell in die psychosomatische Ecke geschoben, wird in der Selbsthilfegruppe kritisiert, auch weil die Standard-Laborbefunde oftmals nur kleine Auffälligkeiten zeigen.
Christian Geers musste bis nach Berlin reisen, um einen Spezialisten zu finden, der sich Zeit nahm, ihm zuhörte und von dem sich Christian Geers auch ernst genommen fühlte.
Betroffener Spezialist in Berlin
Dr. Christian Gogoll war selbst schwer betroffen. Der Lungenspezialist musste auf einer Intensivstation Anfang 2021 beatmet werden, nachdem er sich bei der Versorgung von Corona-Patienten in der Klinik infiziert hatte. Sechs Wochen lang versuchte er danach in einer Rehaklinik in Flechtingen wieder ins normale Leben zurückzufinden.
Der Endfünfziger darf wegen der neurologischen Folgen seiner Corona-Infektion bis heute noch nicht wieder Auto fahren. Christian Gogoll hat auch heute noch Tage, an denen er sich wie Christian Geers "gecrashed" fühlt.
Auch deshalb versteht er die Betroffenen so gut, die aus ganz Deutschland zu ihm nach Berlin kommen. Das Krankheitsbild ist inzwischen auch offiziell anerkannt, verschiedene Therapieansätze werden erfolgreich erprobt. Gezielte Vitamin- und Nahrungsergänzungsmittelgaben ebenso wie bewusste Atem-und Meditationstechniken sollen Betroffenen helfen.
Krankheit akzeptieren lernen
Christian Geers hat gelernt, sich immer wieder bewusste Auszeiten zu nehmen und seine Crash-Tage geduldig auf der Couch zu Hause auszusitzen, er hat seine Krankheit akzeptieren gelernt. Inzwischen muss er sich auch seltener krankschreiben lassen, er ist gut 16 Monate nach seiner Infektion auch insgesamt wieder belastbarer geworden.
Und seit ein paar Wochen geht er auch wieder kurze Strecken laufen, dies ist einer seiner größten Erfolge bisher. Auch wenn er den einen oder anderen Lauf wieder mit einem Crash-Tag bezahlen muss, sie werden dafür weniger.
Ziel: Halbmarathon und USA-Reise
Sein Ziel ist es, irgendwann wieder einen Halbmarathon zu finishen – und eine Reise in die USA. Die hatte er schon lange vor Corona geplant. Christian Geers will aber erst in die Staaten fliegen, wenn er sich wieder ganz gesund fühlt.
MDR (Michael Brandt)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 15. März 2023 | 19:00 Uhr
Eulenspiegel am 16.03.2023
„Selbst wenn er mit dem Virus in Berührung kommen würde im Klinikum Wittenberg, es würde ihm nichts anhaben können, davon war der aktive Hobbyläufer überzeugt.“
„Im Nachhinein ein großer Irrglaube, sagt Christian Geers mit leisem Bedauern in seiner Stimme. „
Ja das hat er nicht bedacht. Die Impfung war kein garantierter Schutz vor einer Corona-Infektion. Sie konnte nur die Infektionsrisiken und die möglichen Auswirkungen von Corona minimieren. Und in dem Zusammenhang auch Long-Covid reduzieren. Eine Garantie gab es da aber nicht.
Lumberjack am 15.03.2023
Auch diesem Bericht kann wohl niemand wirklich entnehmen, ob der Patient durch die Erkrankung oder die mRNA-Behandlung diese Symptome entwickelt hat.
»Symptome nach einer Corona Impfung ... sind eigentlich identische Symptome, wie wir sie auch von Post Covid Patienten nach einer Infektion kennen.« (Professor Bernhard Schieffer, swr.de 27.1.2023) Für die Betroffenen hat das im Nachhinein sicher keinen medizinischen Einfluss denn »Es sind eigentlich identische Symptome, wie wir sie auch von Post Covid Patienten nach einer Infektion kennen.« (selbe Quelle) Es würde jedoch dabei helfen, zukünftig Menschen vor ähnlichen "fast nebenswirkungsfreien" (Lauterbach, ARD Anne Will) Behandlungen zu schützen.
MDR-Team am 16.03.2023
Der erste Teil ihrer Frage wird bereits in Satz Eins des Artikels beantwortet.