Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Die Tesvolt-Batteriespeicher aus Wittenberg kommen auf der ganzen Welt zum Einsatz. Bildrechte: MDR/Daniel Tautz

Erneuerbare EnergienBatteriespeicher aus Wittenberg für die Welt

03. Januar 2022, 08:45 Uhr

Sachsen-Anhalt ist Vorreiter, wenn es um Erneuerbare Energien geht. Doch was ist, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint? Zwei Wittenberger haben mit ihren Batteriesystemen einen Weg gefunden, der heute nicht nur hier, sondern von Australien bis Patagonien Strom speichert. MDR SACHSEN-ANHALT war in der Produktionshalle – und im Kuhstall.

Ein dumpfes Mühen dringt hervor, als Marko Mattner die gewaltige Stalltür öffnet. Dahinter fressen, käuen und schmatzen seine Kühe das getrocknete Heu. 1.300 Tiere hat der Milchbauer auf seinem Hof in Kemberg. Das Melken kostet da natürlich Zeit. Vor allem aber: eine immense Menge Strom.

Das automatisierte Melkkarussell dreht Kuh für Kuh durch den Prozess, ein großer Kühlblock muss die frische Milch auf vier bis fünf Grad Transporttemperatur bringen. Um den hohen Strombedarf zu decken, hat Marko Mattner das Dach des Stalls von ganz vorne bis ganz hinten mit Solarpaneelen bestückt. Doch der Verbrauch ist naturgemäß immer da – ob die Sonne nun scheint oder nicht.

Hier speichert Milchbauer Marko Mattner seinen Strom. Bildrechte: MDR/Daniel Tautz

Und deshalb hat Mattner vor seinem Stall einen weißen quaderförmigen Container stehen. Vor dessen Tür warnt ein Aufkleber vor Starkstrom. Dahinter sind 28 schwarze Blöcke übereinander getürmt, drei Reihen breit, gut zwei Meter hoch. In diesen intelligenten Batteriespeichern wird der Strom aus Mattners Photovoltaikanlage zwischengelagert.

Anders als man denken könnte, haben diese Batterien ihren Ursprung aber nicht im Silicon Valley oder Shanghai, sondern ein paar Kilometer die B2 hinauf: bei der Firma Tesvolt in der Lutherstadt Wittenberg.

Von der Garage zur "Gigafactory"

Begonnen hat alles in einer unscheinbaren Lagerhalle im Norden der Stadt. Als Daniel Hannemann, einer der beiden Gründer, heute bei leichtem Winternebel vor dem Gebäude steht, muss er schmunzeln. "Das sind schon viele Erinnerungen, hier haben wir die ersten Prototypen gebaut", erzählt er. "Für einen Landwirtschaftsbetrieb aus dem Raum Wittenberg."

Hier fing für Tesvolt alles an: die erste Produktionshalle im Norden von Wittenberg. Bildrechte: MDR/Daniel Tautz

'Wir' – das sind er und Simon Schandert. Beide sind alte Freunde, beide kommen aus der Region und beide sind nach dem Studium in der Solarbranche gelandet. Dort sei immer wieder der Bedarf nach großen Stromspeichern gekommen – also haben sie über eine effiziente Lösung rumgesponnen. "Dabei waren wir echt keine Batterie-Experten", sagt Daniel Hannemann heute.

Das war damals im Jahr 2014. Knapp acht Jahre später ist aus dem gebastelten und verkabelten Prototypen ein Unternehmen geworden, das allein im vergangenen Jahr über 100 Millionen Euro Auftragseingang verzeichnet hat. Heute baut das Unternehmen die Batteriespeicher in seiner selbsternannten "Gigafactory", ein paar Kilometer weiter im Osten von Wittenberg.

In solchen Speichern kann Energie zwischengelagert werden. Bildrechte: MDR/Daniel Tautz

In der Produktionshalle schieben sich die schwarzen Batteriespeicher durch den Fertigungsprozess. Laufen über ein Fließband in die Teststation und werden von einem wuchtigen gelben Greifarm in Pappkartons gepackt. Simon Schandert steht neben einer Reihe fertigen Lithium-Ionen-Batterien. "Zwei von diesen Modulen haben zehn Kilowattstunden. Sie haben also den Energiegehalt, den ein Einfamilienhaus am Tag verbraucht."

Einfamilienhäuser beliefert die Firma aber eher weniger, sondern vor allem Betriebe und Konzerne. Anfangs stellten sich noch vorrangig Landwirte die Boxen auf ihre Höfe, mittlerweile sind es Unternehmen und Projekte in Dutzenden Ländern weltweit. In Ruanda sorgen Tesvolt-Speicher für die Versorgung eines der größten Wasserpumpen-Projekte der Welt. In Mali bekommen abgelegene Dörfer so überhaupt erst einen Stromanschluss. "Unterschiedliche Regionen haben da ganz unterschiedliche Anforderungen", sagt Simon Schandert. "Aber prinzipiell können die Module überall stehen und Strom speichern."

Ohne Batteriespeicher wird es keine Energiewende geben.

Daniel Hannemann, Tesvolt

Denn nicht nur in Deutschland ergibt sich mit der Umstellung auf erneuerbare Energien ein Problem: Wie kann der gewonnene Strom auch im Dunkeln oder bei Windstille verbraucht werden? "Ohne Batteriespeicher wird es keine Energiewende geben", sagt Daniel Hannemann dazu. "Wir merken heute schon im Sommer, dass wir mehr Strom aus regenartiven Energien erzeugen, als die Bundesrepublik überhaupt abnehmen kann."

Klar ist aber auch: Alle Solaranlagen und Windräder an Dutzende Batteriespeicher zu hängen, scheint ein bisschen zu einfach. Doch der Markt ist in stetiger – und vor allem schneller Entwicklung. Künftig dürften Speicher noch deutlich kleiner und effizienter werden.

Die Tesvolt-Gründer Daniel Hannemann und Simon Schandert Bildrechte: MDR/Daniel Tautz

Schaut man sich in der Fertigungshalle in Wittenberg um, wird es auf jeden Fall allmählich eng. Und blickt man aus dem Fenster, sieht man bereits die Bagger die Baugrube für den nächsten Anbau ausheben. Erst Mitte November hat Tesvolt eine neue Investitionssumme in Höhe von 40 Millionen Euro erhalten. 

Von Wittenberg in die USA

"Wir wollen weiter in die westeuropäischen Länder expandieren, aber auch über den Ozean gucken", sagt Daniel Hannemann und spricht von einem Produktionsstandort in den USA. "Das Hauptwerk wird aber hier bleiben, in der Lutherstadt Wittenberg."

Fragt man die beiden nach dem Grund, wissen sie viel aufzuzählen: die mittige Lage zwischen Berlin und Leipzig, die Nähe zu deren Flughäfen, Wittenbergs ICE-Anbindung, die günstigen Flächenpreise. Und natürlich: Freunde, Familie und Heimatgefühl. Und so werden die beiden auch in Zukunft Batteriespeicher für die Welt in Wittenberg bauen – auch wenn sie künftig vielleicht öfter mal "über den Ozean" müssen.

Mehr zum Thema

MDR (Daniel Tautz)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 02. Januar 2022 | 19:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen